Bunt: die Tribüne des Heinz-Steyer-Stadions beim 1. Turnier
Kick racism

Kick Racism: antirassistisches Fußballturnier in Erinnerung an Marwa el-Sherbini

Diesen Sommer veranstalten in Dresden engagierte Fans zum zweiten Mal ein antirassistisches Fußballturnier. Mit dem Sportfest soll an Marwa el-Sherbini erinnert werden. Die Ägypterin wurde am 1. Juli 2009 in einem Dresdner Gerichtssaal aus rassistischen Motiven ermordet.

Von André Anchuelo

Am ersten Juli vor dreieinhalb Jahren steht Alex W. vor einem Dresdner Berufungsgericht. Der eingebürgerte Deutsche aus Russland soll Marwa el-Sherbini auf einem Spielplatz als "Schlampe", "Islamistin" und "Terroristin" beschimpft haben. In erster Instanz sagt er während des Prozesses, Muslime seien ohnehin "nicht beleidigungsfähig". Die Staatsanwaltschaft legt daraufhin Berufung ein, um wegen eines "ausländerfeindlichen Hintergrunds" ein höheres Strafmaß zu erwirken. Doch auch Alex W. legt gegen das Urteil Berufung ein. An jenem Mittwoch läuft die Berufungsverhandlung.

Mord aus "Ausländerhass"

Es ist eine schreckliche Tat: Als die im dritten Monat schwangere Marwa el-Sherbini nach ihrer Zeugenaussage den Gerichtssaal verlassen will, sticht Alex.W. plötzlich mit einem Messer auf die 31-jährige Pharmazeutin ein. Mit 18 Messerstichen tötet der hasserfüllte Mann die junge Mutter. Ihr dreijähriger Sohn muss mitansehen, wie seine Mutter im Gericht verblutet. Der Täter wird vier Monate später zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt - wegen Mordes aus "Ausländerhass", wie das Gericht in seiner Urteilsbegründung sagt.

Erinnerung an die ErmordeteErinnerung an die Ermordete                                (Quelle: Ausländerrat Dresden)

Der Tathergang ist zugleich ein Beispiel für rassistische Wahrnehmungen: El-Sherbinis Ehemann will ihr zu Hilfe eilen, wird dabei selber durch drei Messerstiche lebensgefährlich verletzt – und durch einen gezielten Schuss auf sein Bein, den ein hinzukommender Polizist abgibt, weil er ihn für den Angreifer hält.

Rassismus gehört zur Tagesordnung

"Der Aufschrei war groß, die Beteuerungen, sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, auch. Leider ist das Gegenteil eingetreten: Marwa el-Sherbini ist in Vergessenheit geraten. Das angemahnte Engagement gegen Rassismus wurde in der Stadt allenfalls halbherzig verfolgt - selbst die Umbenennung einer Straße nach Marwa el-Sherbini scheiterte im Streit zwischen den Stadtratsfraktionen. Rassismus gehört in Dresden zur Tagesordnung, in der Straßenbahn, auf den Schulhöfen, in den Fußballstadien." Das schreibt die Initiative 'kick racism' auf ihrer Facebookseite.

Bestehend aus dem Fanrat des Dresdner SC, dem Ausländerrat Dresden und der Gruppe raddix, fand sich die Ini zusammen, um 2012 erstmals ein antirassistisches Fußballturnier im Gedenken an die Ermordete zu organisieren. Ein Zeichen gegen den alltäglichen Rassismus wollte man setzen: "Wir wollen nicht einfach so weitermachen. Wir wollen Marwa el-Sherbini nicht vergessen. Wir wollen auf Missstände aufmerksam machen. Täglich werden in Dresden Menschen diskriminiert, beleidigt, angegriffen und verfolgt. Auch in Dresden gibt es Orte und Zeiten, an denen sich MigrantInnen nicht allein auf der Straße bewegen können. Jedes Wochenende gehören rassistische, antisemitische, homophobe, sexistische, chauvinistische Hetzgesänge und Beleidigungen zum Repertoire der 'Fangesänge' und sind auch auf dem Platz keine Seltenheit."

Deshalb veranstaltete die Initiative vergangenen Sommer erstmals das Gedenkturnier. Es war ein voller Erfolg, erinnert sich ein Mitorganisator. Vor einem Jahr traten Amateur- und Freizeitfußballer aus diversen deutschen Städten in 24 Teams gegeneinander an. Auf Kleinfeldern, ohne Schiedsrichter. Trotzdem hat es funktioniert, der Spaß stand im Vordergrund. Im Rahmen einer Gedenkwoche gab es zudem eine Lesung mit dem Sportjournalisten Christoph Ruf. Außerdem wurde die Ausstellung "Strafraum Sachsen" gezeigt.

Turnier an traditionsreicher Stätte

Dieses Jahr soll das Turnier erneut stattfinden. Wieder im Heinz-Steyer-Stadion, der Heimstätte des Dresdner SC. Der Traditionsclub wurde 1943 und 1944 Deutscher Meister. Im heimischen Stadion verfolgten vor dem Krieg bis zu 60.000 Zuschauer die Spiele. Inzwischen liegt die offizielle Kapazität bei unter 5.000 und der DSC spielt nur noch in der siebtklassigen Bezirksliga.

Umso anerkennenswerter ist, was der DSC-Fanrat zusammen mit dem Ausländerrat und der Gruppe raddix für das Gedenken an Marwa el-Sherbini leistet. Die war von 1992 bis 1999 übrigens Spielerin der ägyptischen Handballnationalmannschaft. 1998 und 1999 wurde sie mit dem Team Dritte bei den arabischen Meisterschaften.

Interessierte Teams – letztes Jahr gab es unter anderem Mannschaften aus den Fanszenen des FC St. Pauli und von Tennis Borussia Berlin – können sich über die Facebookseite der Initiative oder den Ausländerrat informieren und anmelden. Aber sie sollten nicht zu lange warten: 2012 hätten über 40 Teams teilnehmen wollen, so dass aus Kapazitätsgründen vielen abgesagt werden musste. Noch muss allerdings der Turniertermin 6. Juli von der Stadt Dresden, die das Stadion verwaltet, bestätigt werden.

Mehr Informationen im Internet:

drucken