Buntstifte (Symbolbild).
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Handlungsmöglichkeiten in der Praxis: Ein Kind zeichnet nationalsozialistische Symbole

Was tun, wenn Kinder in der Kita Hakenkreuze und Runen zeichnen?  Diese Frage beantworten Prof. Dr. Esther Lehnert (Alice Salomon Hochschule Berlin) und Prof. Dr. Heike Radvan (Brandenburgische Technische Universität Cottbus - Senftenberg).

 

Der Text ist ein Auszug aus der Broschüre "Ene, mene, muh - und raus bist du! - Ungleichwertigkeit und frühkindliche Pädagogik" der Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung (September 2018). 

 

Fallanalysen und Handlungsmöglichkeiten in der Praxis

 

Prof. Dr. Esther Lehnert (Alice Salomon Hochschule Berlin) und Prof. Dr. Heike Radvan (Brandenburgische Technische Universität Cottbus - Senftenberg). Beide sind freie Mitarbeiterinnen der Fachstelle
Gender, GMF und Rechtsextremismus.

Die Fälle und Handlungsmöglichkeiten gliedern sich auf verschiedene Ebenen: Pädagogisches Handeln mit Kindern, Elternarbeit sowie professionelles Handeln im Team und beim Träger.

 

Ebene I: Pädagogisches Handeln mit Kindern

 

Fall I.2: »Nationalsozialistische Symbole und problematisches Verhalten«

In einer Kindertagesstätte fällt ein Kind dadurch auf, dass es Hakenkreuze und Runen zeichnet und dies auf Nachfrage rechtfertigt (»Das gibt es bei uns zu Hause. Meine Eltern finden das gut.« »Meine Mama sagt, das Kreuz ist etwas Gutes!«). Gleichzeitig verweigert es, mit Kindern zu spielen, die eine dunklere Hautfarbe oder eine Beeinträchtigung haben. Zudem spielt es sehr gern Krieg und ist gegenüber anderen Kindern aggressiv und gewalttätig.

Dass Kinder Hakenkreuze oder auch Runen zeichnen, macht deutlich: Sie haben diese Symbole an anderer Stelle gesehen. Hier sollte nachgefragt werden, woher das betreffende Kind diese kennt und was es damit verbindet.

Grundsätzlich muss eine Kita auf juristisch verbotene Symbole reagieren, z.B. auf das Hakenkreuz – auch wenn sie von Kindern gezeichnet sind. An dieser Stelle ist uns der Verweis wichtig: Kinder können aufgrund ihres Alters und ihres Wissens keine Nazis sein und sollten daher auch nicht als solche bezeichnet werden. Kita-Kinder können durchaus über Vor-Vorurteile verfügen. Es ist die Aufgabe von Pädagog*innen, diese in ihrer Ausprägung zu hinterfragen und zu kritisieren.

Betrachtet man diesen Fall, so deutet sich an, dass es sich hier um eine primäre Sozialisation in einem rechtsextremen Kontext handeln kann. Dafür spricht u.a., dass das Kind in der Lage ist, das Zeichnen eines Hakenkreuzes zu legitimieren oder auch zu relativieren (wie es in der Praxis zu beobachten ist). Pädagogisch ist es notwendig, mit dem Kind verständlich und altersgerecht darüber zu reden, wofür dieses Symbol steht und was daran problematisch ist. So kann beschrieben werden, wie zum Beispiel eine entsprechende Gesellschaft aussieht. Sollte sich im Gespräch mit dem einzelnen Kind herausstellen, dass im Elternhaus eine rechtsextreme Orientierung wahrscheinlich ist, so gilt es, zu reflektieren: Kinder geraten in solchen Fällen in Loyalitätskonflikte, sie lernen in der Kita etwas anderes als zu Hause. Kinder haben oft den Wunsch, ihre Eltern, die sie lieben, zu schützen und zu verteidigen. Solche Loyalitätskonflikte überfordern Kinder und schränken ihre Persönlichkeitsentwicklung ein. Es handelt sich um eine klassische pädagogische Dilemmata-Situation, in der es keine guten Lösungen gibt. Hilfreich ist, dies als Fachkraft, aber auch im Team kontinuierlich zu reflektieren und pädagogisches Handeln darauf abzustimmen.

Zusätzlich zum Gespräch mit dem betreffenden Kind ist es wichtig, mit der gesamten Kindergruppe zum Thema zu arbeiten. Es gilt, altersgerecht zu vermitteln, dass das Hakenkreuz für eine menschenfeindliche Gesellschaft steht. So kann zum Beispiel gesagt werden: »Das Zusammenleben ist dann ganz anders, als wir das hier gemeinsam in unserer Kita tun möchten, dann werden Kinder ausgegrenzt und es gibt Gewalt.«

Wir empfehlen, zeitnah einen Gesprächstermin mit den Eltern zu vereinbaren. Hier ist es sinnvoll, offen nachzufragen, ob die Eltern wissen, dass ihr Kind Hakenkreuze malt und wie sie sich das erklären. Konkrete Hinweise für die Arbeit mit rechtsextrem orientierten oder engagierten Eltern finden Sie im weiteren Verlauf der Broschüre. Nicht zuletzt sollte das Thema auf einer Elternversammlung eingebracht werden. Hier geht es darum, mit den Eltern darüber zu sprechen, wie sie mit ihrem Kind thematisieren können, wofür das Hakenkreuz steht – und zu vermitteln, warum ein derartiges Symbol mit dem Leitbild der Kita nicht zu vereinbaren ist.

 

Nationalsozialistische Symbole

Politische Symbole drücken bildhaft eine Weltanschauung aus, doch ihre Funktion reicht weit über den Transport einer politischen Botschaft hinaus: Sie dienen als Erkennungszeichen für Gleichgesinnte, vermitteln ein Zusammengehörigkeitsgefühl und stehen zugleich für Abgrenzung. Symbole zeigen: Ich bin anders, ich pflege einen bestimmten Lifestyle, ich bin Teil einer Bewegung oder einer bestimmten Gruppe innerhalb dieser Bewegung.

Bestimmte rechtsextreme Symbole bzw. solche mit Bezug zum Nationalsozialismus sind verboten: das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen nach §86 Strafgesetzbuch (StGB) sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a StGB, ebenso Kennzeichen verbotener Vereine nach §20 Vereinsgesetz (VereinsG).

Die »Versteckspiel«-Broschüre informiert über Symbole, Codes und Lifestyle von Neonazis und extrem Rechten in Bildern und kurzen Texten. Auf jugendkulturelle Codes wird ebenso ausführlich eingegangen wie auf Zahlenkombinationen, mit denen strafrechtlich relevante Begriffe, Grußformeln oder Organisationszeichen verschlüsselt werden. In pädagogischen Feldern sind Symbole nicht allein danach zu beurteilen, ob sie juristisch »verboten« sind oder nicht. Ein Verbot kann die notwendige Auseinandersetzung mit den dahinter stehenden Inhalten nicht ersetzen.

Einen auführlichen Teil zu Symbolen, Codes und Marken gibt es auch bei Belltower.News:

 

 

Mehr Fallanalysen und Handlungsmöglichkeiten in der Praxis folgen in den kommenden Tagen:

Ebene I: Pädagogisches Handeln mit Kindern

Fall I.1: »Morgenkreis«

Fall I.2: »Nationalsozialistische Symbole und problematisches Verhalten«

Fall I.3: »Kinder aus völkischen Elternhäusern«

Ebene II: Elternarbeit

Fall II.1: »Frühzeitiges Erkennen«

Fall II.2: »Bildung für das eigene Kind«

Fall II.3: »Besorgte Mutter«

Ebene III: Arbeit im Team und mit Träger

Fall III.1: »Feindschaft gegenüber Geflüchteten«

Fall III.2: »Wahrnehmung von Rassismus«

Ebene IV: Umgang mit rechtsextrem engagierten Kolleg*innen und arbeitsrechtliche Fragen

Fall IV. 1 und 2: »Aktivistinnen in der Kita«

Fall IV.3: »Flüchtlingsfeindliche Postings«

 

Mehr aus der Broschüre auf Belltower.News:

 

Inhate der Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus auf Belltower.News 
 

 

Die Broschüre als PDF zum Download:

http://www.gender-und-rechtsextremismus.de/w/files/pdfs/fachstelle/kita_internet_2018.pdf

 

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