Vor dem letzten Heimspiel in Bremen änderte Hannes Ostendorf sein Facebookprofil und präsentiert nun dieses Bild kämpferischer Hooligans mit Hassmaske in Werder Bremen Farben. Die Kommentare der User sprechen für sich.
Screenshot Facebook // Fanpage Hannes Ostendorf

Konflikt in Bremen spitzt sich zu – Innensenat verschließt die Augen

Am vergangenen Wochenende spielte der SV Werder Bremen sein letztes Heimspiel der Saison gegen Borussia Mönchen-Gladbach (0:2). Beobachter*innen und Fans erwarteten neue Angriffe rechter Hooligans, wie sie sich bei den vorherigen Spielen in der Hansestadt ereignet hatten. Zum Glück blieben diese aus – entspannt hat sich die Lage deshalb aber nicht.

Von Lina Morgenstern

Das Fußballwochenende mit dem letzten Heimspiel der Saison in Bremen blieb gewaltfrei. Das war nicht zu erwarten, nachdem im Nachgang der Spiele gegen den Hamburger SV und zwei Wochen später gegen Eintracht Frankfurt Angriffe von rechten Hooligans auf die mehrheitlich links orientierten Ultras erfolgt waren. Die Hooligans erschienen trotzdem vor Ort, im Umfeld des Stadion zeigten sie eine bedrohliche Präsenz. Vor dem Spiel wurde bekannt, dass nun auch das Fanprojekt in den Fokus der rechten Schläger geraten ist. Auf den Facebook-Profilen einschlägig rechter Organisationen tauchen immer wieder Steckbriefe auf, die die Mitarbeiter der sozialpädagogischen Einrichtung als Unterstützer von "Antifa Ultras Gewalttätern" auflisten und zur Selbstjustiz auffordern. Die Taktik ist nicht neu. Nachdem sich Ultras gegen die Angriffe beim Heimspiel Mitte April verteidigen mussten, erschienen schon Steckbriefe. Verbreitet wurden diese über Kanäle wie das Facebook-Profil der German Defence League, von wo aus auch Hannes Ostendorf, Sänger der Hooligan-Band Kategorie C, den Aufruf teilte.

Einer der bedrohten Fanprojektmitarbeiter ist Daniel Behm. Er schätzt die Lage deutlich ein: "Wir haben es hier mit rechten Gewalttätern zu tun, die teilweise seit Jahrzenten in deutschen Hooligan und Neonazistrukturen aktiv sind." Er ärgert sich, dass die Stadt aus dem Konflikt 2007, als rechte Hooligans eine Feier von antirassistischen Ultras im Fanprojekt angriffen, nichts gelernt hat. Im Verein ist seitdem viel passiert, der Vorfall wurde in der Fanszene aufgearbeitet und die Antidiskriminierungs-AG gegründet. In den Jahren danach gelang es Fans und Verein gemeinsam, Neonazis aus dem Stadion auszuschließen. Aber seit kurzem tauchen die Rechten um Hannes Ostendorf, dessen Name seit dem Angriff 2007 immer wieder fällt, vermehrt im Umfeld des Weser Stadions auf.

Hooligans schaffen Drohkulisse

Am 11.Mai aktualisierte Hannes Ostendorf sein Titelbild auf Facebook – es zeigt sportliche Männer in Angriffspose, die Hassmasken in Werder Bremen Farben tragen. Mutmaßlich handelt es sich hier um (Ex-)Mitglieder der Standarte Bremen, einer Gruppe die sich nach dem BGH-Urteil, das die Einstufung von Hooligangruppierungen als kriminelle Vereinigungen ermöglicht, vorsorglich aufgelöst hatte. Die Hooligans wollen zurück ins Stadion und in die Fanszene – das zeigen sie seit Wochen. Alle auf dem Bild tragen T-Shirts von Kategorie C, der Band, die nach der Einordnung gewaltsuchender Fans durch die Polizei in die "Kategorie C" benannt ist.

Verein ruft zu Widerstand ohne Gewalt auf – Angriffe gehen von den Hooligans aus

Auf der Website des Bremer Bundesligisten veröffentlichte der Verein vor dem Heimspiel am Samstag eine Erklärung zu den Geschehnissen der letzten Wochen. Der Präsident und Geschäftsführer des SV Werder Bremen rief zur Besonnenheit auf und sprach mit klaren Worten die politische Dimension des Konflikts an, der sich über das gesamte Stadtgebiet ziehe. "Mit Besorgnis beobachtet der SV Werder, dass im zeitlichen Zusammenhang mit unseren letzten Heimspielen im Stadtgebiet und außerhalb verstärkt rechtsextreme Gruppierungen Präsenz gezeigt haben. In daraus resultierende Auseinandersetzungen wurden auch friedliche Fußballfans und unbeteiligte Bürger mit Zivilcourage hineingezogen, die sich gegen dieses offensive Auftreten von Neonazis gewehrt haben. Leider wurden diese Vorkommnisse zuletzt immer wieder als Fußballkonflikte verharmlost", erklärte Dr. Hubertus Hess-Grunewald. In der Diskussion mit den Sicherheitsbehörden der Stadt setze man sich dafür ein, an diesem Punkt ein Umdenken zu erreichen.

Nicht nur, dass Bremen als einziges Bundesland der Deutschen Fußballliga DFL und damit den Profivereinen einen Teil der Einsatzkosten in Rechnung stellt, die sich durch die Absicherung der Werder Fans gegen Angriffe von Hooligans erhöht. Noch dazu tragen die unkoordinierten und teils gewaltverstärkenden Reaktionen der Polizei zu einer weiteren Eskalation der Lage bei. Und der Verein SV Werder Bremen erkennt nicht, warum er für Konflikte zahlen soll, die außerhalb des Stadions und ohne direkten Bezug zum Spiel ablaufen.

Bremer Innensenat auf dem rechten Auge blind

Im Bremer Innensenat geht man auch nach den erneuten Angriffen der Hooligans weiter von unpolitischer Fangewalt aus. "Die Gewalttätigkeiten zwischen einigen Ultras und Hooligans haben mit Politik nichts zu tun, auch wenn sich diese Ultras nach außen einen politischen Anstrich geben. Am Ende verhalten sie sich wie Gewalttäter, denen mit polizeilichen Mitteln Einhalt geboten werden muss", so die Pressesprecherin des Senators für Inneres und Sport. Daniel Behm ist entrüstet über solche Aussagen: "Solange der Bremer Innensenat nicht zugibt, dass wir es hier mit einem politischen Konflikt zu tun haben und die Angelegenheit als ´Fußballrivalität´ heruntergespielt wird, haben die Nazis in Bremen freie Bahn!"

Dabei geben sich besonders die Hooligans einen "politischen Anstrich". Das Milieu um Hannes Ostendorf und seine Band Kategorie C trat wiederholt bei Demonstrationen der Hooligans gegen Salafisten auf, die Band heizte diese an und bewirbt den Slogan weiterhin. Pavel Brunßen, Chefredakteur des Transparent Magazins und Kenner der Bremer Fanszene, sieht den neuen Aktivismus der Hooligans als Folge der HoGeSa Mobilisierung: "Eine HoGeSa-Demonstration wie in Köln wird es nicht so schnell wieder geben. Geblieben sind aber das Machtgefühl und eine breitere Vernetzung zwischen rechten Hooligans und Neonazis. In dem Kontext muss man auch die jüngsten Geschehnisse in Bremen sehen. Hier versuchen Personen, die auch bei HoGeSa beteiligt waren, wieder einen Fuß in die Tür zu setzen."

Hooligans erstarken bundesweit

Der Konflikt greift auch auf andere Fanszenen über. Zuerst in Essen, dann in Duisburg zeigten rechte Fans Spruchbänder, um sich mit der Bremer Hooligan-Szene zu solidarisieren. Das HoGeSa-Motto "In den Farben getrennt – in der Sache vereint" wirkt als Maxime weit über die islamfeindliche Mobilisierung des vergangenen Jahres hinaus. Daniel Behm vom Fanprojekt Bremen schätzt die Lage kritisch ein: "Bei den Angriffen nach dem Spiel gegen Frankfurt wurde die Dimension noch einmal deutlich: Bremer Neonazis hatten Unterstützung von Hooligans aus anderen deutschen Städten. Ich denke die Bedrohung hier in Bremen ist noch nicht vorüber."

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