Die Südtribüne der Amsterdam Arena, Heimat der Gruppe "F-Side", beim Spiel gegen den VfL Wolfsburg.
Redaktion FgN

Fußball in Amsterdam: "Super Juden", Hooligans und eine moderne Arena

Mitte Juni berichteten wir über die Fans von Ajax Amsterdam und ihren positiven Bezug auf jüdische Symbolik. Am vergangenen Freitag traf Ajax im Rahmen eines Testspiels auf den VfL Wolfsburg. Ein guter Anlass sich die Amsterdam Arena und die organisierte Fanszene von Ajax genauer anzuschauen.

Von Redaktion Fussball-gegen-Nazis.de

Am 13.07 wurde der FC Utrecht zu einer Geldstrafe von 10.000€ durch den niederländischen Verband verurteilt. Außerdem muss die Fankurve in Utrecht beim nächsten Heimspiel gegen Ajax geschlossen bleiben. Grund sind wiederholte antisemitische Gesänge der Utrechter Fans beim letzten Aufeinandertreffen mit Ajax Amsterdam. Leider sind antisemitische Vorfälle bei Spielen mit Ajax keine Seltenheit. Die jüdischen Einflüsse in der Geschichte des Vereins nutzen die Fans von Ajax identitätsstiftend und beziehen sich positiv darauf. So bezeichnen sich Teile der Ajax Fans als "SuperJuden" und provozieren damit antisemitische Fans anderer Vereine. Inzwischen ist es zur traurigen Normalität geworden, dass Ajax Amsterdam bei Ligaspielen antisemitisch angefeindet wird. Neben Gesängen wie "Hamas, Hamas Juden ins Gas" und dem Zeigen des Hitlergrußes, versuchen gegnerische Fans häufig mit Zischlauten Gaskammern zu imitieren und zeigen sich dadurch offen antisemitisch.

Neue Arena – Neue Fangruppen

1996 wurde nach drei Jahren Bauzeit mit der Amsterdam Arena die erste moderne Fußballarena Europas eröffnet. Separate Logen, ein Restaurant und ein verschließbares Dach fanden Einzug  in ein Fußballstadion. Noch heute gilt die Amsterdam Arena als Vorreiter für intensive Vermarktung und Kommerzialisierung des Stadionbesuchs. Fünf  Jahre nach Eröffnung der Arena waren viele junge Ajax Fans mit der Stimmung im Stadion unzufrieden und gründeten die "Ultras Vak 410". Der Name bezeichnet den Bereich im Stadion an dem sich die neue Gruppe zusammentraf um die Mannschaft nach Vorbild italienischer Ultragruppen zu unterstützen. Besonders war dabei, dass sie sich im Gegensatz zur bislang vorherrschenden Gruppe "F-Side" nicht im Süden, sondern auf der Nordseite des Stadions platzierten und somit eine untypische räumliche Trennung der aktiven Fans innerhalb des eigenen Stadions schafften.

Den positiven Bezug auf das Judentum und jüdische Symbolik der Gruppe "F-Side" übernahmen die Fans von "Vak 410". Obwohl sie selbst politische Symbole wie die israelische Fahne im Stadion präsentieren, schreibt Vak 410 auf der eigenen Internetseite: "Während Politik in vielen Ländern auf der Tribüne eine (wichtige) Rolle spielt, steht sie bei Vak 410 nicht auf der Tagesordnung." Mit der "South Crew" und "North Up Alliance" gründeten sich in den letzten Jahren zwei weitere große Fangruppen die sich im Gegensatz zu "Vak 410" aber eindeutig von Gewalt distanzieren und sich ausschließlich auf die Unterstützung der eigenen Mannschaft konzentrieren wollen. Damit gibt es in der Amsterdam Arena vier verschiedene Fangruppen, die alle in verschiedenen Bereichen des Stadions stehen.

Die Amsterdam Arena inklusive Rolltreppen zu den Eingängen war ab der Eröffnung 1996 die erste moderne Fußballarena in Europa. (Quelle: Flickr.com / CC / Ungry Young Man)

Wolfsburg zu Gast in Amsterdam

Zur Vorbereitung auf die neue Saison reiste der deutsche Vizemeister VfL Wolfsburg zum Testspiel nach Amsterdam. Anders als wie in Deutschland, wo Testspiele nur selten große Zuschauermengen ins Stadion locken, war die Amsterdam Arena mit 49.000 Zuschauern beinahe ausverkauft. Nur das Wegbleiben der Ultragruppen beider Vereine zeigte auf, dass es sich nicht um ein reguläres Pflichtspiel handelte. Lautstarke Unterstützung für das Team von Ajax gab es so nur in den ersten zehn Minuten als die Fans unter anderem den  Gesang "Ajax Juden, Super Juden, Hey Hey" anstimmten und wenn ein Tor fiel. Das Spiel wurde von Beginn an sehr intensiv geführt und es kam immer wieder zu kleineren Fouls auf beiden Seiten. Die Wolfsburger Mannschaft hielt sich in den ersten 20 Minuten stark zurück und ließ die Spieler von Ajax relativ frei im Mittelfeld agieren. So konnten sich die Amsterdamer immer wieder Chancen herausspielen, aber keine nutzen. Ab der 25. Spielminute war es ein Spiel auf Augenhöhe. Beide Teams drangen mehrmals in den gegnerischen Sechzehnmeterraum vor  und konnten sich so gute Torchancen erarbeiten. Ein Treffer gelang bis zur Halbzeit aber keinem der Teams.

Tore und Helden des Spiels

In der Halbzeit wechselten beide Mannschaften ordentlich durch. Auf der Wolfsburger Seite durfte nun auch der Publikumsliebling Kevin de Bruyne mitspielen, sehr zur Freude der mitgereisten Wolfsburger Fans, die ihren "Star" die komplette zweite Hälfte immer wieder mit "Oh Kevin de Bruyne"  Sprechchören feierten. In der 67. Minute zappelte der Ball dann zum ersten Mal im Netz. Davy Klaasen brachte die Ajax Fans mit einem Kopfball aus kurzer Distanz zum Jubeln. Nur eine Minute später erneuter Jubel. Diesmal aber bei den mitgereisten Wolfsburger*innen. Nach einem intensiven Dribbling versenkte Kevin de Bruyne einen Distanzschuss im unteren rechten Eck  und glich aus. Noch lauter als nach dem 1:0 für Ajax wurde es in der 75. Minute als John Heintinga zum ersten Mal seit 2008 wieder den Rasen der Amsterdam Arena betrat. Aus der eigenen Jugend kommend, spielte Heitinga von 2001 bis 2008 bei Ajax und wurde zum Publikumsliebling. Nachdem er unter anderem bei Atlético Madrid und beim FC Everton spielte, wechselte er diesen Sommer von Hertha BSC Berlin zurück nach Amsterdam. Das Spiel blieb bis zum Schlusspfiff spannend und beide Teams scheiterten mehrmals nur knapp vor dem Tor. Am Stand von 1:1 änderte sich aber nichts mehr.

Fans von Ajax Amsterdam singen "Ajax Juden, Super Juden, Hey Hey" (Quelle: Youtube)

Geschichte der F-Side Hooligans

Während  verschiedene Fangruppen heute in der Amsterdam Arena für Stimmung sorgen, waren dafür lange Zeit und auch noch im alten Stadion nur die Hooligans der Gruppe "F-Side" verantwortlich. Die 1976 gegründete Gruppe machte vor allen Dingen durch äußerste brutale Kämpfe gegen Hooligans von Feyernoord Rotterdam und ADO Den Haag in den 1980er und 1990er Jahren auf sich aufmerksam. Den Höhepunkt der Gewalt erreichten die niederländischen Hooligan Gruppen im März 1997, als bei einem gewalttätigen Aufeinandertreffen von Ajax und Feyernoord Fans ein Hooligan der "F-Side" getötet wurde. Die ohnehin schon intensive Feindschaft zwischen den Fans der beiden Clubs intensivierte sich durch den Vorfall noch weiter. In Folge dessen entschieden im Sommer 2009 die beiden Bürgermeister der Städte Amsterdam und Rotterdam in Zusammenarbeit mit dem niederländische Verband und der Polizei, dass bei Spielen zwischen Ajax und Feyernoord aus Sicherheitsgründen keine Gästefans mehr zugelassen werden. Auch die Spiele von Ajax gegen ADO Den Haag dürfen inzwischen nur noch von Zuschauer*innen der Heimmannschaft besucht werden.

Heterogene Fanszene in Amsterdam

Alles in Allem ist das Publikum von Ajax Amsterdam ziemlich bunt gemischt. Das Stadion und das Umfeld sind auf eine moderne Vermarktung und einen kinder- und familienfreundlichen Stadionbesuch ausgelegt. Dennoch verfügt Ajax über eine sehr große aktive Fanszene in der sich sowohl Hooligans als auch Ultras organisieren. Die Unterstützung der Mannschaft und die Nutzung jüdische Symbolik sind Bindeglieder zwischen den verschiedenen Fangruppen. Im Stadion stehen sie aber getrennt voneinander. Trotz der anhaltenden antisemitischen Beleidigungen  durch die Gegner*innen und der positiven Bezugnahme auf das Judentum und den Staat Israel, sieht sich ein Großteil der Amsterdamer Ultras und Hooligans als unpolitisch und vergibt damit eine große Chance sich klar und deutlich gegen Diskriminierung zu positionieren.

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