Auf ein Bier mit der NPD in Riesa

Treffen mit der NPD, in Form des eines Strehlaer NPD-Stadtrates und seiner Frau, Elternsprecherin und Schöffin. Ein persönlicher und erhellender Bericht der Begegnung mit extrem Rechten im Alltag.

Von Thomas Trappe

Treffen mit der NPD. Man kann das nicht ewig aufhalten, als schwerpunktmäßiger Chronist im mittleren Sachsen. Das Treffen ist in diesem Fall ein Strehlaer NPD-Stadtrat und seine Frau, die stellvertretende Elternsprecherin in der Grundschule ihrer zwei Kinder und Schöffin am Riesaer Amtsgericht ist und damit Objekt zur Beantwortung der Frage, wieweit die NPD es schafft, sich in der richtigen Gesellschaft festzubeißen und die altbewährte Ausgrenzungen zu durchbrechen, was dann später in ein umfangreiches noch zu druckendes Dossier münden soll.

Man ging in die „Linde“, es war der Freitagabend, ein Abend, den ich mir gerne oft vorstelle, auch anders verbringen zu können. Man behandelte die Frage, nach eingehendem Studiums des NPD-Programms des aktuellen Jahres meinerseits, warum die NPD die Fragen des 21. Jahrhunderts dadurch beantworten will, dass sie "die Herstellung deutschen Benzins aus deutschen Kohlen" fordert und ob man jetzt wirklich die Todesstrafe für Drogenhändler einführen will (steht da drin, steht da sehr doll drin sogar). Ja, will man, ja, muss man, so die Antworten, in dieser Reihenfolge. „Wenn Sie mal Kinder haben, werden sie es verstehen“, so die Frau.

Und wenn das Kind nun Drogenhändler wird, vielleicht sogar ein erfolgreicher?

Wenn man grad so schön plauscht, warum dann nicht gleich mal das Thema Holocaust-Leugnung, fragte ich mich und fragte, wie sie es mit dem Holocaust halten? Man wolle hier nicht über ungelegte Eier oder besser gesagt über Dinge, die da in der Vergangenheit passiert sein sollen, nicht so reden, man wisse ja, wie das wieder rüberkommt. Nein, bei Tisch wird da nicht geleugnet, auch wenn der Herr Systemjournalist, „nicht persönlich nehmen“, es sich so ausgedungen habe, man kenne das ja.

Die Frau ist Krankenschwester, wurde reichhaltig gegrüßt auf dem Weg zur Linde von allerlei anwesender Grüßmasse, auch aus den Smalltalks auf dem 200 Meter langen Weg über eine durchaus beleuchtete und gut einsichtige Hauptverkehrsstraße der 4.000-Einwohner-Stadt Strehla wurde nicht die Botschaft mitgenommen, man schäme sich der Bekanntschaft und scheue die Gesellschaft mit Frau NPD-Schöffin. Im Gegenteil, aber das sind ja auch nur Nachbarn, kann man mal zusammenfassen.

In der Linde, nach den schwer im Magen liegenden Themen Holocaust und "jüdische Lobby" (eine Kombination von Begriffen, die untergebracht in einem Gespräch wohl schon besondere Gesprächspartner indiziert), dann ein etwas unverfänglicheres Thema: Ausländer. Das Wahlprogramm ist da recht eindeutig, das Ehepaar ebenso. So ungemütlich wie irgendmöglich wolle man es ihnen machen, klar. Der arme Afrikaner, dem zuhause Tod auf Grundlage von Völkermord drohe, warf ich ein nicht zu gewagt klingendes Beispiel ein, solle der auch raus, zurück? Ja, sagte die Frau Schöffin-Elternsprecherin, der Mann relativierte dann doch etwas, das wirkte vielleicht zu sehr nach "Negerfresser", hier in der Linde im 4000-Seelen-Dorf Strehla. Man könne ja kurz warten mit dem Ausweisen, aber eigentlich nicht, mein besagter Afrikaner muss sich dann halt mal ein bisschen strecken, ist ja kein Ponyhof, dieses Deutschland.

Apropos Afrika, was macht die Schöffin denn mit dem Polen vor Gerichte, der die gleiche Straftat begangen hat wie der Deutsche gestern, fragte ich, schon ganz berauscht vom Hypothetischen und mit langsam stärker werdendem Kopfschmerz aufgrund gemimter Distanz zum Thema. Überraschend offen, sie würde ihn härter bestrafen, ja, so hart wie möglich. „Inländerfreundlich“ sei man da. Zum Ende hin, die Aufmerksamkeit ließ dann doch etwas nach, fragte ich noch nach Schwulen und Lesben in punkto Strafbarkeit im noch zu errichtenden NPD-Staate. Die Antwort, so ich mich erinnere, war wohl jene, dass es auch genügend schwule Nazis gebe. Ich persönlich wusste es ja nur vom Führer.

Wie geht es weiter, dear NPD-Paar? Grillfeste im Städtle wie in Westpommern solle es geben, kündigt man an, mehr Eltervertreter aus dem „nationalen Spektrum“, das sich im Falle der Eheleute gerne als „radikal“ bezeichnet wissen will, nicht aber als „extrem“. Das „klingt zu sehr nach Lack und Leder“, meinte der Herr NPD-Stadtrat. Oder nach Todesstrafe, dachte ich.

In Riesa will sich Jürgen Gansel derweil morgen im Stadtrat dafür aussprechen, dass das Offene Bücherregal, eine zu einer Klein-Bibliothek umfunktionierte Telefonzelle des Riesaer Kulturvereins Art, von städtischen Kontrolleuren be-patroulliert wird. Er habe den Verdacht, dass die von „Nationalen“ eingelegten Bücher von Linken (links im Sinne von nach 1957) auf den Boden geschmissen werden, so als Vandalismus, wie er es in der Presseerklärung ausdrückte, die er mir heute mit dem Verweis auf seine geplante Anfrage zuschickte. Herr Gansel tropfte also wieder mal aus den Mundwinkeln ob des Öffentlichkeitsmobilisierendem Themas, umgefallene Bücher. Linke Chaoten zerstören rechte Meinungsfreiheit! Bei Meinungsfreiheit wird ich fuchsig, ich recherchierte. Das Ergebnis ist folgende Meldung, die dann am Tage der Stadtratssitzung erscheint, (mit freundlich unterstellter Genehmigung hier gedruckt):

Die Häufung umgefallener Bücher in dem Offenen Bücherschrank auf dem Capitolvorplatz ist aufgeklärt. Es handelt sich nach Recherchen Dirk Haubolds – Leiter der für die zum Bücherregal umfunktionierten Telefonzelle zuständigen Kulturwerkstatt Art – um einen technischen Fehler. So wurde das Regalbrett auf der rechten Seite bei der Installation so ausgefräst, dass die Tür problemlos aufgeht. In dieser Ausfräsung allerdings hätten sich jetzt immer wieder Bücher verhakt, in der Folge seien reihenweise Bücher vom rechten Rand der Telefonzelle zu Boden gefallen. NPD-Stadtrat Jürgen Gansel, ebenfalls vom rechten Rand, sah in den Stürzen Vandalismus, was Anlass für Haubolds Recherchen wurde. Dirk Haubold will jetzt dafür sorgen, dass keine Bücher vom rechten Rand mehr zu Boden fallen. Er sucht deshalb einen Handwerker, der das Regalbrett ohne Entgelt reparieren würde. „Er sollte möglichst nicht zwei linke Hände haben“, so Haubold gegenüber der SZ. (tt)

Im Dienste der Meinungsfreiheit. Bitte, danke, nicht dafür!

Dieser Text erschien zuerst auf dem Blog "thomastrappe.wordpress.com". Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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