Auf seiner Facebook-Seite präsentiert sich Apfel als stolzer Fußballfan. Wenig später erteilt ihm Eintracht Braunschweig ein Stadionverbot
Screenshot fussball-gegen-nazis.de

"Deutschlands politischer Führer jammert wie ein Demokrat"

Nachdem Bundesliga-Aufsteiger Eintracht Braunschweig dem NPD-Vorsitzenden Holger Apfel ein Stadionverbot erteilt hat, schimpft dieser in einer öffentlichen Stellungnahme herum, versucht sich als Opfer darzustellen und bei Fangruppierungen anzubiedern. Doch sonderlich viel Unterstützung bekommt er nicht. Im Gegenteil: teilweise erntet er offenen Hohn und Spott aus der rechtsextremen Szene.

Von Joachim Wolf

"Sport frei? – Nicht in dieser Antifa-Republik! " – unter diesem Titel  veröffentlichte Holger Apfel in der vergangenen Woche eine Stellungnahme zum Stadionverbot gegen ihn. Darin beklagt der NPD-Vorsitzende, Opfer einer "Kampagne linker Tugendwächter" und einer "Gesinnungszensur" geworden zu sein. Und weiter heißt es in dem Text: "Ganz offensichtlich darf man in der heutigen Bundesrepublik linksradikaler Barrikadenbauer und Steinwerfer, ausländischer Sozialschmarotzer, Kinderschänder, Sexualstraftäter oder sonst was für ein Schwerstkrimineller sein, nur für Deutsche, die sich zu Volk und Heimat bekennen, denken sich linke <<Gutmenschen>> immer wieder neue Formen der gesellschaftlichen Ausgrenzung aus. Die Gesinnungsjagd nimmt immer groteskere Ausmaße an."

Anbiederungsversuche bei den organisierten Fußballfans

Dass sich Rechtsextremisten als unschuldige Opfer einer angeblichen "Gesinnungszensur" darzustellen versuchen, ist dabei Teil ihrer  Strategie. Ebenso, wie der Versuch, sich bei den Fußballfans und bei der organisierten Fanszene anzubiedern. Zuletzt hatte dies die Thüringer NPD versucht – und eine mehr als deutliche Abfuhr von den organisierten Fußballfans bekommen. Trotzdem stellt sich Apfel in seiner Stellungnahme auch als "echter und treuer Fußballfan" dar, wenn er schreibt: "Als gebürtiger Niedersachse fühle ich mich seit meiner Jugend dem Verein, seiner Tradition und meiner Heimatregion verbunden, in der ich über Jahrzehnte gelebt und gearbeitet habe. Als langjähriger Stadionbesucher war ich u.a. bei den erfolgreichen Zweitliga-Aufstiegen 2002, 2005 und 2011 sowie dem denkwürdigen Spiel um den Klassenerhalt im Jahr 2008 mit von der Partie." Auch dies gehört zu Apfels Opfer-Rhetorik: Der treue Fußballfan, der hinter seinem Verein steht und mit diesem Höhen und Tiefen durchlebt hat, bekommt aus einem vermeintlich nichtigen Grunde ein Stadionverbot. Damit versucht der NPD-Chef vermutlich auch, sich bei denjenigen Fangruppierungen anzubiedern, die sich schon seit längerer Zeit gegen Stadionverbote einsetzen. In Richtung dieser Fans zielt wohl auch die Kritik an der zunehmenden Kommerzialisierung des Fußballs und an den Einschränkungen bei Choreographien, die der NPD-Chef ohne wirklichen Zusammenhang zu seinem "Fall" in den Text mit einfließen lässt. Beide Punkte stehen schon lange auf der Agenda vieler Ultras, die allerdings zumeist ein eher linkes Selbstverständnis haben. Doch das ist Holger Apfel offenbar egal. 

Solidarisierung mit rechten Fans

Weniger überraschend ist dagegen, dass sich der NPD-Vorsitzende in seiner Stellungnahme auch mit rechten Fans in der Braunschweiger Kurve solidarisiert: "Ob der Verein mit seinem Kotau vor dem Zeitgeist und dem Versuch, künftig wohl mit Steckbriefen ausgerüstete Ordnern auf die Suche nach NPD-Politikern gehen zu lassen, allerdings das <<Problem>> mit den vielen aufrechten Nationalen in seinen Fanreihen wirksam bekämpfen wird, ist fraglich." Diese Zeilen sind besonders brisant – war Eintracht Braunschweig doch in letzter Zeit mehrfach wegen rechtsextremer Fans und Hooligans in die Schlagzeilen geraten. Ähnlich kämpferisch gibt sich Holger Apfel auch gegen Ende seines Beitrags: "Natürlich werde ich die politisch motivierte Entscheidung der Vereinsführung nach Vorlage des konkreten Beschlusses juristisch genau prüfen lassen und ggf. Rechtsmittel einlegen". Seine Begründung: Er wolle "ein klares Zeichen (…) setzen, daß wir den Gesinnungsextremismus der Gegenwart nicht einfach hinnehmen und tatenlos zusehen, bis irgendwann eine Kennzeichnungspflicht für volkstreue Deutsche besteht, um sie jederzeit und jederorts gesellschaftlich zu ächten und zu kriminalisieren!"

"Das hatten wir früher bei Juden und bei Kommunisten"

Doch obwohl der NPDler in seinem Schreiben alle Register zieht, erfährt Holger Apfel nur wenig Solidarität in der Szene. Zwar gibt es im Internet ein paar aufmunternde Kommentare, die dabei auch nicht vor NS-Duktus zurückschrecken: "Herr Apfel nicht unter kriegen lassen hoffentlich wird Deutschland bald Erwachen!!"*, schreibt beispielsweise eine Nutzerin auf der Facebook-Seite des NPD-Vorsitzenden. Auch versuchen einige mit Kommentaren wie "hurra die Stasi ist wieder da!!!! " und "hier wird einem der Zugang verboten, weil er eine andere politische Meinung besitzt! Das hatten wir früher bei Juden und bei Kommunisten" ebenfalls an die rechtsextreme Opfer-Rhetorik anzuknüpfen - und bemühen dabei mehr als fragwürdige historische Vergleiche. Ein rechtsextremer User verbindet die Solidarisierung mit Holger Apfel mit seiner Hetze gegen Grundgesetz und Demokratie: "mit dem Grundgesetz, welches unter alliierter Besatzung geschrieben und von den Besatzern abgesegnet wurde, kann man sich höchstens den Arsch abwischen. Denn das ganze bla bla bla wie <<alle Menschen sind gleich>> oder <<niemand darf wegen seiner politischen Anschauungen bevor oder benachteiligt werden>> sind nichts weiter als leere Phrasen." Und auch offenen Antisemitismus findet man in den Kommentarspalten der rechtsextremen Website altermedia: "Wetten, daß bald die Deutsche Jägerschaft und die Schützenvereine polittisch korrekt eingejudet werden!"   

"Sollen wir jetzt Mitleid haben, dass Apfel nicht an der Multikultispassbundesliga teilhaben darf?"

Neben diesen Solidaritätsbekundungen erntet Holger Apfel aber auch einigen offenen Hohn und Spott für seine Stellungnahme. So schreibt ein Rechtsextremist auf altermedia: "Wenn man von der <<Antifa-Republik>> so umfangreich alimentiert wird, sollten solche <<Schicksalschläge>> doch leicht zu verkraften sein. Früher hat man sich selbst ein Stadion gebaut, da konnte man nicht rausgeworfen werden. Da war Platz für einen Parteitag (…)Tuntentruppe NPD. Versagerpartei." Und ein anderer Nutzer kommentiert  auf der gleichen Website: "Wer auch nur einen Pfennig zu einem <<Verein>> in diesem <<Sport>> trägt, ist ein Idiot. Keine Kohle für Karten, keine Kohle für <<Fan>>-Artikel, keine Kohle für <<Premiere>>." Damit greift der User zwar die Kritik Apfels und einiger Fangruppierungen an der Kommerzialisierung des Fußballs auf- doch unterstützen möchte dieser User den NPD-Vorsitzenden ganz offenbar dann doch nicht. Ein weiterer Nutzer der rechtsextremen Plattform verbindet diese Kritik an der Kommerzialisierung des Fußballs dann ganz offen mit seiner antidemokratischen und rassistischen Ideologie: "Natürlich muß man diese Heuchelei von Demokratie der brD unter die Nase reiben. Faktisch aber darf kein nationalist auch nur einen Cent für diese Multikultitruppen ausgeben." Reichsbürger  formuliert seine Kritik schließlich noch drastischer: "Aufwachen,Holger Apfel,aufwachen !!!! Merkt der das erst jetzt? Oh man oh man. Sollen wir jetzt Mitleid haben, das Apfel nicht an der Multikultispassbundesliga teilhaben darf? Dieser Kackfußball fördert doch die Überausländerung und bekämpft Nationalisten. Deutschlands politischer Führer jammert wie ein Demokrat." Damit tritt die menschen- und demokratieverachtende Gesinnung der Neonazis ganz offen zutage. Und: Die Kommentare deuten auch an, wie wenig Rückhalt Holger Apfel und die NPD in der rechtsextremen Szene haben. Auch deshalb ist es wohl recht unwahrscheinlich, dass der NPD-Vorsitzende Unterstützung aus der rechten Fanszene erhält - und erst recht nicht von nicht-rechten Fans.

*Alle Fehler hier und in den folgenden Kommentaren im Original

 

 

 

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