So jung das Jahr 2018 ist, gab es bereits drei herausragende Fälle rassistischer Gewalt und Hetze in Cottbus, Wurzen und Dresden. AfD-Funktionär Jens Maier beschimpft Noah Becker und H&M lässt einen schwarzen Junge als "coolen Affen" posieren, während daneben ein weißer Junge der "Überlebensexperte" ist.
Gewalt +++ Rassismus und Rechtspopulismus +++ Studie zur Gewalt durch Geflüchtete +++ Rassismus und Prominente +++ Rassismus und H&M +++ Rassismus und Fußball +++ Weitere Themen +++ Gegenstrategien
Gewalt
Cottbus: Übergriff in Flüchtlingsunterkunft, 1.500 demonstrieren mit „Zukunft Heimat“
Die Stadt in Brandenburg ist schon länger als Agitationsfeld rechtsextremer Fußballfans, Neonazis und sich „besorgt“ gebender rassistischer Bürger_innen bekannt), die AfD erzielte hier ihr bestes Ergebnis in Brandenburg bei der Bundestagswahl 2017 (vgl. Belltower.News).
Was 2018 (bisher) dazukam:
- In der Silvesternacht stürmten Unbekannte eine Flüchtlingsunterkunft in Cottbus und verletzten mehrere Asylsuchende zum Teil schwer. Flüchtlinge berichten, das Sicherheitspersonal habe dies gesehen, aber nicht eingegriffen und nicht die Polizei gerufen. Zumindest der Chef der Sicherheitsfirma präsentiert sich als ausgemachter Flüchtlingsgegner (BTN, ND, Sputnik)
- Nach diesem Übergriff gibt es zwei Vorfälle mit Geflüchteten: zwei Jugendliche, die in einem Einkaufszentrum mit einem Cottbusser Ehepaar aneinandergeraten und dabei ein Messer ziehen und ein Streit zwischen zwei Gruppen von Jugendlichen, bei dem ein 16-jähriger aus Syrien ein Messer zieht und einen Jugendlichen an der Wange und am Bein verletzt. Danach spricht die Presse und die Politik von einer aufgeheizten Situation (Berliner Zeitung).
- Die Landespolitik beschließt, „zur Deeskalation“ keine Geflüchtete mehr in Cottbus unter zu bringen (Tagesspiegel). Damit gibt die Politik flüchtlingsfeindlichen Stimmungen nach, statt Haltung zu zeigen und Minderheiten zu beschützen.
- Erfolgreiche Deeskalation bewirkt das nicht. Den flüchtlingsfeindlichen „besorgten Bürgern“ aus Cottbus und Umgebung reicht das nicht. „Zukunft Heimat“, das brandenburgische Pendant zu „Pegida“, versammelt 1.500 Menschen unter rassistischen Parolen und Aufrufen, „den öffentlichen Raum zu verteidigen“, auf der Straße. Aus der Demonstration werden Journalist_innen angegriffen. (n-tv, Tagesspiegel, Belltower.News, Berliner Zeitung).
- Ein Feuerwehrmann grüßt über Lautsprecher die „Patrioten“ (PNN).
- Geflüchtete versuchen, für ein gutes Miteinander zu werben und aufzuzeigen, dass die meisten gern und friedlich in Cottbus leben (LR).
- Als Gegenstrategie setzt die Stadt auf mehr Polizei, aber immerhin auch auf mehr Sozialarbeiter (taz). Leider bedient der Bürgermeister weiterhin rechtspopulistische Ressentiments: Etwa, wenn er beklagt, dass rund 80 Prozent der Flüchtlingskinder bis sechs Jahre keine Kita besuchten und deshalb in der Schule wohl kein Deutsch könnten. Warum besuchen sie keine Kitas? Nicht etwa aus mangeldem Integrationswillen der Geflüchteten, sondern weil Cottbus keine Plätze hat. Das sagt er aber nicht (vgl. ZEIT).
Wurzen: Gewalteskalation offenbar andauerndes Nazi-Problem
Auch im sächsischen Wurzen kommt es zu einem Gewaltausbruch. Geflüchtete werden hier schon lange drangsaliert und rassistisch beschimpft. Frauen mit Kopftuch werden bespuckt, in Briefkästen von Geflüchteten wird Kot gesteckt. Rechte Jugendliche treffen sich etwa im Bahnhofspark, um „zu patrouillieren“ und Geflüchteten, die sich dort ebenfalls aufhalten, zu zeigen, dass sie nicht willkommen sind. Dort kommt es Mitte Januar zu einem Streit, nach dem fünf Menschen verletzt sind, zwei 16 und 21 Jahre alte Deutschen und drei der Geflüchteten. Die deutschen Jugendlichen pöbeln die Geflüchteten an, die sich daraufhin in das Haus zurückziehen, wo sie wohnen. Die Deutschen folgen ihnen, schlagen gegen die Haustür und werfen eine Fensterscheibe ein. Die Geflüchteten nahmen Messer und Knüppel und verteidigten sich. Sie geben an, dass die deutschen Täter bewaffnet waren. Die Geflüchteten folgen den zwei Angreifern, die wiederum zu einer Gruppe von 30 Menschen stoßen. Aus dieser Gruppe stürmen einige später wieder in das Wohnhaus der Geflüchteten und attackieren diese erneut. Ingo Stange vom Netzwerk für Demokratische Kultur (NDK) vermutet eine geplante Aktion: „Das ist nicht spontan passiert – das war eine geplante Aktion. Wir haben Hinweise darauf, dass sich an dem Freitagabend in Wurzen zahlreiche junge Leute gezielt getroffen haben – auch aus dem Umland.“ Dass die Auseinandersetzungen ausgerechnet im Bahnhofspark begannen, sei für ihn kein Zufall, so Stange: „Hier werden junge Flüchtlinge schon seit geraumer Zeit immer wieder angepöbelt. Man wirft Flaschen nach ihnen oder schlägt sie.“ (vgl. LVZ, WP).
An einer Demonstration gegen den Rassismus in Wurzen nehmen 250 Menschen teil. Neonazis bedrohen die Teilnehmende und Journalisten, auch mit Waffen (mdr, ND, T-Online).
Am letzten Januarwochenende wird der Wagen des Linken-Stadtrat Jens Kretzschmar in Wurzen zwei Mal angegriffen. Einmal wurde der Auspuff des Wagens mit Bauschaum gefüllt, wodurch das Auto fahruntüchtig wurde. Im zweiten Fall sollen Unbekannte die Radmuttern an seinem Fahrzeug gelockert haben. Die Linksfraktion geht davon aus, dass es sich um einen gezielten Anschlag auf ihren Politiker gehandelt hat. Kretzschmar engagiere sich seit Jahren gegen die örtliche Neonaziszene sowie in der Flüchtlingsarbeit im »Netzwerk Demokratische Kultur« (ND).
Hier beginnt das Jahr mit einem Übergriff von großer Brutalität: Aus einer Gruppe von Unbekannten wird ein großer Hund auf eine 19-jährige Geflüchtete aus Äthiopien gehetzt. Das Opfer versucht zu fliehen, stürzt dabei und wird vom Hund gebissen, bis die Halterin den Hund zurückruft (FAZ, BR). Zwei Wochen später wird die Hundehalterin und ein Begleiter ermittelt, aber sie bleiben auf freiem Fuß. Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung laufen. Der Hund ist im Tierheim (ND). Die Kriminologen Christian Pfeiffer, Dirk Baier und Sören Kliem haben im Auftrag des Bundesfamilienministeriums eine Studie erstellt und veröffentlicht: "Zur Entwicklung der Gewalt in Deutschland. Schwerpunkte: Jugendliche und Flüchtlinge als Täter und Opfer". Darin stellen sie einen Anstieg von Gewaltstraftaten am Beispiel von Niedersachsen fest, den sie in den Kontext von mangelnden Integrationsmöglichkeiten und Perspektivlosigkeit setzen und mit einer Warnung vor Verallgemeinerung versehen. Medial kommt aber vor allem die Botschaft „Mehr Gewalt durch Flüchtlinge“ an (vgl. BR). Die Vice schlüsselt die Studienergebnisse auf, um einen differenzierten Diskurs zu ermöglichen. H&M veröffentlicht Fotos einer Kinderkollektion, auf denen ein schwarzer Junge ein Shirt mit dem Aufdruck „Coolster Affe im Dschungel“ trägt, während weiße Jungen keine Tiervergleich auf den Shirts tragen, sondern z.B. „Dschungel-Überlebenskünstler“ sind. Daraufhin bricht weltweit eine Diskussion los, wie mit dem hier präsentierten Rassismus umgegangen werden solle. Auch in Deutschland werden zahllose Kommentare veröffentlicht mit dem Tenor, das könne ja gar kein Rassismus sein, gerade weil das vermutlich nicht „bewusst“ so ausgewählt wurde – als wäre das nicht eigentlich viel gravierender, weil es zeigt, wie tief solche rassistischen Bilder sitzen. Von Rassismus Betroffene erkennen das deutlich, etwa Fußballer Kevin-Prince Boateng: „Dass so ein Riesenkonzern wie H&M sowas rausgibt, auch wenn es nicht mit Absicht ist, ist einfach nur traurig. Da soll mir keiner anfangen, dass es nichts mit Rassismus zu tun hat“, sagte Boateng der „Hessenschau“. Er selbst sei aufgrund seiner Hautfarbe bereits als „Affe“ beschimpft worden. „Das ist einfach eine Frechheit“, sagte der gebürtige Berliner, der mittlerweile für Eintracht Frankfurt in der Bundesliga spielt: „ Es wird gesagt, dass schwarze Menschen wie Affen aussehen. Das ist Rassismus.“ (Welt, Kicker). HipHopper Megaloh sieht die ganze Shirt-Serie – auf der einen Seite der „Coolest Monkey“, auf der anderen der weiße „Jungle Survival Expert“ in der rassistischen Tradition des kolonialistischen Erbes: „Die beiden Bilder passen in ein jahrhundertelang propagiertes Bild: Auf der eine Seite die „weiße Rasse“, die sich durch ihre vermeintlich natürliche Überlegenheit zum Herrn über den Dschungel aufschwingt, auf der anderen Seite die „primitiven und wilden Schwarzen“, die nur mit Tieren, am ehesten mit Affen, verglichen werden.“ (rap.de). Sportler wie James LeBron und Musiker The Weekend protestieren. H&M zog Werbung und Pullover zurück und kündigte die Zusammenarbeit mit Antirassismus-Organisationen an (vgl. Deutschlandfunk, Welt, BILD). Der Protest läuft allerdings auch aus dem Ruder: In Südafrika werden H&M-Filialen demoliert. In Schweden muss die Mutter des schwarzen Jungen auf dem Foto umziehen, weil sie angefeindet wird, dass sie gegen das Bild nicht eingeschritten sei (Welt). | Menschenfeindlichkeit Januar 2018: Antisemitismus | Menschenfeindlichkeit Januar 2018: Internet, Social Media, Hate Speech | Menschenfeindlichkeit Januar 2018: Islamfeindlichkeit | Menschenfeindlichkeit Januar 2018: Homo- und Transfeindlichkeit, Sexismus, Gender | Menschenfeindlichkeit Januar 2018: Rassismus | Menschenfeindlichkeit Januar 2018: Rechtspopulismus | Menschenfeindlichkeit Januar 2018: Rechtsextremismus Dresden: Hund auf Geflüchtete gehetzt
Rassismus und Rechtspopulismus
Studie zur Gewalt durch Geflüchtete
Rassismus und Prominente
Rassismus und H&M
Rassismus und Fußball
Weitere Themen:
Gegenstrategien:
MEHR MENSCHENFEINDLICHKEIT AKTUELL, Januar 2018: