Rechtsextreme Antragsarbeit in der „Reichshauptstadt“

Wie rechtsextreme Parteien arbeiten, lässt sich in der Kommunalpolitik besonders gut betrachten. Der Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. (VDK) beobachtet seit über zwei Jahren die NPD-Fraktionen in vier Bezirksverordnetenversammlungen. Hier zeigen sich Professionalisierung und Anbiederung, aber auch das demokratiefeindliche Gesicht der rechtsextremen Partei.

Von Till Kahnt

Die Ziele rechtsextremer Parteien bei der Teilnahme an Kommunal- oder Landtagswahlen sind stets die gleichen, wobei die Weiterverbreitung ihrer Ideologie und die „Gewöhnung“ an ihre Präsenz innerhalb der politischen Landschaft als Schwerpunkte auszumachen sind. Insbesondere die politische Spitze der NPD, zur Zeit die am stärksten einzuschätzende Partei des rechtsextremen Spektrums, hat wiederholt ihr rein instrumentelles Verhältnis zur demokratischen Struktur der Bundesrepublik deutlich gemacht. Ihr Ziel: die Demokratie ablösen und eine „völkische“ Gemeinschaft schaffen.

Die öffentliche Aufmerksamkeit liegt hauptsächlich auf den Ergebnissen der „großen“ Wahlen für den Bundestag oder die Landtagen. Jene sind es schließlich, an welchen sich die Stimmung großer Bevölkerungsteile ablesen lässt und die das Bild der Republik im Ausland maßgeblich mitprägen. Doch gerade der Blick in die Kommunen ist besonders interessant, weil hier innerhalb dieses kleinsten Nenners politischer Arbeit deutlich wird, wie ernsthaft rechtsextreme Parteien und Wählerbündnisse die Unterwanderung und Instrumentalisierung der demokratischen Strukturen inzwischen betreiben. Ausgehend von einem Gespräch mit dem Leiter des Projektes „Auseinandersetzungen mit Rechtsextremismus in kommunalen Gremien Berlins - Dokumentation und Analyse“, Mathias Wörsching, sowie Veröffentlichungen des Projekts sei die Arbeit der NPD in den Berliner Bezirken nachfolgend vorgestellt.

Die NPD in den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen

Seit den letzten Berliner Kommunalwahlen im September 2006 ist die NPD in vier Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) vertreten. Die Wichtigkeit, welche die Partei der kommunalen Arbeit in Berlin zumisst, lässt sich daran ablesen, dass der Bundesvorsitzende Udo Voigt sich hier vielfach engagierte. Er kandidierte als Spitzenkandidat der NPD bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, bei der die Partei allerdings an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Zusätzlich ließ er sich für einen Sitz in der Bezirksverordnetenversammlung von Treptow-Köpenick aufstellen ließ, wo er seiner Fraktion vorsteht. Allerdings muss bei dieser Entscheidung wohl auch der symbolischen Bedeutung Berlins als „Reichshauptstadt“ für die extreme Rechte Rechnung getragen werden.

Viel Arbeit dient der „Normalisierungsstrategie“

Basierend auf dem sogenannten „Drei-Säulen-Konzept“ der NPD strebt die Partei eine langfristige Umgestaltung der Gesellschaft zugunsten ihrer völkisch-nationalen Ideologie an. Dabei kommt dem „Kampf um die Parlamente“, insbesondere seit dem Einzug in den sächsischen Landtag, eine tragende Rolle zu. Zum einen garantieren ihre Mandatsträger der notorisch finanzknappen NPD eine dauerhafte und verlässliche Einnahmequelle, zum anderen gewähren die kommunalen Gremien eine Plattform für ihre politische Agitation. Vorrangiges Ziel der kommunalen Arbeit ist allerdings, rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten und neue Wähler zu gewinnen. Dazu gehört die „Normalisierungsstrategie“ – die NPD versucht, sich bürgernah und als Sprecherin des „kleinen Mannes“ zu profilieren. Sie bemüht sich um den Anschein, kontinuierlich und engagiert in den kommunalen Gremien zu arbeiten. Deshalb legt sie Wert auf eine starke Präsentation der Arbeit nach außen und versucht letztlich, sich als gut arbeitende, legitime und damit ergo ebenso wählbare Alternative darzustellen wie die etablierten Parteien des demokratischen Spektrums.

NPD in den BVVen: Professionalisierung erkennbar

Aber findet sich dieser Anspruch auch in der konkreten Arbeit der Fraktionen wieder? Der Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. (VDK) beobachtet und dokumentiert seit zweieinhalb Jahren, wie die NPD in den einzelnen Bezirksverordnetenversammlungen auftritt. Dabei lässt sich laut Mathias Wörsching eine zunehmende Professionalisierung zumindest innerhalb jener Gremien beobachten, wo die jeweiligen Vertreter das geistige Rüstzeug dafür mitbringen. Insbesondere in den Bezirksverordnetenversammlungen von Treptow-Köpenick und Lichtenberg lässt sich demzufolge ein Niveau der Arbeit einzelner NPD-Verordneter feststellen, welches davon zeugt, dass die NPD ernsthaft bereit scheint, den langen Weg durch die Kommunen zu gehen.

Ein Nebeneinander von scheinbarer Bürgernähe und Hetzparolen

Wie doppelgesichtig die Arbeit der NPD dabei konkret ist, lässt sich etwa anhand der Anträge der laut VDK „aktivsten“ Fraktion in der Lichtenberger BVV ablesen. Dort stehen unverfängliche Anträge zur illegalen Müllentsorgung in einer öffentlichen Grünfläche oder zu Wegweisern zum zwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls, die auf die Mitte der Gesellschaft zielen und Bürgernähe suggerieren sollen, neben deutlich ideologisch eingefärbten Anträgen. So fordert die NPD-Fraktion, Hinweisschilder für Kriegsgräber deutscher Gefallener vor Friedhöfen anzubringen, weil die deutschen Kriegstoten “versteckt und verschwiegen“ würden.

Einen noch deutlicheren Hinweis auf die Doppelstrategie aus Normalisierung und gezielter Provokation, welche die NPD-Verordneten verfolgen, erhält man insbesondere auch durch den Antrag „Lichtenberg für Ausländerrückführung“ vom 18.12.2008 erkennbar, der deutlich ihre rassistische Ideologie zeigt. Dort stellten sie einen „5-Punkte-Plan“ vor, welcher etwa „ersatzlose Streichung des einklagbaren Rechtes auf Asyl“ fordert oder Ausländern verbieten will, in Deutschland Grund und Boden zu erwerben. Das sind nicht nur klar fremdenfeindliche und rassistische Positionen, sondern darüber hinaus Forderungen, die die formalen Entscheidungskompetenzen eines kommunalen Gremiums bei weitem übersteigen. An diesen Beispielen wird deutlich, dass die NPD eben keine Demokratisierung ihrer eigenen parteipolitischen Strukturen anstrebt, sondern die demokratischen Strukturen nutzt, um Ideologie zu verbreiten und sie zu ihren eigenen Gunsten zu funktionalisieren.

Mit der Qualität der Anträge steigt die Gefahr

Trotz solcher Fälle wie der vollkommenen Missachtung von Entscheidungsspielräumen einzelner Gremien, ist aber insgesamt ein Zuwachs an Kompetenz der einzelnen Verordneten zu beobachten. Auch der Qualität der Anträge, welche durch die jeweilige Fraktion eingebracht werden, steigt. Dadurch könnte die „Normalisierungsstrategie“ der NPD trotz der sich in den manchen Anträgen wieder spiegelnden rechtsextremen Positionen zu greifen beginnen.

In Berlin hat die NPD keine Chance, als „normal“ zu gelten

Nach Ansicht der Experten verfehlt die NPD allerdings ihr Ziel, sich im öffentlichen Bewusstsein als „demokratisch“ und „wählbar“ zu präsentieren und damit potenzielle Neuwähler zu gewinnen. Den Grund dafür sieht Mathias Wörsching zum einen in der geringen medialen Aufmerksamkeit für die kommunalpolitische Arbeit. Zum anderen funktioniere der „demokratische Konsens“, also das vereinte Entgegenarbeiten aller demokratischen Fraktionen und Verordneter gegen die NPD, in Berlin erstaunlich gut.

Trotzdem nutzt es, in der BVV zu sein

Allerdings sei der Nutzen, welchen die Partei für sich selbst und ihre Gefolgsleute aus der kommunalen Präsenz ziehen kann, nicht zu unterschätzen. So verfügt sie durch die Bezirksverordnetenversammlungen über ein garantiertes Minimum an Aufmerksamkeit und eine stete Bühne zur öffentlichen Selbstdarstellung. Daneben stehen die für Mitglieder kommunaler Gremien deutlich verbesserten Möglichkeiten zur Anmietung und Nutzung von öffentlichen Räumen, die Professionalisierung ihrer Kader durch Praktika und Ähnlichem in den Fraktionen und der Informationsgewinn über politische Gegner, welcher innerhalb von Ausschüssen und durch kleine oder große Anfragen gewonnen wird. Diese infrastrukturellen wie auch finanziellen Vorteile sind es, welche den Nutzen der kommunalen Arbeit für die NPD begründen und auf denen sie aufbauen, wenn sie auch weiterhin versuchen dass demokratische System für ihre Zwecke zu missbrauchen.

Inwieweit die jüngsten Finanzskandale und die Querelen um die Neuwahlen des Parteivorsitzes die NPD dabei wirklich in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt haben und wie sich dies in den anstehenden Kommunal- und Landtagswahlen niederschlagen wird, bleibt abzuwarten. In Berlin macht sich der Führungsstreit zumindest insoweit bemerkbar, als dass es um die Fraktion um Udo Voigt in Treptow-Köpenick bedeutend ruhiger geworden ist.

Zum Thema

| Schwerpunkt: Neonazis im "Superwahljahr" 2009
Strategien von und gegen NPD und Co.

Zum Weiterlesen:

Berliner Erfahrungen. Zwei Jahre demokratischer Auseinandersetzungen mit Rechtsextremen in kommunalen Gremien. Herausgeber: Verein für demokratische Kultur in Berlin e.V. (VDK). Berlin im Dezember 2008.
| www.mbr-berlin.de (herunterladen unter Materialien)

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