Fans vom SV Linden 07 (Kreisliga Hannover) unterstützten die Kampgane "Fußballfans gegen Homophobie"
Fanszene 1907

Auf dem Papier ist nicht auf dem Platz - Richtlinien gegen Rassismus

Fangruppen und Fanprojekte engagieren sich aktiv gegen Diskriminierung im Fußball. Was aber geschieht im Amateurbereich, wo derartige Strukturen in den meisten Fällen nicht vorhanden sind. Können die Verbände die selbstgesteckten Ziele alleine erfüllen? Dies ist der Start der neuen Serie zu Thema Amateurfußball.

Von Redaktion Fussball-gegen-Nazis.de

Öffentlichkeitswirksam positioniert sich der DFB regelmäßig gegen jegliche Form von diskriminierendem Verhalten auf und rund um den Fußballplatz. Mit verschiedenen Aktionen (z.B. Mach einen Strich durch Vorurteile) und teuren Anzeigen wird neben den Spielen der 1. und 2. Bundesliga für Toleranz und Vielfalt geworben. Mit der Förderung von Integrationsprojekten soll für Flüchtlinge eine Willkommenskultur im Fußball geschafft werden. Wie allerdings sieht der Alltag bei den wöchentlich über 80.000 Amateurspielen aus, wenn keine offiziellen Beobachter*innen, Medien oder aktive Fangruppen vor Ort sind?

In den kommenden Wochen werden wir mit verschiedenen Interviews und Artikeln versuchen einen Einblick in die Welt des Amateurfußballs herzustellen. Themenschwerpunkte sind verschiedene Formen von Diskriminierung und mögliche Gegenstrategien. Neben Spieler*innen, Trainer*innen und Schiedsrichter*innen, die vom Verhalten auf dem Platz berichten werden, kommen auch Fans und Vereinsoffizielle zu Wort. Dabei werden wir uns nicht nur auf den Männerfußball beschränken, sondern auch mit weiblichen Fans und Spielerinnen über ihre Erfahrung mit Diskriminierung im Fußball sprechen. Heute geht es um den Umgang von Verbänden und Sportgerichten mit diskriminierendem Verhalten – in einigen Orten ein sensibles Thema.

Vorgaben vom Verband werden nicht ernst genommen

Der Berliner Fußballverband veröffentlichte im November 2006 eine "Handlungsempfehlung gegen Rassismus" für Schiedsrichter*innen und Vereine. Auslöser waren nicht nur Hitlergrüße und Naziparolen vom Publikum der VSG Altengliecke im Spiel gegen den TuS Makkabi Berlin sondern auch die Tatsache, dass der Schiedsrichter es nach mehrmaligen Hinweisen der Makkabi-Spieler nicht für nötig hielt dagegen vorzugehen. 4 Jahre später im November 2010 unterbrach der Berliner Schiedsrichter Sebastian Hornig eine Partie nach wiederholten "Zigeuner"-Rufen von Zuschauern des Lichtenrader BC. Der Trainer der Lichtenrader bezeichnete die Unterbrechung als "völlig maßlos" und einer seiner Spieler argumentierte mit den Worten "Wir sind doch keine Mädchen". Der Verband erklärte im Anschluss, dass der Schiedsrichter komplett richtig gehandelt habe. Ob der Lichtenrader Anhang sein Verhalten ernsthaft hinterfragt, ist nach den relativierenden Aussagen von Spielern und Trainer nicht zu erwarten.

Verbände ziehen selten Konsequenzen

Ein aktuelles Beispiel sorgte im April dieses Jahres für Aufsehen. In der Bezirksliga Schwarzwald brach der Schiedsrichter Khalid Sajid ein Spiel ab, nachdem er mehrfach rassistisch beleidigt und bedroht wurde. Der Verband entschied wenig später, dass das Spiel wiederholt werden müsse und warf Sajid außerdem vor, nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben, um das Spiel fortzusetzen. Nicht nur Sajid der die Entscheidung als einen "Skandal" bezeichnet ist enttäuscht. "Ich hätte mir ein anderes Urteil gewünscht. Für mich waren alleine die rassistischen Beleidigungen Grund genug, das Spiel abzubrechen“, äußerte Manfred Schätzle, Schiedsrichterobmann im Südbadischen Fußballverband. Der Verband verneinte dies und argumentierte "Natürlich sind solche Beschimpfungen sehr bedauerlich. Aber man kann doch bei einer Beleidigung nicht sofort das Spiel abbrechen, unabhängig davon, ob sie rassistisch war oder nicht". Der Verband scheint von seinem Schiedsrichter zu erwarten, dass er sich rassistische beleidigen lässt und trotzdem das Spiel mit voller Konzentration zu Ende leitet.

"Vorbilder" aus dem Profisport

Im Mai 2010 ermittelte das DFB-Sportgericht gegen den Dortmunder Torhüter Roman Weidenfeller. Im Ruhrpottderby soll er den Schalker Stürmer Gerald Asamoah als "schwarzes Schwein"  beleidigt haben. Ihm drohten bis zu 6 Spiele Sperre. In der Verhandlung bestritt der Dortmunder Schlussmann dies allerdings und gab an, Asamoah "schwules Schwein" genannt zu haben. Der DFB sprach Weidenfeller von Rassismus frei und sperrte ihn wegen der  Beleidigung für drei Spiele. Borussia Dortmund blies mit einer Pressemitteilung ins gleiche Horn. Der Dortmunder Sportdirektor Michael Zorc ergänzte in der Süddeutschen: "Es handelt sich ausschließlich um Beleidigungen, die Roman Weidenfeller eingestanden hat.'' Während eine rassistische Beleidigung korrekterweise eine länger Sperre nach sich gezogen hätte, scheinen sich DFB-Sportgericht und auch der BVB einig zu sein, dass homophobe Beleidigungen keine Besonderheit darstellen.

Den hohen Ansprüchen nicht gerecht

Sowohl beim DFB als auch bei den Landesverbänden gibt es inzwischen unmissverständliche Richtlinien zum Umgang mit Diskriminierung auf und neben dem Feld. Die Umsetzung fällt aber selbst im Profibereich schwer. So fallen jedes Wochenende Fangruppen in den Bundesligen durch sexistische und homophobe Spruchbänder und Gesänge auf und nur sehr selten kommt es zu einer Bestrafung der jeweiligen Vereine.

Die Umsetzung der hochgesteckten Ziele ist im Amateurbereich noch weitaus schwieriger. Dort wo nicht Tausende jedes Spiel verfolgen, analysieren und kommentieren, wird der Kampf gegen Diskriminierung in den meisten Fällen allein den Schiedsrichter*innen überlassen. Der Fall von Khalid Sajid zeigt jedoch, dass die Schiedsrichter*innen selbst bei einer mehr als eindeutigen Sachlage nicht zwangsläufig mit Rückendeckung durch den Verband rechnen können.

 

Mehr dazu im Netz:

DFB-Projekte:  "Vielfalt und Diskriminierung"

DFB-Leitfaden: "Spielabbruch"

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