Angefeindet: die DFB-Elf vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich, 3.6.2011
Steindy, CC

"Jud Loew's Voelkerschau geht mir am A... vorbei" - Mögen Nazis die deutsche Nationalmannschaft?

Anlässlich des Länderspiels Frankreich gegen Deutschland am Mittwoch (6.2.) stellt sich erneut die Frage: Mögen Nazis die deutsche Nationalmannschaft? Liest man die rechtsextremen Kommentare zur Europameisterschaft 2012 nach, so möchte man diese Frage klar mit "Nein!" beantworten. Und trotzdem ziehen Spiele der deutschen Nationalmannschaft  immer wieder Neonazis und Rassisten an, welche die Bühne Fußball für ihre Propaganda missbrauchen.

Von Joachim Wolf

"Die BRD-Neger- und Kanakenmannschaft des Joachim ("Jahwe erhebt Dich") Löw ist keine deutsche Nationalmannschaft" pöbelte damals ein Nutzer in einem Kommentar auf der rechtsextremen Internetplattform altermedia. Und ein anderer Kommentator schrieb: "Jud Loew's Voelkerschau geht mir voellig am Arsch vorbei". Beide brachten damit den ganzen rassistischen und antisemitischen Hass der Neonazis auf die DFB-Elf auf den Punkt.

Denn für die Neonazis sind Spieler wie Özil, Boateng und Gomez keine Deutschen, auch wenn sie hier aufgewachsen sind und deutsche Pässe besitzen. Die Rechtsextremisten definieren vielmehr das "Deutsch-Sein" im Sinne ihres völkischen Rassismus allein nach Abstammung ("Blut") und Aussehen. Deshalb ist ihnen der multikulturelle Charakter der deutschen Nationalmannschaft ein Dorn im Auge. Und warum wird Joachim Löw in mehreren weiteren Kommentaren als "Jude" beschimpft? Der Bundestrainer wird von den Rechtsextremisten vermutlich allein wegen seines "jüdisch" klingenden Vor- und Nachnamens gehasst.

Verschwörungstheoretischer Wahnsinn:  Der DFB als "Jahrtausendverbrecher"

Mit ihrem Hass auf die Nationalmannschaft verbinden die Rechtsextremisten auch ihre radikale Ablehnung der gesamten Bundesrepublik. Denn für sie steht diese ebenso wie die DFB-Elf aufgrund ihres multikulturellen Charakters für die "Vernichtung des ethnisch deutschen Volkes", wie der oben bereits zitierte Kommentator es nannte. Gemeint ist mit diesen wirren Worten die rechtsextreme Verschwörungstheorie, nach der Politiker in der Bundesrepublik angeblich mit Hilfe von Migration gezielt am "Austausch der deutschen Urbevölkerung" arbeiten würden.

Wie viel rassistischer, antisemitischer, homophober und revisionistischer Wahnsinn in dieser "Theorie" steckt, offenbarte ein weiterer Kommentar zur EM 2012 auf altermedia: "Der völlig antideutsch  gewordene (...) und verfilzte DFB ist voll auf rotgrün-reaktionärer Gutmensch-Linie mit seiner gezielten Bevorzugung migrantisch-'südländischer' Spieler und dekadenten Schwulismus-Verherrlichung und somit einer der Hauptakteure beim Jahrtausendverbrechen der Vernichtung des deutschen Volkes durch Millionenüberfremdung und folgende Umvolkung".  

Konsum- und Kapitalismuskritik von rechts oder: "Gegen den modernen Fußball" auf neonazistisch

Andere Neonazis geben sich da etwas intellektueller und versuchen zumindest, ihren völkischen Rassismus hinter einer Konsum- und Kapitalismuskritik zu verstecken. So schrieb die rechtsextreme Gruppierung "Jugend für Pinneberg" in einem Kommentar zur EM 2012: "Der Fußball, nicht als Sport, sondern als Event (…) wird seit Dekaden benutzt um das Volk abzulenken, gezielt zu verblöden und ihm die kapitalistische Wertordnung schmackhaft zu machen. Und es funktioniert, wie uns Millionen Bundesrepublikaner derzeit beweisen. Kapitalismus ist Geil, sogar schwarz – rot – geil." Das sind Sätze, die durchaus auch aus einem Manifest einer (linken) Ultra-Gruppierung stammen könnten -  sehen sich doch viele Ultras im "Kampf" gegen den "Kommerz- und Event-Charakter" des Fußballs.

Dass diese Kritik am "modernen Fußball"  von der "Jugend für Pinneberg" aber im Sinne eines völkischen Nationalismus aufgeladen wird, zeigt eine andere Stelle im Text: "Dieser ganze multikulturelle Zirkus steht nicht für eine Nation, nicht für ein oder mehrere Völker oder gar Völkerverständigung, nicht für Sport oder körperliche Ertüchtigung, sondern nur für eines, nämlich der Tatsache, dass alles verkäuflich ist: Das Nationalsymbol, Anstand und Ordnung, Werte und Normen, Fußballspieler und das Volk selbst; alles wird hier zu Markte getragen." Und als Konsequenz hieraus:  "Dem ehrlichen Patriot dreht sich bei diesem Tumult der Magen um und er schaltet den Fernseher aus, wenn er sieht wie Volk und Heimat als vulgäre Attraktion vorgeführt werden."

Aber boykottieren tatsächlich alle Neonazis aus den oben angeführten Gründen die Spiele der deutschen Nationalmannschaft?  Nein. Denn die rechtsextreme NPD und die neonazistischen "Freien Kräfte" meiden keineswegs Fußball-Welt- oder Europameisterschaften. Vielmehr versuchen sie, die Stimmung während dieser Großereignisse durch Propagandaaktionen für ihre rassistischen Zwecke zu missbrauchen.

Kampagne der NPD zur EM: "Wir stehen zu Deutschland – Nicht nur im Fußball"

Die NPD entwickelte und verteilte beispielsweise zur EM 2012 wieder einen "Planer". Das Motto: "Wir stehen zu Deutschland – Nicht nur im Fußball".  In einem Grußwort schreibt der NPD-Vorsitzende Holger Apfel: "Wir wollen, daß wir Deutsche uns zu Deutschland bekennen dürfen, ohne gleich als "Nazis" gebrandmarkt zu werden. Wir wollen, daß das Bekenntnis zu unserem Volk, zu unserer Heimat, zu unserer Kultur endlich wieder eine Selbstverständlichkeit wird!" Wie dieses "Bekenntnis" aussehen soll, lässt sich dann aus anderen Quellen erkennen: Auf der Website der NPD Rhein-Neckar wird der "EM-Planer" beispielsweise damit beworben, dass dort "das ganze Lied der Deutschen" abgedruckt sei.

Die NPD Niedersachsen lobt außerdem in einem Text zum Flyer, dass die deutsche Nationalmannschaft sich die "altehrwürdige deutsche Stadt Danzig" als Quartier ausgesucht hat, "in der man sich aus gutem Grund heimisch fühlen" werde. Und in einem Video der niedersächsischen NPD beklagt ein Parteivertreter ebenso wie die oben bereits zitierten Neonazis, dass die deutsche DFB-Elf "längst keine Nationalmannschaft" mehr sei - eben weil Özil, Khedira Boateng  und Co. aufgrund ihrer Abstammung "keine Deutschen" seien.  

Neonazi-Aktion in Celle: "Deutsche seid deutsch, nicht nur beim Fußball!"

Aber nicht nur die NPD versuchte, die EM dazu zu nutzen, ihre rechtsextreme Propaganda unters Volk zu bringen. Auf  der Internetseite der "Freien Kräfte Celle" berichteten rechtsextreme Aktivisten über eine Verteilaktion während einer Public-Viewing-Veranstaltung in der niedersächsischen Stadt: Mit schwarz-rot-goldenen Fahnen und Hüten "getarnt", habe man dort Flyer verteilt, auf deren Vorderseite ein nur für die Zeit der EM "befristeter Patriotismus-Vertrag" abgedruckt gewesen sei.  Auf diese vermeintlich ironisch-humorvolle Weise wollten die Neonazis kritisieren, dass "Nationalstolz nicht nur auf zwei Fußballfeste beschränkt werden muss", wie sie auf der Rückseite ihres Flugblatts schreiben. Und dann folgt auch hier die übliche revisionistische und völkische Propaganda: "Deutschland ist Kultur, Erbe und Lebensraum", heißt es dort beispielsweise. Und: "Deutsche seid deutsch, nicht nur beim Fußball!"

Rechtsextreme Vorfälle beim Public-Viewing und bei Spielen der Nationalmannschaft

Darüber hinaus kommt es bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft immer wieder auch zu rechtsextremen und rassistischen Vorfällen - sowohl bei Public-Viewing-Events als auch in den Stadien selbst. So zeigten beispielsweise während des EM-Spiels Deutschland gegen Dänemark deutsche Fans im Stadion von Lwiw ein Plakat mit der Parole "Gott mit uns" in Frakturschrift. Dieser Spruch stand im Zweiten Weltkrieg auf den Gürtelschnallen der Wehrmachtssoldaten.

Auch in mehreren deutschen Städten kam es während der EURO 2012 zu rassistischen und rechtsextremen Zwischenfällen: In Wuppertal beispielsweise bewarfen deutsche Fans nach dem Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft Anhänger der  Squadra Azzurra mit Spaghetti und riefen ausländerfeindliche Parolen. Ein Mann wurde dabei wegen verfassungsfeindlicher Äußerungen festgenommen. Nach dem EM-Spiel Deutschland gegen Griechenland sollen außerdem deutsche Fans in Essen die Reichskriegsflagge gezeigt haben. Auch von "Sieg Heil"-Rufen und "Hitler-Grüßen" berichten Augenzeugen aus einigen Städten.

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