Beim SV Waren 09 wurde die E-Jugend jahrelang von einem Mann trainiert, dessen Nähe zur rechtsextremen Ideologie jetzt öffentlich wurde. Der Verein suspendierte den Trainer zunächst, dieser kündigte die Zusammenarbeit inzwischen selbst auf. Dass Neonazis in den Amateur- und Jugendsport drängen, ist eine bekannte Strategie. Im vermeintlich unpolitischen Sport können Rechtsextreme gut anknüpfen.
Von Lina Morgenstern
Im ländlichen Raum mangelt es an Trainern im Jugendfußball, Vereine suchen händeringend nach Ehrenamtlichen. Kein Grund, einen Neonazi als Trainer zu beschäftigen. Das dachte man sich nun auch beim SV Waren 09, der kürzlich seinen E-Jugendtrainer Rene D. suspendierte. Gegen ihn waren Vorwürfe laut geworden, dass er neonazistische Ideologie teilt. Der Verein wollte die Vorwürfe zunächst prüfen und sich dabei Unterstützung vom Landesfußballverband holen. Inzwischen hat der Beschuldigte den Trainerjob selbst an den Nagel gehängt, um seine Familie zu schützen, wie er gegenüber einem Onlineblog erklärte.
Auf dem Facebookprofil von Rene D. finden sich einige interessante Bands, wie die Rechtsrocker "Legion of Thor". (Quelle: Screenshot Facebook)
Augenscheinlich sind die Vorwürfe dabei schon länger. Auf Facebook teilte der Trainer Bilder, die eine rechtsextreme Gesinnung nahe legen. Ein Bild zeigt ihn gemeinsam mit Freunden, den rechten Arm zum Hitlergruß erhoben. Rene D. trägt auf dem Foto ein T-Shirt mit der Aufschrift "Crew 38", einer internen Unterstützergruppe der rechtsextremen Hammerskins. Auf einem anderen Bild präsentiert er mit zwei Kumpanen Wettkampfurkunden und Pokale, im Hintergrund hängt die Kaiserreichflagge. Zu sehen ist auch eine CD der Nazi-Band "Wolfsrudel". Die Tonträger der Musikgruppe wurden zum Teil von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert. Rene D. mag außerdem die Musik von Dee Ex, einer Künstlerin die gegen "Multikulti" und "Überfremdung" rappt. Und ihm gefällt die Skinheadband "Legion of Thor", die in der Berliner "Blood and Honour" Szene beheimatet sind. "Blood and Honour" ist ein europaweit organisiertes Neonazinetzwerk, dessen Konzerte und Veröffentlichungen als klassischer Einstieg in die Neonazi-Szene gelten.
Der Regionalblog "Wir sind Müritzer" bekam als einziges Medium ein Interview mit Rene D. "Ich bin ein Mensch mit einer eigenen Meinung. Die sage ich und die hat nichts mit irgendwelchen politischen Richtungen zu tun. Aber ich gebe zu, dass ich Ansichten vertrete, die bei vielen als rechts gelten. Ein Nazi bin ich aber nicht", erklärte er dort.
Schon im Juli 2014: "Kraft durch Freude"
Im Juli 2014 änderte D. sein Profilbild in ein "Kraft durch Freude" Logo. Die Nationalsozialistische Gemeinschaft "Kraft durch Freude" (KdF), diente unter dem NS-Regime dem Zweck, die Freizeit der Deutschen zu gestalten, zu überwachen und gleichzuschalten. Sportliche Betätigung war wesentlich, um ideologischen Zusammenhalt zu fördern und nicht zuletzt die Kriegsbereitschaft der Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Somit ist es nicht verwunderlich, wenn sich ein rechtsextremer Jugendtrainer damit identifiziert. Rene D. will von der Bedeutung und Geschichte der KdF nichts gewusst haben, die in seinem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern einige Freizeitanlagen, wie auf Prora, betrieb.
Sportsfreude unter sich. Links im Bild die CD von "Wolfsrudel", Albumtitel "Freiheit für das deutsche Land". (Quelle: Screenshot Facebook)
Eltern der E-Jugendspieler sind entrüstet
"So etwas geht nicht. Und erst recht nicht in einem Sportverein", zitiert der Nordkurier eine Mutter. Sie erklärt in der Zeitung weiter, dass es schon Diskussionen wegen eines mutmaßlich rechtsextremen Tattoos und eines Thor-Steinar-Shirts gegeben habe. Viele kritisieren den Verein dafür, nicht eher reagiert zu haben. Ex-Jugendobmann Thomas Röhr scheint das nicht zu stören, obwohl er zugibt, schon auf das Tattoo angesprochen worden zu sein. Im Nordkurier wird er deutlicher: "Der macht einen super Job. Er opfert sehr viel Freizeit für die Kinder. Fast jedes Wochenende ist er mit ihnen unterwegs. Und das auch erfolgreich."
Anders der stellvertretende Vereinschef, er erklärte gegenüber der Zeitung, dass ein Nazi im Verein nichts verloren habe. "Wir distanzieren uns im Verein davon und werden die Sache mit allen Konsequenzen aufklären", betonte Stephan Zickuhr. Zunächst wollte man den Beschuldigten selbst befragen. Sollten sich die Vorwürfe erhärten, "dann ist er raus. Alternativen gibt es da nicht", machte Zickuhr deutlich.
"Lassen Sie die Kirche im Dorf"
Im Internet sympathisieren viele User mit dem Jugendtrainer. "Lassen Sie mal die Kirche im Dorf" fordern die einen, andere finden die Ausgrenzung von Nazis sei undemokratisch und extremistisch. Im Grundtenor erklären die Meisten, dass die rechte Gesinnung mit dem Sport nichts zu tun habe, so lange er seinen Job gut mache und seine Meinung für sich behalte. Davon ist allerdings nicht auszugehen, wenn man die öffentlichen Äußerungen von Rene D. auf Facebook liest. Auch wenn Freund*innen von ihm die Bilder gepostet haben und nicht er selbst, so hätte er die Markierungen löschen und die Verbreitung der Bilder unterbinden können.
Nazis unterwandern gezielt Sportvereine
Dass Nazis gezielt in den Amateur- und Jugendsport strömen, ist keine neue Strategie. Vor drei Jahren war der VfB Pommern Löcknitz in die Diskussion geraten, weil ein NPD Politiker als Schiedsrichter bei Jugendspielen gepfiffen hatte. In der Arbeit haben die Trainer*innen und Schiedsrichter*innen einen nicht unerheblichen Einfluss auf die soziale Entwicklung von Jugendlichen und ihre zukünftige politische Verortung. "Im Sinne einer Normalisierungsstrategie geht es in einem ersten Schritt darum, nicht negativ aufzufallen und Vertrauen aufzubauen. Auf dieser Basis lässt sich in einem zweiten Schritt Ideologie einbringen und Überzeugungsarbeit leisten. Diese Art von ´Unterwanderung´ trifft nicht nur, aber eben auch Sportvereine. Als vermeintlich unpolitische Orte werden sie von Nazis genutzt, um ihre Ideologie zu verbreiten und Sympathisant*innen zu gewinnen. Werte, wie Leistungsorientierung und Gemeinschaft, die im Sport gelebt werden, können Anknüpfungspunkte für rechtsextreme Ideologie sein", schreiben dazu die Autor*innen einer neuen Broschüre der Amadeu Antonio Stiftung zu Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern.
Um solche Bestrebungen zu verhindern, heißt es in der Satzung des Landesfußballverbandes: "Der LFV M.-V. ist parteipolitisch und religiös neutral. Er tritt rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen und anderen diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen entschieden entgegen." Beim SV Waren 09 fehlt eine solche Formulierung in der Satzung, was es Neonazis leichter macht, Fuß zu fassen.