Die "Kohorte Duisburg" positioniert sich gegen Nazis.
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Wie Neonazis in den Stadien antirassistische Fans bedrohen

In zahlreichen deutschen Stadien kommt es derzeit zu Auseinandersetzungen zwischen rechtsextremen Hooligans und antirassistischen Ultras. Beim MSV Duisburg eskaliert der Konflikt nun zunehmend, Neonazis, Hooligans und rechtsoffene Zuschauer attackierten erneut Fangruppierungen, die sich im Stadion gegen Diskriminierung engagieren. Bezeichnend ist auch in diesem Fall wie so oft die angeblich „unpolitische“ Haltung, hinter der sich große Teile der Fanszene verstecken.

Von Arne Zillmer, zuerst erschienen beim Störungsmelder

Bereits im Oktober letzten Jahres kam es nach dem Heimspiel des MSV gegen Saarbrücken zu einem gezielten Angriff von rechten Hooligans und Neonazis aus Duisburg und Dortmund auf die Ultras und ihr Umfeld, nachdem diese sich während des Spiels per Spruchband mit den antifaschistischen „Ultras Braunschweig“ solidarisiert hatten. Nach Abpfiff kam es auf dem Parkplatz dann zu einer gezielten Attacke durch die Rechten, Augenzeugen sprechen von einem äußerst brutalen Vorgehen der Angreifer. Rund eine Minute lang prügelte der rund 30 Personen umfassende rechte Mob auf die antirassistisch-gesinnten Fans ein, bis die Polizei mit Schlagstöcken und Pfefferspray dazwischen ging.

Besonders betroffen von den rechten Drohungen und Attacken sind die meist jugendlichen Ultras der „Kohorte Duisburg“, welche sich seit der Sommerpause 2012 zunehmend nicht mehr nur bloß auf den Support des Meidericher Sportvereins beschränken, sondern auch verstärkt gegen Diskriminierung aufklären und sich klar gegen Nazis und rechtes Gedankengut positionieren. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch die Zivilcourage ruft rechtsextreme Hools und rechtsoffene Fans auf den Plan, denen das politische Engagement ein Dorn im Auge ist und den Ultras daher weitere antirassistische Arbeit untersagten, um eine „weitere Eskalation zu vermeiden“.

Vieles deutet jedoch darauf hin, dass es die Nazihools auf eine Machtprobe ankommen lassen wollen, so auch der jüngste Angriff beim Auswärtsspiel in Heidenheim im Dezember 2013. Unter einem Vorwand attackieren die Rechten erneut die Ultras der „Kohorte“, Augenzeugen berichten davon, dass dem am Boden liegenden Vorsänger noch mehrmals auf den Kopf getreten wurde. Vor und während des Angriffs riefen die Täter antisemitische Beleidigungen sowie Morddrohungen, unter anderem „Sie haben Schwule dabei, tötet sie!“. Erst das beherzte Eingreifen Umstehender habe Schlimmeres verhindert, so Zeugen des Vorfalls.

Die Angreifer kommen dabei überwiegend aus der Hooligan-Gruppe „Division Duisburg“, welche enge Kontakte ins neonazistische Milieu pflegt. Mitglieder der „Division“ nahmen bereits an „nationalen Fußballturnieren“ Duisburger und Leverkusener Nazis sowie am „SV Astika Cup“ (=“Hakenkreuz Cup“) in Karlsruhe teil, bei welchem auch Nazikameradschaften Teams stellten. Auch sollen die Hools der „Division“ im Februar 2012 nach einem Heimspiel gegen den FC St. Pauli versucht haben, einen Kulturclub zu stürmen, in welchem sie links-orientierte Fans des Hamburger Kiezclubs vermuteten. Weiterhin gibt es zumindest teilweise auch personelle Überschneidungen zu den Gruppierungen „Nationaler Widerstand Duisburg“ und der im August 2012 verbotenen Vereinigung „Nationaler Widerstand Dortmund“, wie eine Anfrage der Piratenpartei an die Landesregierung ergab.

Ähnlich wie beispielsweise in Aachen, wo sich die antirassistischen Ultras auf Grund der Drohungen und Übergriffe von rechts bereits aus dem Stadion zurückzogen, werden auch in Duisburg von einem Großteil der Fanszene nicht die Täter als das Problem angesehen, sondern eben die Betroffenen, die Ultra-Gruppierungen. Für viele Fußballfans hat „Politik im Stadion nichts verloren“, ein Argument, welches ständig in solcherlei Diskussionen gebracht wird. Nach dieser Logik ist auch Seite an Seite mit Nazis in der Kurve stehen kein Problem, solange diese nicht offen agieren. Problematisch scheint es erst zu werden, wenn Ultras einen Mindeststandart an demokratischen Werten und ein eigentlich selbstverständliches klares Bekenntnis gegen menschenverachtendes Gedankengut und Diskriminierung fordern. Doch dies ist mit der „unpolitischen“ Haltung zahlreicher Stadionbesucher nicht vereinbar.

Wenig Hoffnung geben leider auch die bisherigen Reaktionen der Fußballvereine auf Auseinandersetzungen zwischen rechten und zivil-couragierten Fans. Zwar bekennen sich die Vereine zu „demokratischen Grundwerten“ und geben an, gegen Gewalt und rechtsextremes Gedankengut vorzugehen. Oftmals bleibt es aber nur bei reiner Symbolpolitik, bei vereinzelten öffentlichkeitswirksamen Aktionen. Bezeichnend ist hierbei auch, dass die Problematik oft schlicht ausgeblendet oder verdrängt wird, zu groß ist die Angst vor einem Imageschaden. Der politische Hintergrund der Konflikte in den Fanszenen wird nicht gesehen, die Betroffenen stehen alleine dar.

Solange die Vereine wegsehen und große Teile der Fanszene rechtsextreme Parolen und homophobe Morddrohungen als „unpolitisch“ ansehen, haben Nazis und rechtsextreme Hooligans in den Stadien freie Bahn. Sie werden regelrecht dazu ermutigt, die Muskeln spielen zu lassen und all jene einzuschüchtern, die sich trauen, gegen Diskriminierung vorzugehen. Derartige Ereignisse haben schon in Aachen und Braunschweig dazu geführt, dass die Rechtsextremen den Machtkampf für sich gewinnen konnten. Auch beim MSV Duisburg und anderen Vereinen ist ein solcher Ausgang zu befürchten, wenn die Verantwortlichen und die Fanszene sich nicht endlich klar positionieren.

Dieser Text erschien zuerst am 21.02.2014 beim Störungsmelder. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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