Kaum zu glauben, dass die Stimmungsmache dieser Menschen wirkt - aber sie tut es mit fatalen Folgen: NPD-Anhänger protestiert in Berlin-Hellersdorf gegen das Flüchtlingsheim (2013).
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Gewalt und Stimmungsmache gegen Flüchtlinge und Zuwanderer*innen: Auf dem Weg in neue 1990er Jahre?

"Sozialtourismus“ wurde zum „Unwort des Jahres 2013“ gekürt – es ändert nichts daran, dass Rassismus gegenüber Geflüchteten und Zuwanderer*innen zunimmt und  im noch jungen Jahr 2014 die rassistische Stimmungsmache zunehmend auch in Gewalt umschlägt.

Von Simone Rafael

Das Jahr 2014 ist gerade einmal 31 Tage alt. Es sind 31 Tage voller rassistischer Ressentiments und Gewalt. Die rechtskonservative CSU hat den rassistischen Reigen am 02. Januar 2014 eröffnet, indem Sie mit dem Motto „Wer betrügt, der fliegt“ Stimmung gegen die Freizügigkeit für die Bürger*innen Rumäniens und Bulgariens machte, die sie damit kurzerhand insgesamt zu kriminellen „Sozialtourist*innen“ und „Armutszuwanderer*innen“ abstempelte – völlig ohne jeden Bezug zur Realität, da bisher weder eine erhöhte Zuwanderung aus diesen Gebieten erfolgte, noch die Zuwanderer*innen aus diesen Ländern sich in der Vergangenheit als besonders „problematisch“ erwiesen haben. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung  waren  zur Jahresmitte 2013 waren rund 60 Prozent der Bulgaren und Rumänen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland erwerbstätig. Die Arbeitslosenquote lag bei 7,4 Prozent und damit unter dem Bundesdurchschnitt. Die in Medien und Politik oft praktizierte Gleichsetzung der rumänischen und bulgarischen Zuwanderer*innen mit Sinti und Roma entbehrt ebenfalls jeder realen Grundlage und ist Ausdruck eines tief sitzenden Antiziganismus.

Vom Tourismus

Der am 15. Januar erschienene Migrationsbericht zeigt, dass ein Großteil der Zuwanderer nach Deutschland gut ausgebildet ist, Arbeit hat und mitnichten zuwandert, um das deutsche Sozialsystem zu behelligen. Doch anderslautende Vorurteile halten sich hartnäckig, da sie nicht nur von NPD, AfD und Co., sondern auch von Politiker*innen und Medien geschürt werden. Folgerichtig war die Wahl des „Sozialtourismus“ am 14. Januar zum „Unwort des Jahres 2013“, weil mit diesem Ausdruck Stimmung gemacht wird gegen unerwünschte Zuwander*innen, insbesondere aus Osteuropa. Das Grundwort "Tourismus" suggeriere in Verdrehung der offenkundigen Tatsachen eine dem Vergnügen und der Erholung dienende Reisetätigkeit. Das Bestimmungswort "Sozial" reduziere die damit gemeinte Zuwanderung auf das Ziel, vom deutschen Sozialsystem zu profitieren, begründete die Jury. Auch die „Armutszuwanderung“ erhielt eine Rüge – wird sie doch ebenfalls als diffamierende „Einwanderung in die Sozialsysteme“ verstanden, kommt aber als vermeintlich sachlich-neutraler Ausdruck daher.

Zu Angriffen gegen Flüchtlingsheime

Diese Debatte ist Teil einer rassistischen Grundstimmung auch gegenüber Flüchtlingen, die sich zunehmend nicht nur in Worten, sondern auch in Gewalt entlädt. Wie die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion mitteilte, hat sich die Zahl rechtsextrem motivierter Delikte, bei denen eine Asylunterkunft Tatort oder Angriffsziel war,  im vergangenen Jahr verdoppelt. Wurden im Jahr 2012 insgesamt 24 solcher Übergriffe registriert, waren es bis Ende November 2013 nach vorläufigen Angaben schon 43. Wenn 2014 allerdings so weitergeht wie in den ersten 31 Tagen, werden diese traurigen Zahlen schnell übertroffen werden.

  • 01.01.2014, Berlin: In der Silvesternacht hatten Unbekannte zwei Eingangstüren des Flüchtlingsheimes in Berlin-Hellersdorf von außen zerstört, indem sie Pyrotechnik mit Klebebändern an den Türen befestigten und dann anzündeten.
  •  04.01.2014, Heiligenhaus (NRW): Ein 1000-Liter-Müllbehälter am Flüchtlingsheim brennt.
  • 07.01.2014, München-Germering (Bayern): Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim.
  • 09.01.2014, Heiligenhaus (NRW): Drei Müllbehälter am Flüchtlingsheim brennen.
  • 11.01.2014, Wohratal (Hessen):  Vier 18- bzw.19-jährige Auszubildenden waren am frühen Sonntagmorgen in eine von rund 50 Menschen bewohnte Flüchtlingsunterkunft im Ortsteil Wohra eingebrochen, hatten die Jalousien demoliert und im Hausinneren mehrere Türen eingetreten. Verängstigte Bewohner des Hauses alarmierten gegen 4.35 Uhr die Polizei. 
  • 11.01.2014, Heiligenhaus (NRW): Am Samstag , den 11.01. musste gegen 23:20 Uhr erneut ein brennender 1000 Liter-Container am Flüchtlingsheim abgelöscht werden.
  • 13.01.2014, Heiligenhaus (NRW):  Am Flüchtlingsheim wird ein Sofa in Brand gesetzt. Im Heim haben die Täter*innen die Feuerlöscher ausgeleert und Brandmelder zerstört.
  • 15.01.2014, Hildesheim (Niedersachsen): Brutaler Raubüberfall auf Flüchtlingsfamilie, mutmaßlich durch Rechtsextreme
  • 16.01.2014, Heiligenhaus (NRW): Ein Müllbehälter am Flüchtlingsheim brennt.
  • 17.01.2014, Heiligenhaus (NRW): Ein Müllbehälter am Flüchtlingsheim brennt.
  • 19.01.2014: Heiligenhaus (NRW): Zwei Matratzen werden angezündet, diesmal innerhalb des Flüchtlingswohnheims – eine in den Sanitärräumen des 2. Obergeschosses und eine im Treppenraum des Erdgeschosses im Flüchtlingsheim wird angezündet. Ein Bewohner atmet viel Rauch ein.
  • 19.01.2014: Berlin: Nazi-Rapper Patrick Killat aka „Villain 051“ rappt antisemitische und rassistische Text vor dem Hellersdorfer Flüchtlingsheim für ein Video. Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes wurde dabei von den Rechtsextremisten rassistisch beleidigt.
  • 25.01.2014: Schneeberg, Borna, Chemnitz (Sachsen): Rassistische Demonstrationen gegen Flüchtlingsheime
  • 29.01.2014: Berlin-Hellersdorf: Ein Feuerwerkskörper wird durch ein offenes Fenster ins Flüchtlingsheim geworfen.

Bei all diesen Vorfällen ist bisher kein Mensch lebensgefährlich zu Schaden gekommen – allerdings sind diese Angriffe, die die Verletzung oder gar den Tod von Menschen in Kauf nehmen oder sogar wünschen,  eine enorme Belastung für die bereits traumatisierten Flüchtlinge in den  isolierten Heimen, die sich eh schon von der Bevölkerung bestaunt bis beschimpft finden. So berichten Flüchtlinge aus dem Flüchtlingsheim in Germershausen, dass tagtäglich Menschen an ihrem Zaun vorbeilaufen, die sie halblaut rassistisch beschimpfen.  Hier – und so ist es oft - gibt es auch nach dem Anschlag keinen Schutz für die verängstigten Menschen, die dort weiterleben müssen. In Heiligenhaus redet die Lokalpresse  weiterhin von „Vandalismus“. Die Polizei geht immerhin nach dem siebten Vorfall in Folge von Brandstiftung aus.

2014 gibt es 13 Kommunalwahlen und am 25. Mai auch die Europawahl. All diese Anlässe werden Rechtsaußen-Parteien und rechtsextreme Parteien nutzen, um kübelweise Rassismus, Antiziganismus, Globalisierungs-Horrorszenarien und antisemitische Verschwörungstheorien über die Straßen und die sozialen Netzwerke auszuschütten. Es ist Aufgabe der Zivilgesellschaft, dafür zu sorgen, rassistischen Ressentiments mit guten Argumenten – und tatkräftiger Hilfe - entgegen zu stehen.

Wir möchten im Jahr 2014 die Übergriffe auf Flüchtlingsheime und Flüchtlinge dokumentieren, von denen wir Kenntnis erhalten. Hinweise bitte an netz@amadeu-antonio-stiftung.de

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