Gut gelaunte Erinnerungsbilder mit Reichskriegsflagge: Hooligan-Posting auf Twitter.
Screenshot Twitter, 13.06.2016

Fußball-Europameisterschaft 2016: Wieder Zeit für abwertende Ausfälle - Woche 1

Beim ersten Bild von "Deutschland-Fans" mit Reichskriegsflagge, dass Belltower.news auf Facebook postete, fragte ein Nutzer: "Warum machen Sie dafür auch noch Werbung?" Nein, wir machen keine Werbung von rassistische, neonazistische, nationalistische Ausfälle während der Fußball-EM 2016 in Frankreich. Wir dokumentieren sie, um zu zeigen, wie schnell Party-Patriotismus in abwertenden Nationalismus, Rassismus oder gar Rechtsextremismus schwappt. Denn wir glauben, dass Fußball-Freude auch ohne Abwertung möglich ist.
 

Von Simone Rafael

+++ Warnung: Dieser Artikel dokumentiert rassistische und diskriminierende Entgleisungen während der Fußball-WM. Deshalb enthält er an einigen Stellen rassistische und gewaltvolle Sprache +++
 

Diesmal ging die Instrumentalisierung von Fußball für rassistische und islamfeindliche Hetze schon vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich los.

  • Zuerst empörten sich Anhänger_innen von "Pegida Baden-Württemberg" über die nicht-weißen Kinder auf Kinderschokoladen-Tafeln - bis sie verstanden, dass es sich um Kinderbilder der Spieler der deutschen Nationalmannschaft handelte, und dann peinlich berührte ihre Facebook-Seite löschten, während ihnen die Hashtag-Kampange #CuteSolidarity zeigte, wie allein sie mit ihrer Wahrnehmung in Deutschland sind (siehe ngn).
     
  • Während früher (2006) die rechtsextreme NPD mit "WM-Planern" mit dem Titel "Weiß - nicht nur eine Trikot-Farbe. Für eine echte NATIONAL-Mannschaft" von sich reden machte, wollte diesmal die "Alternative für Deutschland" die Bühne Fußball für rassistische und islamfeindliche Hetze nutzbar machen. 
  • So äußerte AfD-Brandenburg-Vorsitzender Alexander Gauland gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", "die Leute" wollten einen wie Innenverteidiger Jerome Boateng nicht zu Nachbarn haben - und reagierte auf Kritik, dass er einen in Deutschland geborenen Christen nicht zum Nachbarn haben wolle, mit der interessanten Aussage, er habe ja nicht einmal gewusst, dass Boateng eine schwarze Hautfarbe haben. Was ja im Folgeschluss heißen müsste, dass er ihn nur wegen seines Namens nicht zum Nachbarn haben wollte - auch ein schöner Beleg für Alltagsrassismus in Deutschland. 
  • Während Gauland für seine Aussage der Gegenwind ins Gesicht blies, suchte sich eine Kollegin aus der AfD Sachsen gleich den nächsten Fußball-Bezug für islamfeindliche Hetze. Andrea Kersten, Kreisvorstand der AfD Mittelsachsen, nannte eine Reise von Stürmer Mesut Özil nach Mekka eine "öffentlichkeitswirksame Pilgerfahrt", die ein "antipatriotisches Signal" sei - und dies alles nur, weil Özil ein Foto seiner Reise auf Facebook veröffentlichte. Auch hier zeigten allerdings die Reaktionen von Millionen anderer Menschen, was sie von der AfD-Attacke hielten - nämlich nichts (vgl. Welt).
  • Kein Wunder, dass verwirrte Patrioten in der AfD daraufhin beschlossen, die Facebook-Gruppe "AfD-Fußballfreunde der Nationalmannschaft" zu gründen - denn offenbar ist das in der AfD ja nicht Konsens, die aktuelle Nationalmannschaft zu unterstützen. Die Gruppe hat 470 Fans, ist sehr schwarz-rot-gold, aber tatsächlich bisher ohne Ausfälle.
     
  • Die Grüne Jugend Rheinland-Pfalz forderte "Fußballfans, Fahnen runter", um abwertendem Nationalismus entgegen zu treten (vgl. Welt) - und erntete dafür Beschimpfungen und  Todesdrohungen. Ein CSU-Generalsekretär beschimpfte sie als "Idioten" (ND)
     

Hier noch eine Collage von Reaktionen, zusammengestellt von Schland-Watch.
 

  • Dann kam das erste Deutschland-Spiel und dazu auch die ersten rechtsextremen Ausfälle. 
     
  • Bereits mittags posierten rechtsextreme Hooligans mit Reichskriegsflagge und "Dresden Ost"-Schal in Lille, sangen "Wir sind wieder einmarschiert" und skandierten "Deutsche Hooligans" (Tagesspiegel). Dann kam es auch zu gewalttätigen Krawallen, bei denen mehr als 50 deutsche Hooligans am späten Nachmittag in der Nähe des Bahnhofs friedlich feiernde ukrainische Fans angriffen. Zwei Menschen wurden nach ersten Angaben leicht verletzt. Dabei hatte die Bundespolizei bereits in der Grenzregion von Rheinland-Pfalz 21 Hooligans gestoppt, davon 18 einschlägig bekannte Hooligans aus Dresden, die auch Sturmhauben und Mundschutze im Auto hatten,  und 3 Hooligans aus Kaiserslautern. . Wie ein Sprecher am Sonntag in Trier sagte, wurde zunächst eine 18-köpfige Gruppe einschlägig bekannter Gewalttäter aus Dresden an der Ausreise gehindert. Unter den 50 randalierenden Hooligans sollen ihrer Schals und T-Shirts nach Hooligans aus Dresden und Leipzig gewesen sein (Frankfurter RundschauSpiegel Onlinemdr). 

 

  • Oliver Pocher versuchte, Aufmerksamkeit mit rassistischem Blackfacing zu erregen:


 

  • Noch ein paar Eindrücke, die User_innen in Sozialen Netzwerken sammelten, etwa das T-Shirt "Nach Frankreich fahr ich nur auf Ketten - EM 2016":

 

  • Jens Eckleben von der AfD Hamburg sieht derweil auf Twitter im EM-Sieg des kroatischen gegen das türkische Team "einen großen Sieg für das christliche Abendland"


 

  • Und eine Leserin der Frankfurter Rundschau weiß schon ganz genau, wer an den Hooligan-Krawallen in Frankreich schuld ist - aber die "Lügenpresse" schreibt es ja wieder nicht:

 

Haben sie auch einen sexistischen, rassistischen, abwertenden Ausfall gesehen? Wir dokumentieren gern, was Sie uns unter redaktion@netz-gegen-nazis.de schicken!

 

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