In wenigen Minuten zerstörten etwa 250 rechte Hooligans im Leipziger Stadtteil zahlreiche Geschäfte, auch Passanten wurden angegriffen und eine Dachgeschosswohnung ging in Flammen auf. Seit der Pogromnacht 1938 gab es in Leipzig keinen derart massiven Angriff.
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Connewitz-Angriff: Hooligan-Prozess in Leipzig

Am 11. Januar 2016, am Rande des einjährigen Bestehens von Legida, randalierten über 200 Neonazis und rechte Hooligans durch den alternativen Leipziger Stadtteil Connewitz. Dort ist auch die Fanszene der BSG Chemie Leipzig beheimatet. Es sollte ein Fanal gegen die als links geltende Fanszene sowie die staatliche Migrationspolitik werden. Im August 2018 beginnen die ersten Prozesse.

 

Von Robert Claus, dieser Text ist zuerst  "Werkstatt-Blog" erschienen

Die Gruppe organisierte ihre Aktion geheim und bestens vorbereitet. Zahlreiche Fensterscheiben lokaler Geschäfte wurden eingeworfen, Autos angezündet. Ein Schaden von 112.000 Euro entstand. Der Polizei gelang es an jenem Abend, über 200 Tatverdächtige festzunehmen: neben einer Reihe an rechter Politprominenz aus Sachsen vor allem Hooligans aus fast allen Fanszenen der Region. Szenekundige Beamte ordneten sie wie folgt zu: Lok Leipzig (41), Hallescher FC (1), Dynamo Dresden (16), Rot-Weiß Erfurt (4), Carl-Zeiss Jena (2), Chemnitzer FC (1), RB Leipzig (1). 39 von ihnen waren auch in der umstrittenen Datei „Gewalttäter Sport“ verzeichnet. Somit befindet sich die Gruppe dieses Übergriffs in einer langen Tradition der Vernetzung zwischen Neonazis und rechten Hooligans in Sachsen. Sie reicht zurück bis zu den „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS) und den „Hooligans Nazis Rassisten“ (HooNaRa).

Das Verfahren wird ein Justizmarathon, weshalb immer Verhandlungen gegen zwei Angeklagte zugleich geführt werden. 73 derartige Prozesse sind am Amtsgericht Leipzig geplant, Verfahren gegen elf weitere Beschuldigte wurden bereits an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden abgegeben. Dort wird es auf den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung hinauslaufen. Am 16. August findet der erste Prozesstag gegen zwei Angeklagte in Leipzig statt. Sie kommen aus der Fanszene des 1. FC Lokomotive.

 

Mittendrin: Hooligans vom Imperium FC

Von dort wiederum stammt auch das Imperium Fighting Team (IFT). Das IFT betreibt ein Mixed-Martial-Arts-Gym in Leipzig. Mehrere Hooligans, die dort trainieren, befanden sich unter den Festgenommenen. Zudem veranstaltet das IFT die Imperium Fighting Championship – ein Mixed-Martial-Arts-Event. Die letzte fand im August 2016 vor rund 1.500 Zuschauer*innen im Leipziger Kohlrabizirkus statt. Knapp die Hälfte der Anwesenden stammte – deutlich an Kleidungsmarken und Tattoos erkennbar – aus dem sächsischen Rechtsextremismus sowie der lokalen Hooliganszene. Dort gewann auch Timo Feucht seinen Kampf gegen den Nürnberger Daniel Dörrer und stieg zur Nummer zwei im Halbschwergewicht der deutschen Rangliste in MMA auf. Ein Jahr später verlor er einen Titelkampf in Brasilien und musste einen für April 2018 in Halle angesetzten Kampf aufgrund einer mutmaßlich bei einem Ackermatch gegen Cottbusser Hools gebrochenen Hand wieder absagen. Auch Feucht wurde im Januar 2016 festgenommen.

Allein am Beispiel Feuchts wird ersichtlich, dass es sich bei rechten Hooligans nicht mehr um eine – wie früher – lose organisierte Jugendkultur handelt, sondern um eine international vernetzte, gut organisierte Kampfsportszene. Kaum ein Gym steht derart symbolisch für die Professionalisierung des rechten Hooliganismus in Deutschland wie Imperium. Der anstehende juristische Marathon ist somit auch eine Chance, die engen Verbindungen aus sächsischem Rechtsextremismus und professionellen Hooligan- sowie Kampfsportnetzwerken genauer zu beleuchten. Die sächsische Justiz kann nun beweisen, wie ernst sie dies nimmt.

 

Robert Claus, Jahrgang 1983, forscht, hält Vorträge und publiziert zu den Themen Fankulturen, Hooligans, Rechtsextremismus, Männlichkeiten, Soziale Bewegungen und Gewalt. Zuletzt erschien von ihm „Hooligans. Eine Welt zwischen Gewalt, Fußball und Politik“.

 

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