Es gibt – mal wieder – einen Rassismus-Skandal im deutschen Fußball. Diesmal geht es jedoch nicht um Beleidigungen durch Spieler oder Fans, sondern um Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden von Schalke 04, Clemens Tönnies. Der nutzt Rassismus, um den „Tag des Handwerks“ zu „unterhalten“.
Von Rinus Kempf
Clemens Tönnies war vergangene Woche in seiner Funktion als Inhaber des größten deutschen Schweineschlachtbetriebs, der „Tönnies Holding“, beim Tag des Handwerks in Paderborn. In seiner Festrede wandte er sich auch dem Thema Klimawandel zu. Er betonte, um diesen zu stoppen sollten, anstatt die Steuern erhöht, lieber Kraftwerke in Afrika finanziert werden. „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren.“ (vgl. Neue Westfälische) Davon abgesehen, dass diese Aussage für sich faktisch komplett widersinnig ist, zeigt sie ein offenbar rassistisches Menschenbild. Hier werden in verallgemeinernder und abwertender Absicht „die Afrikaner“ als minderentwickelt und triebgesteuert verunglimpft und entmenschlicht. Die Stereotypen, die Tönnies damit bedient sind uralt, das macht sie aber nicht weniger gefährlich. Hatte es beim Handwerkstag selber laut NW zunächst „Irritation – und dann doch Beifall“ gegeben, sah die Reaktion im Netz anders aus. Reaktionen auf Twitter So wurden auf Twitter die Äußerungen durch diverse Akteur*innen als rassistisch verurteilt und Konsequenzen gefordert. Darunter war auch Hans Sarpei. Der ehemalige Fußball-Profi und Ex-Schalker, hatte sich bereits häufiger zu gesellschaftlich relevanten Themen Stellung bezogen. Er verglich Tönnies‘ Äußerungen unter anderem mit der Kolonialzeit.
Zur selben Zeit hatte sich Tönnies selbst mit einem Statement im Umfang von vier Sätzen auf der Vereinshomepage zu Wort gemeldet und sich für seine Äußerungen entschuldigt. Er möchte sich „für meine Aussage beim Tag des Handwerks entschuldigen. Sie war falsch, unüberlegt und gedankenlos und entsprach in keiner Weise unserem Leitbild.“
Allein die Wortwahl und die Knappheit des Statements ließen viele Im Zweifel über die Ernsthaftigkeit seiner Aussage. Eine noch knappere Stellungnahme des Schalke-Vorstands einige Zeit später dürfte ebenfalls wenig geholfen haben: „Seine Aussage steht natürlich in deutlichem Widerspruch zu unserem Leitbild, daher war seine Entschuldigung richtig und wichtig. Der Vorstand des FC Schalke 04“.
Denn kurze Zeit später äußerte sich unter anderem die Schalker Fan-Initiative e.V., die sich seit Jahren im Stadion gegen Rassismus und andere Arten von Diskriminierung stark macht. Sie kritisierte Tönnies Äußerungen (auch die zum Klimawandel) scharf und forderte weitere Konsequenzen vom Verein.
Jetzt wurde klar, dass sich die Kritik nicht mit einem kurzen Statement erledigt haben würde. In den letzten Tagen hat das Thema weite Kreise in der Öffentlichkeit gezogen.
Ein weiterer verdienter Schalker, Gerald Asamoah, hat sich mittlerweile per Instagram geäußert: „Seine Äußerung hat mich sehr überrascht, geschockt und auch verletzt. Klar ist, dass es nicht in Ordnung ist und es sich nicht gehört. Er beleidigt mich und alle anderen Betroffenen. Das können wir nicht dulden.“
Auch über die Fußballszene hinaus gibt es mittlerweile Äußerungen, Stimmen nach Konsequenzen werden laut, die nicht nur Schalke 04, sondern den DFB auffordern etwas zu tun. Darunter sind Justizministerin Christine Lambrecht (SPD), der Vorsitzende der DFL und des BVB Reinhard Rauball, sowie der World Jewish Congress (vgl. Tagesschau, WAZ).
Bemerkenswert bei der Angelegenheit: Noch Ende Juni hatte der Schalker Finanzvorstand Peters auf der Mitgliederversammlung von Schalke 04 erklärt, Rassismus und Antisemitismus hätten auf Schalke keinen Platz: „Danach leben und danach handeln wir. Alle, die nicht für die königsblauen Werte einstehen, sind keine Schalker.“ (Statement hier).
Schalker Satzung gegen Rassismus
Dabei berufen sich er und andere Schalker*innen auf die gemeinsame Satzung, in der Schalke 04 sich als Vereinszweck gesetzt hat gegen Rassismus und andere Diskriminierungen vorzugehen. Dieser Satzung haben sich alle Vereinsmitglieder, Mitarbeiter*innen und Funktionär*innen verpflichtet. Daher werden auch die Rufe nach einer Entlassung von Tönnies lauter, unter anderem wurde von Vereinsmitgliedern eine Petition zu dessen Amtsenthebung gestartet.
Dass es überhaupt eine solchen Passus gegen Rassismus in der Vereinssatzung gibt, ist ein Fortschritt, der noch in den 1990er Jahren undenkbar schien. Damals beschritt die Fanszene des FC St. Pauli als erste diesen Weg, indem gemeinsam mit der damaligen Mannschaft ein offener Brief gegen Rassismus verfasst wurde. Dieser sollte später als Basis für die erste Stadionordnung in Deutschland gegen Rassismus und Diskriminierung dienen.
Engagement gegen Diskriminierung
Als Teil der gleichen Bewegung ist die Skandalisierung und öffentliche Empörung über Tönnies‘ Äußerungen einzuordnen. Es bleibt festzuhalten: Trotz aller Widrigkeiten ist Rassismus im deutschen Fußball nicht mehr salonfähig. Es gibt ihn weiterhin, aber rassistische Äußerungen bekommen immerhin meistenteils spürbaren Gegenwind. Das mag am Interesse gesteigerter Vermarktbarkeit seit der WM 2006 liegen, aber auch an der Graswurzel- und do-it-yourself-fokussierten Subkultur der Ultras, derer sich mittlerweile viele offen gegen Rassismus aussprechen (vgl. ZEIT). Der Kampf gegen andere Formen der Diskriminierung, wie Sexismus und Homofeindlichkeit ist in der Männlichkeitsdomäne Fußball noch nicht annähernd so weit, aber auch dieser wird von Fan-Initiativen kontinuierlich geführt.
Die Ultras Gelsenkirchen haben sich noch nicht zu der Thematik Tönnies geäußert. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die tonangebende Gruppe der Schalker Nordkurve sich verhalten wird. Obwohl sie bisher nicht als dezidiert politische Gruppe in Erscheinung getreten sind, eine vorherrschende Grundhaltung gegen Rassismus dürfte aber vorherrschen.
Wie sich der Fall weiter entwickelt werden die nächsten Tage zeigen. Ein Rücktritt von Tönnies würde zwar nicht das Problem des Rassismus lösen, aber er wäre ein starkes Zeichen an alle anderen, was akzeptabel ist und was nicht.