Nach dem antisemitischen Zwischenruf eines Zuschauers steht der FCK am Pranger, ein Tummelplatz für Neonazis zu sein. Zuvor sahen sich 1860 München und Alemannia Aachen mit diesem Vorwurf konfrontiert. Doch sind die Täter überhaupt Fans?
Von Andreas Bock, 11 Freunde
Kaiserslautern hat 100.000 Einwohner, die größte Dinosaurier-Ausstellung Europas, eine Technische Universität, einen abstiegsbedrohten Fußballklub und, nun ja, außerdem ein Neonazi-Problem. Diesen Eindruck vermittelt jedenfalls das Echo auf den Vorfall am vergangenen Sonntag, als der FCK-Spieler Itay Shechter, ein Israeli, von einem Zuschauer als »Drecksjude« beschimpft wurde. Die anwesende Polizei unternahm nichts, obwohl der Schreihals und seine Gruppe Stadionverbot haben. Sie wollte, so vermeldeten diverse Presseagenturen, deeskalierend auftreten. Die Sportbild schrieb von einem »Antisemitismus-Skandal«, die BZ von einem »Rassismus-Skandal«, der Schweizer Blick nannte den Vorfall einen »Nazi-Skandal«. Hat der Verein tatsächlich ein Nazi-Problem?
Fakt ist, dass in der Stadt 2009 und 2011 Konzerte von Rechtsrockbands wie Kategorie C stattfanden, veranstaltet von NPD-Kadern oder FCK-Hooligangruppen wie »Rotfront KL« oder »First Class«. Am 29. April 2011 organisierten rechtsextreme Bündnisse vor dem Bundesligaspiel 1. FC Kaiserslautern gegen den FC St. Pauli eine Kundgebung. Auf der Homepage der NPD hieß es dazu: »Geplant ist gerade hierbei, zahlreiche Fußballfans zum kritischen Denken zu bewegen.« Und ja, es gibt auch FCK-Fans, die in Shirts oder Pullovern der Marke »Thor Steinar« oder mit anderen Logos der rechten Szene durchs Stadion spazieren.* Tatsächlich sprechen auch Personen aus dem Vereinsumfeld hinter vorgehaltener Hand von einem Neonaziproblem beim 1. FC Kaiserslautern. Gerade in Kreisen der alten Hooliganszenen gebe es viele Rechtsextreme, die momentan wieder vermehrt jüngere Fans rekrutieren.
Gehören die beschuldigten Personen überhaupt zum Fußball?
»Diese Personen sind da, auch wenn sie nicht immer wahrnehmbar sind«, sagte FCK-Fanprojektleiter Erwin Ress zu 11FREUNDE. Doch weil sie sich am Sonntag lautstark zu Wort gemeldet haben, wird nun von allen Seiten auf Kaiserslautern gezeigt. So wie man zuletzt auf Alemannia Aachen oder den TSV 1860 München zeigte. So wie davor immer wieder auf etliche Vereine aus dem Osten Deutschlands. Doch gehören die beschuldigten Personen überhaupt zum Fußball? Zum Verein? Die Klub-Verantwortlichen des 1. FC Kaiserslautern haben sich in einer Stellungnahme umgehend von den Tätern und ihrem Weltbild distanziert. Das ist zunächst mal lobenswert.
Dennoch schwingt in den Aussagen auch eine gewisse Ohnmacht mit. Kaiserslauterns Vorstandsvorsitzender Stefan Kuntz sprach jedenfalls jüngst einen Satz im SWR-Fernsehen aus, der so schon etliche Male bei ähnlichen Vorfällen gefallen ist: »Das sind in unseren Augen keine Fans.« Allein, warum ist es nicht möglich, dass solche Leute – Gewalttäter, Neonazis, Hooligans – keine Fußballfans sind? Und inwiefern bringt diese Feststellung eine Lösung des Problems? Es führt allenfalls dazu, dass man es verschleppt. So werden Stadionverbote erteilt, wenn sie nicht schon bestehen. Es werden weitere Pressemitteilungen verschickt. Stellungnahmen verteilt. Plakate gedruckt. Danach: Alltag. Es gibt wichtigere Themen. Pyrotechnik zum Beispiel.
Eine Dämonisierung, die sich selbst wünschen
Es ist sicherlich falsch, nun mit dem Finger auf Kaiserslautern und den FCK zu zeigen. Kategorie C ist auch in etlichen anderen deutschen Städten aufgetreten. Testosteronjungs mit »Thor Steinar«-Shirts sieht man auch bei anderen Vereinen. Und rechte Parolen nimmt man, wenn man genau hinhört, gelegentlich auch in anderen Stadien wahr. Doch hat der FCK, so paradox es klingt, nun eine Chance. Nämlich diese Personen als Anhänger zu begreifen und die Probleme in der eigenen Kurve deutlich zu benennen. Mit der »Das sind keine Fans«-Argumentationslinie distanziert man sich zwar von diesen Leuten, indem man sie vermeintlich aus dem inneren (und friedlichen) Zirkel der großen Mehrheit isoliert, allerdings erfahren die Fans aus der rechten Szene so eine Dämonisierung, die sich selbst wünschen. Sie werden zu Outlaws, zu Anderen, zu denjenigen, die von den offiziellen Funktionären (also den Oberen) als Nicht-Fans gebrandmarkt werden. Und sie werden zu Personen, die angeblich die Kurven infiltrieren, um dort nichts weiter zu tun, als rechte Parolen und Propaganda zu verbeiten. Die also jedes Vakuum nutzen, das sich ihnen durch verschiedene Faktoren – etwa eine schlechte sportliche Situation – bietet.
»Durch Skandalisierung wirkt die Szene verrucht«
Der Journalist und Buchautor Ronny Blaschke (u.a. »Angriff von Rechtsaußen«) sagte kürzlich in einem Interview mit 11FREUNDE: »Durch Skandalisierung wirkt die Szene verrucht und geheimnisvoll. Das ist genau das, was sie sich wünschen.« Doch in Wahrheit sind diese Personen in vielen Fällen längst Teil der Kurve und kein Problem eines Nebenschauplatzes. Dieses Mal, so die lesenswerte Stellungnahme »Es reicht schon lange« des FCK-Fanklubs »Berliner Bagaasch« zum Shechter-Fall, ist es »keinesfalls (die) Lappalie eines Einzeltäters«.
Und so ist es häufig. Es sind jedenfalls nicht immer nur die isolierten und marginalisierten Neonazischläger, denen es eigentlich egal ist, welchen Verein sie anfeuern und die sich wie zufällig eine FCK-, HSV-, FCN- oder SVW-Mütze aufgesetzt haben. Selbst wenn diese Personen keine Fans sind, mit denen sich die Vereinsführung oder auch die große Mehrheit der Kurve identifizieren, selbst wenn sie die eigentliche Idee hinter einer bunten Kurve und den Begriff Fan ad absurdum führen, so mögen sie doch Leute sein, die an ihrem Klub hängen.
Das U-Bahn-Lied
Ein erster Schritt wäre es also, dieses Problem als eines zu begreifen, das nicht in einer Parallelwelt, sondern auch in Fankreisen besteht. Ein nächster wäre es, Ordner und andere Sicherheitskräfte schulen zu lassen, so dass Nazicodes im Stadion rechtzeitig entdeckt werden können oder aufmerksam auf noch in vielen Teilen der Kurven existente rechte Phänomene reagiert werden kann. Etwa auf Erscheinungen, von denen man eigentlich glaubte, sie wären lange schon in die unteren Ligen gedrückt worden oder gänzlich verschwunden. Das U-Bahn-Lied ist es jedenfalls nicht. Man kann es auch heute hie und da hören. Und schließlich besteht für alle Vereine weiterhin die Chance zu sagen: »Diese Leute sind Fans unseres Vereins – aber wir wollen sie nicht als Fans!« Vermutlich wirkt all dies sehr viel deeskalierender als Polizeibeamte und Ordner, die einfach nur dastehen und schweigen.
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*In einer vorherigen Version dieses Textes stand folgender Satz: »Denn laut Stadionordnung ist »Thor Steinar« am Betzenberg – im Gegensatz zum FC St. Pauli, Carl Zeiss Jena und Werder Bremen – nicht verboten.« Dass der Markenname »Thor Steinar« nicht in der FCK-Stadionordnung erwähnt wird, ist eine bewusste Entscheidung des Klubs. Der FCK möchte keine (Google-generierte) Werbung für Firmen machen, die rechtsextreme Produkte und Marken vertreiben. Unter Paragraph 7 »Verbote« heißt es allerdings:
Es ist insbesondere untersagt:
a) Menschenverachtende, gewaltverherrlichende, rassistische, fremdenfeindliche, rechts bzw. linksradikale, politisch extremistische, obszöne, anstößige oder provokative beleidigende Parolen zu äußern oder zu verbreiten, Anfeindungen jeglicher Art betreffend Menschen mit Behinderung, Frauen, Homosexuelle und Andersgläubige.
b) Grußformen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten und Symbole von verfassungswidrigen oder feindlichen Organisationen zu zeigen.
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Dieser Text erschien zuerst bei 11Freunde am 01.03.2011. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.