Neonazis auf Wählerfang: Die Regionalblätter der NPD

Noch ist die NPD nur in den Parlamenten von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen vertreten. Doch die Partei am rechten Rand will mehr - und geht beispielsweise in Thüringen mit neuen Regionalzeitungen in die Offensive.

Von Jan Schilling

Laut einer Studie der Universität Jena besitzt jeder dritte Thüringer ausländerfeindliche Einstellungen. Für die NPD ein fruchtbarer Boden, den die rechtsextreme Partei zunehmend mit Hilfe sogenannter Regionalzeitungen für die Verbreitung ihrer ideologischen und politischen Ziele nutzen will. So verbreitet die NPD in dem ostdeutschen Bundesland seit kurzem fünf neue derartige Blätter, die kostenlos an die Haushalte verteilt werden. Sie heißen "Südthüringen Stimme", "Der Nordthüringen Bote" oder "Ostthüringen Bote" und geben sich bewusst lokal: Die Aufmacher auf Seite eins lauten "Ist Erfurt pleite?", "Mehr Demokratie wagen" und "Schulen sind Zukunft". Die Schlagzeilen versprechen den Lesern auf den ersten Blick brisante Themen mit regionalem Bezug.

Rechte Ideologie in journalistischem Gewand

Wer genauer hinschaut, bemerkt schnell, wer hinter den unverfänglichen Überschriften steckt und welche Ziele damit verfolgt werden. "In den Artikeln wird vor allem die NPD-Ideologie transportiert. Da kommt immer eine Demokratiefeindlichkeit im Huckepack", sagt Stefan Heerdegen, Mitglied der "Mobilen Beratung in Thüringen für Demokratie - Gegen Rechtsextremismus" in Erfurt. So stelle sich die NPD als einzige Oppositionspartei dar. Wenn dort zum Beispiel von "Systemparteien" die Rede ist, wolle man suggerieren, dass alle anderen Parteien in einem Klüngel zusammenhängen. "Genau da wird eben deutlich, dass es eine NPD-Zeitung ist und keine wirkliche Zeitung im Sinne einer journalistischen Seriosität", so Heerdegen.

"Die Themen in den Artikeln werden mit der Parteiprogrammatik verbunden. So werden immer wieder auch rassistische Ideologien transportiert", erklärt der Leipziger Politikwissenschaftler Stefan Kausch vom "Forum für kritische Rechtsextremismusforschung". In einem Artikel zu den Finanzen der Kommunen heißt es zum Beispiel: "Anstatt sich dem Schutz von Identität, Souveränität und Solidarität der Deutschen zu verschreiben, betreibt das antideutsche Politikerkartell eine planvolle Interessenpolitik für Ausländer, das Ausland und das Großkapital."

Mit lokalen Blättchen neue Wählergruppen gewinnen

Vor allem vor Wahlen erhoffen sich die NPD-Funktionäre von ihren Veröffentlichungen besondere Wirkung. Herausgeber Patrick Wieschke macht aus seinen Absichten keinen Hehl. Die NPD Thüringen wolle mit den neuen Zeitungen ihre Basisarbeit verstärken und so den Einzug ins Landesparlament 2014 schaffen, sagt Wieschke. Bei der Landtagswahl 2009 war die Partei nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Man wolle nun nicht nur Politikverdrossene erreichen. Der NPD-Mann spricht von einem kontinuierlichen "Beackern" bestimmter Themen, Zielgruppen und Regionen, um "das Denken der Menschen nach und nach in unserem Sinne" zu beeinflussen.

Stefan Heerdegen von der Mobilen Beratung in Erfurt sieht hier auch die Politik in der Verantwortung: "Die NPD hätte es deutlich schwerer mit dieser Themensetzung, wenn die Themen auch von Demokraten aufgegriffen und mit vernünftigen Lösungen versehen würden."

Von Meinungsvielfalt keine Spur

Rechte Regionalzeitungen gibt es schon seit längerem, etwa in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch im westdeutschen Bundesland Rheinland-Pfalz. Die NPD-Blätter, die überwiegend nur alle drei Monate erscheinen, bestehen aus gerade einmal vier Seiten. Gestaltet werden sie von den NPD-Politikern selbst, die keine ausgebildeten Journalisten oder Grafiker sind. Für mehr fehle Geld und Personal, so Wieschke. Finanziert werden die Zeitungen überwiegend vom Landesverband der NPD. Daneben müssten aber auch die Kreisverbände einen Teil bezahlen. "Über Anzeigen sind die Zeitungen kaum zu finanzieren - die Unternehmer werden nicht gerne mit der NPD in Verbindung gebracht."

Auch deswegen seien diese Zeitungen nicht seriös, kritisiert Heerdegen. "Letztendlich muss man diese Zeitungen als NPD-Werbeblätter in Aufmachung einer Zeitung charakterisieren. Sie verkaufen komplett von vorne bis hinten NPD-Inhalte." Andere Meinungen kämen nicht zur Sprache und von Vielfalt könne keine Rede sein.

Dieser Artikel erschien zuerst am 31.07.2010 auf dw-world.org. Mit freundlicher Genehmigung.

Ergänzung vom Informationsdienst REX MV:

Ausgegangen ist die Welle der Regionalzeitungen von der Insel Usedom. Hier erscheint seit 2001 der "Inselbote" (geschätzte Auflage: 30.000-50.000 Exemplare), der als Vorbild für die inzwischen bundesweit verbreiteten Regionalzeitungen gilt.
Auf Usedom fährt man inzwischen zweigleisig. Berichtet der "Insel-Bote" seit einem halben Jahr hauptsächlich zu Themen mit überregionalen Charakter, werden regionale Themen und die Arbeit der jeweiligen NPD-Abgeordneten in Flugschriften unter dem Titel "Kurz & Knapp" gezielt in den jeweiligen Gemeinden verbreitet. Damit erreicht die NPD sowohl die sogenannten Eliten als auch die breite Bevölkerung, die kaum mehr andere Medien wahrnimmt.

Mehr im Internet:

| Rechte Regionalzeitungen: "Die NPD stößt in ein Vakuum"

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