Flickr / Hanna Eliasson / CC BY-NC-ND 2.0

Rechtsextreme Hooligans: Professionalisierung der Gewalt im Kampfsport

Seit den 80er Jahren sind gewaltbereite, rechtsextreme Hooligans für Fußballvereine ein Problem. Immer wieder kam es in Stadien oder am Rande von Fußballspielen zu Gewaltausbrüchen. Heute begeistert sich diese Szene zunehmend für Mixed Martial Arts und Kampfsport-Events die sie zum Vernetzen und zur Verbreitung ihrer menschenfeindlichen Ideologie nutzen. Ein Interview mit Szenekenner und Autor Robert Claus über vegane Kampfsport-Nazis, die Professionalisierung der Gewalt und die internationale Vernetzung.     

 

Interview von Kira Ayyadi

 

Belltower.News: Ist die Beobachtung richtig, dass sich Hooligan-Gruppen immer weiter vom Fußball wegentwickeln?
Robert Claus: Nach wie vor sind gewaltbereite Hooligans auch in Stadien sichtbar, wenngleich sie nur einen kleinen Bruchteil der Besucher ausmachen. Allerdings sind zunehmend Gruppen zu beobachten, die sich vom Fußball wegentwickelt haben. Die tragen beispielsweise gar nicht mehr die Farben ihres Vereins sondern eher Wappen und Farben ihrer Stadt. Ein Beispiel ist die Gruppe “Northside” aus Dortmund, die zuweilen in roten Shirts auftreten und nicht mehr in den klassischen Farben des BVBs.

Inwieweit besteht dann denn noch ein Bezug zum Fußball?
Fußball ist in deren Geschichte verankert und ein Teil der Leute kommt aus einer gewaltbereiten Fan-Szene, die sich zu einer Hooligan-Truppe entwickelt hat. Historisch gesehen ist noch ein Fußball-Bezug da. Allerdings ist es bundesweit uneinheitlich: Mancherorts sind sie im Stadion noch sehr präsent. An anderen Orten verabreden sie sich vielmehr mit anderen Gruppen zu Ackermatches.

Was sind Ackermatches?
Der Begriff des Ackermatches beschreibt, dass sich zwei Hooligan-Gruppen konspirativ zu einer Art Gruppen-Kampfsport an einem abgelegenen Ort – einem Acker oder auf einer Feldwiese -  treffen.

Sind Hooligan-Gruppen per se rechts?
Nein, nicht unbedingt. Viele tendieren nach rechts, aber nicht alle. Es gibt auch Hooligans aus dem Umfeld von Babelsberg oder Werder Bremen, die sich eher links sehen. Diese Gruppen sind aber viel kleiner und werden deswegen kaum wahrgenommen.  Dennoch sind sie Teil der Szene. Der gemeinsame Nenner ist Gewalt und Kampfsport. In Deutschland gibt es keine legale Form des Gruppenkampfsportes. Das heißt, dass die Hooligans auf ihren Ackermatches eine illegalisierte Sportkultur ausüben, die selbstorganisiert stattfindet. Denn der Bundesgerichtshof hat Hooligangruppen 2015 zu kriminellen Vereinigungen erklärt, da ihr Ziel in der organisierten Ausübung gemeinschaftlicher Körperverletzung bestünde.

Hooligans treffen sich aber nicht nur zu geheimen Ackermatches, sondern auch zu offiziellen Kampfsport-Events, richtig?
Ja, allerdings. Kampfsport hat sich in den letzten Jahren deutlich professionalisiert, das geht einher mit einem gesamtgesellschaftlichen Fitnessboom. Dabei ist die Kampfsport-Szene in Deutschland recht unübersichtlich. Wenn wir über Rechtsextremismus sprechen, würde ich in dieser Landschaft zwischen drei Haltungen unterscheiden. Erstens, gibt es Veranstalter, die ich eher im popkulturellen Feld einordnen würde. Die haben keine Lust auf rechte Hooligans und Islamisten. Zweitens gibt es eine Grauzone und drittens gibt es ganz klare rechte Veranstaltungen.

Islamisten im Kampfsport? Woran erkennt man die?
Jeder Kämpfer kommt ja mit einer Einlaufmusik in den Ring. Die meisten haben Pop- oder Rockmusik, wenige laufen mit politischer Musik ein. Es gab auch schon Kämpfer die zu „Landser“ eingelaufen sind oder zu Dschihad-verherrlichender Musik.

Was zeichnet diese Grauzonen-Veranstaltungen aus?
Die Veranstalter kommen meist aus gewaltaffinen Milieus oder Jugendbanden. Zwar sind sie selbst keine Nazis, jedoch haben sie viel zu wenige Berührungsängste mit der rechten Szene. Hier stehen dann rechte Hooligans immer mal wieder im Ring bzw. Käfig.

Und welche Veranstaltungen ordnest du dem klar rechten Milieu zu?
Es gibt Eventveranstalter, die selber klar aus der rechten Hooligan-Szene stammen. Da fällt besonders die „Imperium Fighting Championship“ aus Leipzig ein.Der Gründer war jahrelang führendes Mitglied bei der bundesweit berühmt-berüchtigten Hooligan-Truppe „Scenario Lok“, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurde. Sie hat sich 2014 offiziell aufgelöst. Doch die Netzwerke funktionieren ja weiterhin. Auch „Kampf der Nibelungen“ (KdN) fällt in diese Kategorie, doch er ist eine Sonderform, da er noch geheim beworben wird. Der „Kampf der Nibelungen“ wird von Dortmunder Neonazis und  „Hammerskins“ organisiert und ist ganz klar rechtsextrem positioniert. Diese jährliche Veranstaltung hat sich zu einem Szenekult-Event gemausert, mit dieses Jahr rund 600 Besuchern.

Wie hat „Kampf der Nibelungen“ es geschafft, solche Strahlkraft zu entwickeln?
Ich glaube da spielen verschiedene Dinge eine Rolle. Zum einen gibt es generell ein gesteigertes Interesse an Kampfsport, zweitens hat sich diese Veranstaltung selber professionalisiert und drittens ist auch die internationale Vernetzung gewachsen. So sind beim letzten Kampf im Oktober Gäste aus ganz Europa angereist. Gut möglich, dass der KdN in den kommenden Jahren offiziell werden will, zumal man sich die Rechte an der Marke diesen Sommer hat sichern lassen. Angesichts der ganzen Verbote oder zumindest staatlicher Einschnitte in die Neonazi-Szene, bekommen solche Szene-Events einen größeren Stellenwert. Das sehen wir ja auch an den Neonazi-Konzerten in Themar, mit zum Teil 6.000 rechtsextremen Besuchern.

In Themar trat ja auch „White Rex“-Chef Denis Nikitin aus Moskau als Redner auf.
Ja, „Kampf der Nibelungen“ und die Konzerte in Themar haben da eine große Gemeinsamkeit. Und Nikitin ist eine zentrale Schlüsselfigur der extrem rechten Hooliganszene in Europa, international bestens vernetzt. Nicht nur er nutzt solche szenekulturellen Events für sein Business. Dort kommen Neonazis bei ihren Hobbys, Kampfsport oder Musik, mit ideologisch Gleichgesinnten zusammen und schaffen sich so eine völkische Erlebniswelt.

Wahlaufruf für die AfD auf der Facebookseite von "Imperium Fighting Championship". (Screenshot)

 

In Ihrem Buch schreiben Sie, dass sich beim KdN wegen der russischen Gäste vegane Speisen etabliert haben. Sind das dann vegane Kampfsport-Neonazis?
Kann man so sagen. Die Russen haben die Straight Edge-Lebenswelt in die Veranstaltung gebracht. Dazu vielleicht ein kurzer Schwenk in die russische Hooligan-Szene: Die ist sehr professionell aufgestellt und ausschließlich rechts bis rechtsextrem. Die „Kampfsportisierung“ hat hier eher begonnen als in Deutschland. Nikitin hat mit seinem Label „White Rex“ seit 2008 Kampfsport-Serien aufgebaut, mit dem er ein faschistisches Reinheitsideal von Körpern vertritt. Diese Straight Edge-Lebensweise etabliert sich auch in Deutschland immer mehr. Aus dem Dunstkreis vom „Kampf der Nibelungen“ ist in diesem Jahr beispielsweise die Straight-Edge Untermarke „Wardon“ entstanden, das Straight Edge-Label der Nazis im Kampfsport-Bereich. Auch diese Entwicklung zeugt von einer Professionalisierung von Kampfsportlern mit völkischer Ideologie, die selbst in die Ernährung hinein reicht.

Ihr aktuelles Buch trägt den Titel  “Hooligans - Eine Welt zwischen Fußball, Gewalt und Politik”. Was haben rechtsextreme Hooligans mit Politik zu tun?
Das lässt sich gut an einem Beispiel zeigen: „Imperium“ hat einige Wochen vor der Bundestagswahl mehrere AfD-Wahlaufrufe auf ihren Kanälen gepostet. An solchen Aktionen sieht man, dass rechte Hooligans ideologisch der AfD nahestehen.  

Wie schätzt du die Gefahr ein, die von dieser Szene ausgeht?
Die Gefahr ist enorm groß. Wir wissen ja, dass die Leute, die auf solche Events gehen, nicht nur dort ihre Gewalt ausüben. Viele sind auch in kameradschaftlichen Strukturen organisiert und überfallen politische Gegner. Somit professionalisiert sich die Gewalt generell. Ein bekanntes Beispiel ist der Überfall im Leipziger Stadtteil Connewitz im Januar 2016 zum einjährigen von Legida. Rund 250 Neonazis zogen damals durch den Stadtteil und randalierten. In dieser durchmischten Neonazi-Truppe waren Beobachtern zu Folge und laut der "LIZ" auch mehrere Kämpfer von „Imperium“ aus Leipzig dabei, unter anderem Timo Feucht, der in diesem Jahr einen Titelkampf in Brasilien hatte. Das ist ein Beispiel dafür, dass die professionalisierte Gewalt nicht mehr nur im Ring stattfindet, sondern auch als politische Gewalt auf die Straße getragen wird.

Robert Claus, "Hooligans - Eine Welt zwischen Fußball, Gewalt und Politik", Die Werkstatt; 192 Seiten; 14,90 Euro

Titelfoto oben: Flickr Hanna Eliasson / CC BY-NC-ND 2.0

drucken