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Zahlen des “Eco”-Bundesverband: Steigerung rassistischer Meldungen um 120 Prozent

Seit 1995 gibt es den Verband der Internetwirtschaft in Deutschland. Bei einer Beschwerdestelle können Nutzer_innen, aber auch Firmen oder Institutionen  rechtswidrige Inhalte in sozialen Medien, aber auch im Rest des Internets melden. Der Jahresbericht 2017 zeigt, dass das Bewusstsein für Rassismus gewachsen ist, aber auch, seine Bekämpfung mit technischen und juristischen Mitteln schwer ist.

Von Stefan Lauer

Eco, den Verband der Internetwirtschaft in Deutschland gibt es seit 1995. Bezeichnend für die Herausforderungen, die das Medium auch noch heute mit sich bringt, gründete der Verein schon 1996 die "eco Beschwerdestelle für rechtswidrige Internetinhalte". Dort können Privatpersonen, Institutionen und Firmen Beschwerden über Vorfälle in allen möglichen Onlinediensten einreichen, also bei sozialen Medien, über Mails, Chats, Foren oder auch Filesharingdienste.

Der Verband ist zwar zentral für die Wirtschaft in Deutschland und hat unter anderem einen Sitz bei ICANN, einem internationalen Verband, der für die Vergabe von Namen und IP-Adressem in Internet zuständig ist, die "eco Beschwerdestelle" wird aber tendenziell eher von Spezialist_innen genutzt. Auch deswegen ist ihr Jahresbericht (PDF) besonders aussagekräftig.

Für 2017 betont die Beschwerdestelle dann auch besonders den Bereich Rassismus. Leiterin Alexandra Koch-Skiba dazu: "Wir haben hohe Zuwachsraten bei Beschwerden aus dem Bereich Ras­sismus festgestellt – im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der erhaltenen Beschwerden um über 120 Prozent angestiegen."

Von allen Beschwerden macht "Hate Speech", nach Definition von eco ist damit vor allem Rassismus gemeint, etwa vier Prozent aus. In Zahlen waren es 157 begründete Fälle. Diese betreffen allerdings nur juristisch eindeutige Sachverhalte, also Volksverhetzung, Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, das Verwenden ihrer Kennzeichen, Verunglimpfungen des Staates und Beschimpfung religiöser Bekenntnisse. 88 Fälle von Volksverhetzung wurden gezählt und 65 von verfassungswidriger Propaganda und ihren Kennzeichen. Aufgeschlüsselt nach Diensten hat dabei Twitter den traurigen Spitzenplatz. Hier gab es mit Abstand die meisten Verstöße. Eine Tendenz, die sich schon länger andeutet. Twitter hatte eine größere Niederlassung in Berlin schon 2016 geschlossen und, wie Recherchen von "t3n News" erst kürzlich zeigten, aktuell für Deutschland kein nachhaltiges Konzept, um "Fake News" und rechtspopulistischer Propaganda etwas entgegenzusetzen.

Insgesamt wurde bei eco weit mehr gemeldet als die 157 begründeten Fälle. Diese machen nur 24 Prozent an den Gesamtmeldungen aus. 76 Prozent der Meldungen waren unbegründet, wurden also von Rechstanwält_innen als nicht justiziabel bewertet.

Gerade deswegen sind diese Zahlen aber interessant, weil sie ein Schlaglicht auf eine Grauzone werfen. Offenbar gibt es eine Sensibilisierung für rassistische Aussagen, die aber unter Umständen von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, gegen die man also juristisch nichts unternehmen kann.

Wissenschaftler_innen und Internetaktivist_innen haben dafür das Konzept der "Dangerous Speech" entwickelt. Im Gegensatz zur "Hate Speech", bei der man – trotz einer weiterhin fehlenden verbindlichen Definition – eher davon ausgeht, dass sie strafrechtlich relevant ist, ist "Dangerous Speech" von der Meinungsfreiheit gedeckt. Trotzdem werden so Rassismus, Antisemitismus und andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit verbreitet.  Hier sind Bildungsinstitutionen und Medien am Zug. Statt Meinungsfreiheit einzuschränken, müssen Gesellschaften dafür sensibilisiert werden, dass Sprache unter Umständen gefährlich sein kann. Nutzer_innen, egal ob on- oder offline, müssen verstehen, dass Worte verletzen oder gar ein Klima schaffen können, bei dem aus Worten Taten werden.

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