Während die Teams der beiden italienischen Hauptstadtvereine versuchen, Solidarität vorzuleben, schlägt der Hass zwischen den beiden römischen Fanlagern immer wieder auch in Antisemitismus um.
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"Aufkleber der Schande"

In den letzten Tagen sind in den Straßen der italienischen Hauptstadt verstärkt  Sticker aufgetaucht, die Anne Frank  im Trikot des AS Rom zeigen. Auch wenn Anhänger von Lazio hinter dem Vorfall vermutet werden, reiht er sich doch in eine lange Reihe von antisemitischen Beleidigungen zwischen den Fans der Roma und des Klose-Klubs ein.

Von Redaktion fussball-gegen-nazis.de

Die Fotomontage, die das von den Nazis ermordete jüdische Mädchen im Trikot des AS Rom zeigt, klebt  laut der Tageszeitung "La Repubblica" seit Anfang Dezember  vermehrt als Sticker an zahlreichen Mauern, Verkehrsampeln und Straßenschildern in der römischen Innenstadt, die meisten von ihnen im zentral gelegenen Bezirk  "Rione Monti ". "Unser Bezirk wird fast täglich mit Grafitti und Aufklebern versehen, aber niemals zuvor in dieser Masse", sagte ein Ladenbesitzer der "Repubblica". Und er berichtete weiter, dass viele Passanten und Touristen wie versteinert stehen bleiben würden, wenn sie die Sticker sehen.  Die Empörung bei Anwohnern und Ladenbesitzern im Zentrum der italienischen Hauptstadt war dementsprechend groß, und wohl auch deshalb wurden die Sticker zumeist schnell wieder entfernt.  Doch einige dieser "Aufkleber der Schande", wie "La Repubblica" sie nennt, finden sich immer noch im Zentrum der Stadt.

"Dieser Vorfall zeigt wieder einmal, wie nahe Sport und Rassismus beieinander liegen", kommentierte "La Repubblica". Dabei verweist die römische Zeitung auch auf die lange Liste von antisemitischen Vorfällen, die sowohl auf die Anhänger von Lazio Rom als auch auf die Fans der Roma zurückgehen. Am 26. Mai 2013 beispielsweise zeigten beim Finale der "Coppa Italia", das zwischen den beiden römischen Vereinen ausgetragen wurde, Lazio-Fans antisemitische Transparente, die sich gegen die Anhänger des AS Rom richteten. Im Vorfeld des Pokal-Derbys waren bereits Schriftzüge an den Mauern der italienischen Hauptstadt aufgetaucht, auf denen die Fans der Roma vermutlich von Lazio-Anhängern als "Juden" beschimpft wurden.  Nur einen Monat später "konterten" die  AS-Fans und sprühten Sprüche wie  "Anne Frank ist Lazio-Fan" und "Lazio-Fans – Zionisten" an die Mauern des Stadtteils Testaccio. Gut zwei Jahre zuvor, am 16.Oktober 2011 und damit am Jahrestag der Deportation vieler Tausender römischer  Juden, hatten Lazio-Fans  Sprechchöre angestimmt, in denen sie den AS Rom als "Juden-Club" beschimpften. 2006 hatten wiederum Roma-Fans nur zwei Tage nach dem internationalen Holocaust-Gedenktag beim Spiel gegen Livorno ein Transparent mit der Aufschrift: "Lazio – Livorno: Gleicher Anfangsbuchstabe, gleicher Ofen" hochgehalten.  Und auch zwei etwas weiter zurückliegende Vorfälle zeigen, dass der Hass zwischen den beiden römischen Fanlagern immer wieder in offenen Rassismus und Antisemitismus umschlägt: So zeigten Lazio-Fans im April 2001 während des Hauptstadt-Derbys ein Banner mit der Aufschrift  "N…-Mannschaft, Juden-Kurve".  Und am  29. November 1998 hing während der Partie Roma-Lazio in der Nordkurve, der Heimstätte der Lazio-Fans, ein Spruchband mit der Aufschrift:  "Auschwitz eure Heimat - die Öfen euer Zuhause".  Während "La Repubblica" aber die Frage, wer hinter dem aktuellen Vorfall stecken könnte, umgeht, berichtet die englischsprachige Website "The Local", dass Lazio-Fans hinter der Aktion vermutet werden.

Barbara Aiello, Italiens erste Rabbinerin, bezeichnete den aktuellen Vorfall gegenüber "The Local" als ein "Alarmsignal", denn er würde "Antisemitismus legitimieren und verstärken". In diesem Zusammenhang verweist sie auch darauf, dass in den letzten Jahren die Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden  in ganz Europa angestiegen sei. Aiello berichtet dem Portal auch von einem ähnlichen antisemitischen Vorfall aus dem Jahr 2005: "Das Bild ist das gleich wie vorher, es wurde aus dem Netz gezogen". Die Entwicklung, dass Antisemitismus offenbar auch durch das Internet schneller Verbreitung findet,  mache ihr und vielen anderen Jüdinnen und Juden Angst. 

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