"1953international" als Partner von Dynamo Dresden
1953international

Antirassimus in Dresden: "Love Dynamo, Hate Racism"

Ronald von "1953international" spricht im Interview über Ziele  und Geschichte der antirassistischen Arbeit dieser Dresdener Faninitiative, ihr Standing bei Verein und Fans, die Schwierigkeiten bei der Bekämpfung anderer Diskriminierungsformen sowie eine Aktion mit Flüchtlingen.

Ronald, wann und warum wurde "1953international" gegründet?

Anlass der Gründung war ein Spiel der SG Dynamo Dresden gegen die Sportfreunde Siegen im Jahr 2006. Dabei gab es von den Rängen vermehrt sogenannte "Affenlaute" gegen einen dunkelhäutigen Spieler der gegnerischen Mannschaft. Das war der traurige Höhepunkt einer langjährigen Entwicklung, die eigentlich schon zu Bundesligazeiten der SGD (1991-95) einsetzte. An dem Tag haben sich dann einfach genügend Leute so sehr darüber geärgert, dass sie auf eine Anfrage des Fanprojektes reagierten. Das hatte im offiziellen Dynamo-Internetforum Menschen gesucht, die sich gegen diese "Affenlaute" positionierten und dagegen aktiv werden wollten. Auf diese Initiative hin gab es ein loses Treffen, woraus schließlich "1953international" entstand.

Kannst Du in zwei, drei Sätzen zusammenfassen, was Eure Ziele sind?

Es ist schwierig, das so knapp zu formulieren, denn das hat sich im Laufe der Zeit auch gewandelt. Gerade in den Anfangsjahren war es für uns wichtig, den Verein für die Thematik Antirassismus zu sensibilisieren und das generell zum Thema zu machen und damit möglichst viele Menschen, die ins Stadion gehen, zu erreichen. Heute ist uns auch wichtiger geworden, fanpolitische Themen in die Öffentlichkeit zu bringen. Auch mit dem Verein an antirassistischen Standards zu arbeiten, ist ein bedeutender Punkt. Insgesamt sind wir in unserer Arbeit professioneller geworden und versuchen gleichzeitig, mit anderen aktiven Fans der SGD stärker zusammenzuarbeiten und uns nicht nur auf das Sitzplatzpublikum zu konzentrieren.

Wie war am Anfang Euer Verhältnis zur Vereinsführung?

Das steht und fällt natürlich mit einzelnen Personen. Gerade am Anfang hatten wir doch eher Schwierigkeiten, dort Gehör zu finden. Das war auch klar, denn uns kannte niemand, wir kamen mit einem "exotischen" Thema und der Verein hatte damals viele andere Probleme, die aus Sicht der Geschäftsführung wichtiger waren. 2010 ist dann der frühere Spieler Volker Oppitz Geschäftsführer geworden. Damit hat sich für unsere Initiative relativ viel geändert. Oppitz hat sich sehr für unsere Sache engagiert und wir wurden dann auch vom Verein zu Treffen eingeladen.

Wie waren die Reaktionen bei den Fans?

Wir sind Dynamo und nicht der FC St. Pauli oder SV Babelsberg, wo Antirassismus ja im Prinzip zum vermeintlichen Standard gehören soll. Gegen unsere Initiative wird es immer Widerstand geben, das ist uns bewusst. Damit müssen wir von vornherein umgehen. Ganz am Anfang gab es noch gar nicht so viel Gegenwind, weil wir noch nicht großartig wahrgenommen wurden. Mit zunehmender Bekanntheit unserer Initiative hat sich das aber geändert. Seit einigen Monaten versuchen wir zudem auch, mehr in Richtung allgemeine Öffentlichkeit zu gehen. Der Großteil der Fans, die wirklich aktiv im Stadion sind und eine Verbindung zum Verein haben, nimmt uns eher ernst, als dass sie uns ablehnen. Es gibt natürlich nicht nur Zustimmung, aber der Widerstand gegen uns kommt weniger von wirklich aktiven Fans.

Ein häufiger Einwand gegen Initiativen wie Eure ist ja: "Politik hat im Stadion nichts verloren" - was entgegnet Ihr dem?

Diese ganze Diskussion über Politik und Fußball ist relativ schwierig, weil Antirassismus aus unserer Sicht nicht zwingend etwas mit Politik zu tun haben muss. Ich weiß, dass viele Menschen, wie etwa der Fanforscher Gerd Dembowski, das anders sehen. Für uns ist "Politik hat im Stadion nichts verloren" ganz klar eine Phrase, um es sich einfach zu machen. Damit schafft man es, braunen Umtrieben eine Legitimationsgrundlage zu verschaffen. Grundsätzlich ist es ja so, dass es jede Menge Politik im Stadion gibt, es gibt fanpolitische Themen, es gibt gesellschaftspolitische Themen, die relevant sind und auch über Spruchbänder kundgetan werden. So wurde und wird, um nur ein Beispiel zu nennen, in Dresden durch die aktive Fanszene wegen eines fragwürdigen neuen Bezahlsystems das Catering im Stadion boykottiert. Auch das ist eine politische Handlung. Aber sich gegen Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und andere Diskriminierungsformen zu positionieren, ist für uns nicht zwingend ein politisches Statement, sondern einfach ein zivilisatorischer Mindeststandard, es ist eine Frage des gesunden Menschenverstandes.

Vor kurzem habt Ihr eine Aktion mit Flüchtlingen gestartet. Was habt Ihr da genau gemacht und welches Anliegen habt Ihr damit verfolgt?

Ausgangspunkt war, dass wir gemeinsam mit dem Verein Sondertrikots mit dem Slogan "Love Dynamo, Hate Racism" gestaltet und produziert haben. Der Slogan kam ursprünglich von uns, wird aber inzwischen auch vom Verein intensiv verwendet. Mit so einer Aktion erreicht man natürlich sehr viele Menschen. Sechs dieser Sondertrikots sind dann für insgesamt 4.157,08 Euro versteigert worden. Dieses Geld haben wir dann auf drei Projekte aufgeteilt, um es sozusagen in die Arbeit zu "reinvestieren". Eines dieser drei Projekte ist sehr praxisbezogen: Wir haben mit der "AG Asylsuchende" Kontakt aufgenommen, um Flüchtlinge, die in der Umgebung von Dresden untergebracht sind, zu einem Spiel einzuladen, mit ihnen gemeinsam zum Stadion zu gehen und das Spiel zusammen anzusehen. Wir wollten damit das Problem der "Residenzpflicht" für Asylbewerber thematisieren. Das hat überregional durchaus für Aufmerksamkeit und auch innerhalb der SG Dynamo für positive Resonanz gesorgt. Wir haben in den vergangenen Jahren gelernt, eher plakative, öffentlichkeitswirksame Aktionen mit praktischen, nachhaltigen Engagements zu verknüpfen. Das Projekt wird auf jeden Fall weitergeführt.

Aktionstrikot von "1953international" und Dynamo DresdenDynamo-Dresden-Aktionstrikot vom Oktober 2012. Quelle: 1953international

Fanforscher haben in letzter Zeit die Befürchtung geäußert, dass durch die Zuspitzung der "Sicherheits"-Debatte Ultragruppen, die sich antirassistisch positionieren, an den Rand gedrängt und die entstehenden Leerräume durch neonazistische Gruppen ausgefüllt werden könnten. Seht Ihr auch in Dresden diese Gefahr?

Ich denke, dass die Fanszene hier mittlerweile weit genug ist, um solche Dinge intern zu klären. Man wird sicherlich deutschlandweit nie völlig verhindern können, dass es in einzelnen Stadionblöcken dem rechten Spektrum nahestehende oder sogar dort fest verankerte Menschen gibt. Aber die Frage ist immer, wie eine selbstverwaltete Kurve damit umgeht und ich denke, dass Dresden da mittlerweile sehr weit ist. Das, was oft von Politik und Verbänden eingefordert wird, dass es einen Selbstreinigungsprozess in der Kurve geben müsse - der ist in Dresden kontinuierlich im Gange.

Anlass zu Eurer Gründung war ja Rassismus und der Wunsch, dagegen etwas zu tun. Arbeitet Ihr inzwischen auch gegen andere Formen von Diskriminierung?

Das ist ein schwieriges Thema. Grundsätzlich ist es natürlich so, dass man nicht gegen Rassismus arbeiten und gleichzeitig andere Diskriminierungsformen außen vorlassen kann. Aber in der Arbeit nach außen ist sicherlich der Kampf gegen Rassismus mehrheitstauglicher als etwa die Bekämpfung von Antiziganismus oder Homophobie. Die Thematisierung von Rassismus ermöglicht es, eine Diskussion über die unterschiedlichsten Diskriminierungsformen anzustoßen.
 

Habt Ihr Tipps für Initiativen in anderen Städten mit ähnlichen Anliegen wie Euren?

Es liegt uns fern, allgemeingültige Handlungsempfehlungen abzugeben, da immer lokale Besonderheiten beachtet werden müssen. Wir arbeiten, ohne uns großartig an anderen Vereinen zu orientieren oder gar reinreden zu lassen. Das ist die Grundlage unserer Arbeit.

Interview: André Anchuelo

Die Initiative im Internet:

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