Wie steht die Zeitgeist-Bewegung zu Verschwörungstheorien und Antisemitismus?

Zu den Demonstrationen der Occupy-Bewegung kommen Menschen aus allen Lebenslagen. Immer wieder finden sich dort auch problematische Gäste: in den USA versucht sich Alex Jones als Ikone der neuen Bewegung zu etablieren, das Zeitgeist-Movement zeigt seine Fahnen in Frankfurt und auch die NPD verteilt Flyer. Ist das problematisch?

Von Johannes Baldauf

Occupy ist eine „neutrale Bewegung“, jeder kann und soll sich beteiligen, denn man will für die 99 Prozent stehen. Das ist Segen und Fluch zugleich. Ursprünglich ging es gegen die Macht der Banken und den Einfluss des übrigen einen Prozents auf diese. Doch finden sich dort auch Forderungen für mehr soziale Gerechtigkeit und Arbeitsplätze. Forderungen mit denen sich die meisten solidarisieren können.

Die weltweite Occupy-Bewegung für die eigenen Zwecke zu missbrauchen ist zugegebener Maßen auch nicht sonderlich schwer, laden die recht offenen Forderungen nach stärkerer Bankenregulierung und weniger sozialer Ungleichheit doch dazu ein, sie mit eigenem, konkreten Inhalt zu füllen. In den USA versucht das zum Beispiel Alex Jones und in Frankfurt die NPD. Sie veranschaulicht die Vereinnahmung in trauriger Weise und missbrauchte die Demonstration in Frankfurt für ihre Anti-Euro-Kampagne.. Aber die NPD ist nicht die einzige Gruppierung, die gerne ihr Fähnchen über dem 99-Prozent-Motto hissen möchte. So waren in Frankfurt nicht nur NPD-Aktivisten, sondern auch Vertreter des Zeitgeist-Movements (TZM) unterwegs.

Aber was ist die Zeitgeist-Bewegung eigentlich? Einige sagen, dass sie Spinner sind, Verschwörungstheoretiker. Andere warnen, dass sie dem Antisemitismus Vorschub leisten. Und schließlich gibt es jene, die sagen, dass TZM den ersten Schritt in eine bessere Welt darstellt.

Auf der Occupy-Demonstration in Frankfurt fanden sich Schilder mit Forderungen wie „Herz und Logik. Weil die Welt uns allen gehört“ (siehe Bild), jeweils versehen mit der Webadresse des Zeitgeist-Movements. Dort findet sich auch eine Rubrik mit häufig gestellten Fragen. Dort wird sogar auf zwei zentrale Fragen an TZM eingegangen:

„Seid ihr nicht ursprünglich Verschwörungstheoretiker?“

Antwort: „Die Zeitgeist Bewegung beschäftigt sich nicht mit Verschwörungstheorien und bezieht weder Positionen von Befürwortern noch Gegnern dieser…“ und: „Wir fordern kritisches Denken. Es ist uns wichtig, dass Menschen ihre Umwelt in einem funktionierenden Gedankengang zu verstehen lernen um dann relevante Erkenntnisse über die objektive Realität effektiv kommunizieren zu können.“
Kurz: kritisches Denken. Und Verschwörungstheorien spielen keine Rolle. Getreu dem Ansatz: Alles kommt auf den Prüfstand, alles wird hinterfragt. Denn es wird auch allem misstraut. Politik und „Mainstreammedien“ sowieso, aber auch der Wissenschaft.

„Alternative“ Meinungen stehen hoch im Kurs. In den entsprechenden Gruppen der sozialen Netzwerke ist das zu beobachten gewesen. Es beginnt bei 9/11 und den entsprechenden Theorien über die Möglichkeit der offiziellen Version des Terroranschlags. Oder man spricht über „Germanische Neue Medizin“ oder das Geldsystem. Bei letzterem Thema wird dann oft auf Filme des rechtsextremen Verschwörungstheoretikers Jan Udo Holey verwiesen.

So schließt sich der Kreis, weil es am Ende doch keine klare Absage an Verschwörungstheorien gibt und die Tür für „alternative“ Meinungen offen lässt. Denn mit „alternativ“ ist in diesen Fällen die Option auf menschenverachtende Inhalte gemeint. Die Rechnung ist dabei ganz einfach: die vorherrschende Politik, Meinung und das System haben uns an diesen kritischen Punkt gebracht. Sie müssen daher falsch sein. Im Umkehrschluss müssen alternative Meinungen richtig sein, ganz gleich ob sie durch rechtsextreme oder antisemitische Weltanschauungen motiviert sind oder nicht.

Struktureller Antisemitismus?

Die Frage nach dem Vorwurf des strukturellen Antisemitismus wird damit beantwortet, dass dieser nur im ersten Zeitgeist-Film vorkomme. Und TZM hat laut Eigenaussage mit dem ersten Zeitgeist-Film nichts zu tun. Die Antwort ist schwammig und unglücklich. TZM kann nichts für diesen Film, denn dafür ist der Macher Peter Joseph verantwortlich. Wohl aber berufen sich die Zeitgeistler auf diesen Film und werben eben auch für diesen. Die enge Verknüpfung von Jospehs Film und der Bewegung sind nicht so einfach aufzuschlüsseln und vor allem ist von außen auch kein wirklicher Unterschied zu erkennen. Eine klare Verurteilung von Antisemitismus fehlt völlig.

Warum am Ende der Erklärung zum Vorwurf des strukturellen Antisemitismus ein Verweis auf das Zeitgeist-Chapter Israel (also eine lokale Zeitgeist-Gruppe in Israel) steht, ist schleierhaft und erinnert an die reflexartige Reaktion: „Ich bin kein Antisemit, schließlich habe ich Freunde, die Juden sind.“

Immerhin: Die mühselige Diskussion, ob der Zeitgeist-Film antisemitische Inhalte habe oder nicht, scheint damit beendet und TZM bezieht öffentlich Stellung zu den Vorwürfen des strukturellen Antisemitismus und der Verschwörungstheorien. Die Stellungnahmen lassen allerdings darauf schließen, dass man das Problem nicht wirklich erfasst hat, oder aber nur sehr halbherzig angeht. Die Stellungnahmen sind unscharf und gehen nicht wirklich auf die Vorwürfe ein.

Versucht man diese Dinge positiv zu lesen, so könnte man unterstellen, dass TZM versucht seine Kinderkrankheiten loszuwerden. Allerdings sind all diese Entwicklungen von außen nicht erkennbar. Niemand wird den Unterschied zwischen TZM und „Zeitgeist – The Movie“ bemerken, denn das Label ist gleich. Auch wenn TZM den ersten Zeitgeist-Film nun offiziell ablehnt: So lange sie auf Demonstrationen ihr Label zeigen, machen sie Werbung für den Film.

Und so wird Occupy zu einer Plattform auf der auch für Filme geworben wird, die bestenfalls problematisch sind. Es ist Occupy um ihrer eigenen Sache willen zu wünschen, dass sie Leute und Bewegungen ablehnen, die menschenverachtende Inhalte propagieren.

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

| Teil 1: Alex Jones

| Teil 2: Die "New World Order"

| Teil 3: Der spezielle Antisemitismus in Alex Jones‘ Filmen

| Teil 4: Truther und Infokrieger

| Verschwörungstheorien, Antisemitismus und Web 2.0

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