Die Al-Quds-Demo am 09. Juni 2018 in Berlin.
AAS

Al-Quds-Tag: Antisemiten auf den Kudamm

Niemand geringeres als Ruhollah Chomeini, Anführer der islamischen Revolution im Iran, hat den Al-Quds-Tag 1979 erfunden. Jedes Jahr, immer zum Ende des Ramadans hin, wird seitdem demonstriert, angeblich aus Solidarität mit Palästinenser*innen, hauptsächlich geht es allerdings gegen Israel und das auch immer wieder in Berlin. Am 09. Juni war es wieder soweit und über 1.000 Israel-Hasser*innen demonstrierten in der Hauptstadt. Zentrales Motiv dabei: Antisemitismus in allen Formen.

Von Stefan Lauer

Vor einigen Jahren wurden Fahnen der Terrororganisation Hisbollah geschwenkt, Kinder mussten in mit Kunstblut verschmierten T-Shirts als Opfer der israelischen Politik herhalten und "Kindermörder Israel" wurde skandiert. Mittlerweile ist man vorsichtiger geworden, zumindest beim Berliner Al-Quds-Marsch. Am vergangenen Samstag war die Polizei gut vorbereitet. Arabische Übersetzer waren vor Ort, die Flugblätter auf strafbare Inhalte prüften, das galt auch für die mitgeführten Plakate.

Laut Polizeiangaben nahmen 1.600 Menschen an der Demonstration teil. Zu Beginn wurde ein lange Liste mit Auflagen verlesen, die unter anderem das Verbrennen von Flaggen und das Zeigen von Symbolen der Terrororgansiation Hisbollah untersagte. Trotzdem wurde im Verlauf der Demo eine Fahne mit dem entsprechenden Logo sichergestellt.

 

Antisemitismus im Gewand der "Israelkritik". (Foto von Gegenfeuer)

Al-Quds ist das arabische Wort für Jerusalem. Im Sinne des Erfinders Chomeini soll mit den Aufmärschen – im Iran ist der Tag ein staatlicher Feiertag – Israel als Staat in Frage gestellt werden. Es wird gefordert, dass Jerusalem ausschließlich in arabischer Hand ist und Israel nicht mehr weiter existiert. Diese grundsätzlich feindliche Haltung gegenüber dem jüdischen Staat manifestiert sich jedes Jahr wieder in antisemitischen Ausfällen. Um den eigenen Judenhass in "Israelkritik" umzudeuten, lädt man beim Al-Quds-Marsch auch regelmäßig Vertreter der jüdischen Neturei-Karta-Sekte ein, eine Gruppe von orthodoxen Jüd*innen, die glauben, dass ein neuer Staat Israel erst nach der Rückkehr des Messias entstehen darf, der existierende Staat Israel also nicht von Gott gewollt sei. In der ersten Reihe der Antisemiten-Demonstration stehen also regelmäßig orthodoxe Juden.

Vertreter der "Netrurei Karta"-Sekte in der ersten Reihe der Demo. (Foto von Gegenfeuer)

 

Der kürzlich berufenen Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte der taz im Vorfeld des Aufmarsches: "Bestimmte rote Linien dürfen aber nicht überschritten werden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Israel als 'Nazistaat' bezeichnet wird oder wenn Israel Nazimethoden im Umgang mit den Palästinensern vorgeworfen werden."

Zwar zieht die Polizei für dieses Jahr eine eher positive Bilanz – der Verlauf der Demo sei weitestgehend unauffällig gewesen, so ein Sprecher der Polizei gegenüber dem RBB – Hass auf Juden, Jüdinnen und Israelis gehört allerdings zur DNA dieses Aufmarsches und war auch dieses Jahr eindeutig zu erkennen. Die Organistor*innen versorgten die Teilnehmer mit Plakaten, die sie bei der Demo mit sich führen sollten, unter anderem mit dem Schriftzug "#niewieder". Der Hashtag #niewieder wird zumeist beim Gedenken an den Holocaust verwendet. Beim Al-Quds-Marsch diente er dem sekundären Antisemitismus. Ein Redner erklärte bei der Auftaktkundgebung, dass Israelis einen Völkermord betreiben würden, auf den man mit diesem Slogan hinweisen wollte. Indirekt wirft man also Israel vor, die Verantwortung für einen zweiten Holocaust zu tragen.  

Foto: Gegenfeuer

Im Vorfeld diskutierte die Berliner Politik über ein Verbot des Aufmarsches, auch Felix Klein fordert, "dass in Deutschland Demos verboten werden sollten, in denen Israel das Existenzrecht abgesprochen oder zu seinem gewaltsamen Ende aufgerufen wird." Auf dem Marsch diente das als Beleg für antisemitische Verschwörungstheorien. Einer der Organisatoren sprach von einer "zionistischen Verschwörung" aus "New York und Tel Aviv", die die Demonstration verhindern wolle.

Ähnliches war permanent zu hören. Selbst für platteste Klischees waren sich die Veranstalter*innen nicht zu schade. So schleuderte einer der Organisatoren einem Journalisten, der ihn mit dem Antisemitismus des Aufmarsches konfrontierte, entgegen: "Das sind alles Semiten hier".

Auch in diesem Jahr gab es Proteste gegen den Aufmarsch. Ein antifaschistisches Bündnis demonstrierte fast in Sichtweite des Al-Quds-Treffpunkts unter anderem mit Songs der diesjährigen israelischen ESC-Gewinnerin Netta. Das Anti-Defamation-Center (ADC) hatte zu einer weiteren Demonstration aufgerufen, an der sich auch viele Vertreter*innen aus der Politik und Kultur beteiligten.

Auch wenn in diesem Jahr wieder auf plakative Slogans verzichtet wurde, ist Judenhass beim Al-Quds-Marsch omnipräsent. Egal, ob Israel eine zweite Schoah vorgeworfen wird oder die jüdische Weltverschwörung hinter allen Ecken lauert. Leider ist es den Organistaor*innen auch dieses Jahr wieder gelungen, mit Judenhass eine Menge Menschen auf die Straße zu bringen. Wie Berlin damit im nächsten Jahr umzugehen gedenkt, bleibt erstmal offen. 

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