Ian Stenhouse/No Dice Magazine

Homophobie im Fußball: Zeit, dass sich was ändert

"Was will die schwule Sau?" "Schiri, du Schwuchtel!" "Ihr seid alle homosexuell …" Fast jeder, der hin und wieder ins Stadion geht, hat diese oder ähnliche Sprüche schon mal gehört oder sich selbst zu derartigen verbalen Entgleisungen hinreißen lassen.

Von Stefanie Barthold

Ob im vollbesetzten Stadion eines Bundesligaklubs oder in der Freizeitliga: Wo Emotionen im Spiel sind, vergreift sich der eine oder die andere schon mal im Ton. Alles nicht so schlimm? Nicht so gemeint? Ein ganz natürlicher Reflex, der zum Fußball dazugehört? "Natürlich bezeichne ich jemanden manchmal als schwule Sau, aber ich bin doch nicht homophob." Wie passt das zusammen?

Gar nicht. Nicht immer ist Homophobie – also eine mehr oder weniger bewusste Abneigung und Feindseligkeit gegenüber Homosexuellen – auf den ersten Blick erkennbar. Auch subtile Andeutungen über die vermutete sexuelle Orientierung eines Spielers, eine vermeintlich witzige Bildunterschrift in einem Sportmedium oder das vehemente Bestreiten von Homosexualität im Kontext des (Profi-)Fußballs sind Zeichen homophober Ansichten. Zwar steckt nicht hinter jedem homophoben Spruch wirkliche Intoleranz – oftmals handelt es sich schlicht um Unreflektiertheit und Unsicherheit –, doch wichtig ist zu erkennen: Dieses unreflektierte Verhalten richtet Schaden an.

Noch kein Outing

Im deutschen Männer-Profifußball hat sich bis heute kein aktiver Spieler geoutet. Nicht, weil es keine schwulen Spieler gäbe, sondern weil die Bedenken, mit dieser Information an die Öffentlichkeit zu gehen – an Verein, Fans, Sponsoren, Medien – und dadurch möglicherweise die eigene Karriere zu gefährden, offenbar zu groß sind. Prominentes Beispiel: Marcus Urban, ein ehemals sehr erfolgreicher Fußballer, ein Sportler mit großem Potenzial. Er brach seine aussichtsreiche Laufbahn ab und sprach erst danach öffentlich über seine Homosexualität, unter anderem in dem Buch Versteckspieler (2008). Heute arbeitet er als Diversity-Berater und macht sich für eine angstfreie Vielfalt stark – insbesondere im Umfeld der öffentlichkeitswirksamen Sportart Fußball.

Um das nach wie vor von Ängsten und Tabus geprägte Klima im Umfeld des Fußballs zu verbessern, ist jeder gefordert: Fans, Journalisten und Mannschaftskollegen ebenso wie (Jugend-)Trainer, Eltern, Vereins- und Verbandsfunktionäre. Wer sich bewusst macht, dass er andere Menschen verletzt, indem er das Wort "schwul" als Schimpfwort verwendet; wer seinen Nebenmann im Stadion couragiert darauf hinweist, dass seine vermeintlich lockeren Sprüche beleidigen und diskriminieren, genau wie es rassistische oder sexistische Äußerungen tun; wer offen und unaufgeregt über Homosexualität spricht, auch mit seinen Kindern, die in der D-Jugend kicken; wer Homosexualität nicht zum Tabu macht, sondern aktiv Aufklärungsarbeit leistet – der trägt dazu bei, dass Schwul- oder Lesbischsein im Fußball akzeptiert wird.

Ende des Versteckspiels

Auf diese Weise kann eine Atmosphäre entstehen, in der jeder die Freiheit hat, selbst zu entscheiden, ob er seine sexuelle Orientierung thematisieren möchte oder nicht. Das Versteckspiel hätte ein Ende, perspektivisch. Doch bis es so weit ist, muss miteinander gesprochen werden, auf dem Platz und drum herum. Anders als häufig behauptet, handelt es sich nämlich nicht um ein "politisches Thema, das im Stadion nichts verloren hat", sondern um einen wichtigen Aspekt des täglichen sozialen Miteinanders, der uns alle betrifft.

Im Übrigen ist selbstverständlich auch der Frauenfußball von Homophobie betroffen. Die Vorurteile, mit denen sich Fußballerinnen auseinandersetzen müssen, sind häufig andere als bei den Männern, doch die Unfreiheit ist vergleichbar. Auch im Frauenfußball erschweren homophobe und sexistische Klischees und Vorbehalte (etwa: Alle Fußballerinnen sind Lesben) den entspannten Umgang mit der eigenen sexuellen Orientierung.

Emotionaler und psychischer Druck

Was oft außer Acht gelassen wird: Dass schwule und lesbische Fußballer(innen) sich tagtäglich verstecken müssen, sich nicht offen mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin zeigen können und sich Anfeindungen ausgesetzt sehen, kann natürlich auch die sportliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Wer emotional und psychisch unter Druck steht, wird auf lange Sicht sein physisches Leistungspotenzial nicht ausschöpfen können.

Es ist längst an der Zeit, dass sich etwas ändert – an der gesamtgesellschaftlichen und politischen Akzeptanz von Homosexualität und ganz speziell an der Haltung im Umfeld des Fußballs. Denn der Vorzeige- und Volkssport Nummer eins hat in Sachen Toleranz und Aufklärung noch ganz besonderen Nachholbedarf.

Stefanie Barthold ist Bloggerin (Unrund.com) und Mitinitiatorin der Aktion Libero – Sportblogs gegen Homophobie im Fußball

Mehr auf fussball-gegen-nazis.de:

Mehr im Internet:

Buchtipps:

drucken