Hetzplakate füllen Urnen

In ländlichen Regionen der Uckermark (Brandenburg) gewann die NPD mit antipolnischen Parolen bis zu 34 Prozent. Ein Journalist des Tagesspiegel hat sich dort umgesehen.

Von Claus-Dieter Steyer

Wer die Orte mit den prozentual meisten Anhängern der rechtsextremistischen NPD besuchen will, muss sich in den äußerten Nordosten Brandenburgs begeben. In diesem dünn besiedelten Teil der Uckermark liegen die Dörfer Wollin, Bagemühl, Wolschow und Carmzow. Hier ähneln sich nicht nur die weite Landschaft und die auf Großstädter oft so faszinierend wirkende Einsamkeit, sondern auch die Ergebnisse zur Kreistagswahl Uckermark vor acht Tagen. Überall hier erhielt die NPD mehr als zehn Prozent der Stimmen.

In Wollin, direkt an der Autobahn Berlin-Stettin und 24 Kilometer vor der polnischen Grenze gelegen, entfielen 60 Stimmen und damit 34,3 Prozent auf die NPD. Bagemühl meldete 18 Prozent, Cramzow 10,6 und Wolschow 10,1 Prozent für die Rechten. In der nahen Stadt Brüssow entschieden sich immerhin noch 7,5 Prozent für die NPD. Im gesamten Kreis Uckermark kam die Partei auf 4,4 Prozent und zieht mit zwei Abgeordneten in den Kreistag ein.

„Der Wahlerfolg geht eindeutig auf die von der NPD geschürten antipolnischen Ressentiments zurück“, sagt der in der Region ansässige Journalist Peter Huth. „Der Schwerpunkt der Partei liegt zwar in der nahen, aber heute zu Mecklenburg-Vorpommern gehörenden Stadt Löcknitz, doch die Landesgrenze hat auf das Denken und Handeln der Menschen keinen starken Einfluss.“ Zu DDR-Zeiten war die Region durch den Bezirk Neubrandenburg ohnehin ein einheitliches Gebilde. Erst die Neubildung der Länder nach der Wende zog einen Strich durch die bis dahin einheitliche Landschaft.

Im vorpommerschen Löcknitz, wo die NPD bei der letzten Wahl ein Fünftel aller Stimmen erringen konnte, hängen immer wieder Plakate mit Parolen wie „Polen raus!“, „Grenzen dicht!“ oder „Der Pole stiehlt Deutschen die Arbeitsplätze!“. Ab und zu werden polnische Autos demoliert. Solche Aktionen gibt es zwar bei den Brandenburger Nachbarn nicht, aber hier gibt es genau wie in Löcknitz einen starken Zuwachs von polnischen Familien. „Im nahen Stettin kann sich wegen der hohen Grundstückspreise kaum eine Familie ein Einfamilienhaus leisten“, sagt die Immobilienmaklerin Monika Lenart. „In den deutschen Randregionen stehen dagegen viele Häuser leer, die ich gern den polnischen Interessenten vermittle.“

Nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg zogen im vergangenen Jahr 2 527 polnische Staatsbürger nach Brandenburg. 185 Polen, die meisten aus Stettin, wählten die Uckermark zur neuen Heimat. Doch nicht nur Häuser kaufen die neuen polnischen Eigentümer auf. Auch Gaststätten und Hotels, deren Renovierungskosten deutschen Interessenten zu hoch erschienen, werden an polnische Unternehmer vermittelt.

In Bagemühl gehört die einstige Dorfkneipe Marian Kazmierczak, der das Gebäude für 39 000 Euro kaufte und nun ein gehobenes Niveau, das sogar japanisches Essen einschließt, anbietet. Das Geschäft, das auch Einheimischen neue Jobs gebracht hat, brummt. Vielleicht, so heißt es heute im Dorf, hat der Erfolg viele Neider hervorgebracht, die nur deshalb der NPD ihre Stimme gaben.

Dieser Artikel erschien im gedruckten Tagesspiegel am 6.10.2008. Wir bedanken und für die freundliche Unterstützung.

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