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Studie: Mehr Hasskommentare führen zu mehr Gewalt

In den sozialen Netzwerken entstehen Filterblasen. In denen bestärken sich viele Wutbürger_innen gegenseitig in ihrer Weltsicht, da sie dort meist nur von Gleichgesinnten umgeben sind. Sie kommentieren, teilen und liken menschenverachtend, offen rassistisch und oft strafrechtlich relevant. Zum Glück nur Internet – oder führen die Aufrufe zur Gewalt, Freude über den Tod von Menschen und Verachtung für Minderheiten zu einer beschleunigten Radikalisierung der Gesellschaft? Sind sie gar gleichbedeutend zu realen Ereignissen? In einer Studie unter dem Titel “Fanning the Flames of Hate: Social Media and Hate Crime” analysieren Karsten Müller und Carlo Schwarz von der University of Warwick die Verbindung von Hasskommentaren auf der Facebook-Seite der Alternative für Deutschland (AfD) und Übergriffen auf Flüchtlinge in Deutschland.

 

Von Marvin Bernhardt

 

Mit aktuell 383.698 „gefällt mir“ Angaben (Stand vom 12.12.2017) hat die AfD die meisten Follower aller deutschen Parteien. Im Vergleich: Die Parteien CSU, SPD und CDU haben mit 201.227,  183.994 bzw. 172.425 Likes eine deutlich geringere Reichweite auf Facebook. Ein Alleinstellungsmerkmal der AfD-Facebook-Seite ist zudem, dass Facebook-User im “Community”-Bereich der Facebook-Seite eigenständige Artikel, Kommentare oder Bilder auf der Seite posten können. Aus diesem Umstand erklärt sich die vergleichsweise hohe Anzahl an Post und Kommentaren auf der AfD-Facebook-Seite.

 

Fanning the Flames of Hate: Social Media and Hate Crime

 

Der Untersuchungszeitraum von Karsten Müller und Carlo Schwarz betrug  111 Wochen, vom ersten Januar 2015 bis zum 13 Februar 2017. Dieser Zeitraum ist von besonderem Interesse, da er den Anfang und den Höhepunkt der Fluchtbewegungen aufgrund des Krieges in Syrien  beinhaltet. Insgesamt wurden 176.153 Posts, 290.854 Kommentare, 510.268 Likes und 93.806 User-IDs verwertet. Die nötigen Informationen zu den registrierten Angriffen auf Geflüchtete wurden von der Amadeu Antonio Stiftung und PRO Asyl zur Verfügung gestellt. Die finalen Paneldaten der Studie sind in 4466 deutsche Gemeinden unterteilt. Ausschlaggebend für die Wahl der AfD-Facebook-Seite ist der Umstand, dass die AfD die höchste Anzahl an Facebook-Followern aller rechten Parteien und Organisationen hat und sich selbst als stärkste „Anti-Flüchtlings-Stimme“ betrachtet. Daher ist die Facebook Seite der AfD wohl die wichtigste Austauschplattform für die rechten Nutzer von sozialen Medien in Deutschland. Als Vergleichsvariable wurden die Facebook-Seite von Nutella auf der Grundlage der Gesamtzahl der Follower ausgewählt.

 

Ergebnisse der Studie

 

Die Studie versucht, empirisch zu belegen, dass es eine Verbindung zwischen Hasskommentaren auf der Facebook-Seite der AfD und Übergriffen auf Geflüchtete gibt.

  • Der Zusammenhang zwischen lokaler Facebook-Nutzung und deutschlandweiten Flüchtlingsposts ist positiv und höchst signifikant. Das heißt: Die Posts auf der AfD-Seite nehmen Einfluss auf die Wahrnehmung vor Ort, nicht etwa die generellen Medienberichterstattung über Geflüchtete. Post zum Flüchtlingsthema auf den  Facebook-Seiten aller anderen großen Parteien haben keinen solchen Einfluss.

  • In Gemeinden, wo es viele sehr aktive Nutzer_innen der AfD-Facebook-Seite gibt, gibt es viermal mehr Angriffe auf Geflüchtete als in Gemeinden ohne intensive Nutzung der AfD-Facebook-Seite.

  • Wenn es auf der AfD-Facebook-Seite viele flüchtlingsfeindliche Postings gibt, lässt sich ein Zusammenhang erkennen mit der Zahl der Gewalttaten vor Ort. Wenn es mehr flüchtlingsfeindliche Postings gibt, steigt die Zahl der Brandstiftungen, Übergriffe und Sachschäden. Diesen Zusammenhang gibt es nicht in Bezug auf Demonstrationen (also, es gibt nicht mehr Demonstrationen, wenn es mehr flüchtlingsfeindliche Postings gibt).

  • In den Gemeinden ohne Nutzer_innen der AfD-Facebook-Seite kommt es zu signifikant weniger Angriffen auf Menschen mit Fluchterfahrungen.

  • Alarmierend sind die Ergebnisse auch innerhalb derselben Gemeinde. In Wochen, in denen besonders viele Hasskommentare auf der AfD-Facebook-Seite gepostet werden, kommt es vermehrt zu Angriffen auf Geflüchtete. Den gleichen Effekt hat es, wenn es unter den Nutzer_innen der AfD-Facebook-Seite, die in einer Gemeinden wohnen, zu einem besonders regem Austausch in Form von Likes oder Kommentaren auf der AfD-Seite kommt.

  • Auch die Intensität der Online-Aktivitäten der einzelnen Facebook-User_innen nimmt Einfluss auf die Zahl der Angriffe. Unter Verwendung von alternativen Maßen für die Facebook-Nutzung in einer Gemeinde kann ausgeschlossen werden, dass diese Effekte alleine durch lokales rechtsradikales Gedankengut getrieben sind. Die Ergebnisse deuten eher darauf hin, dass sich die Wahrscheinlichkeit von Angriffen erhöht, wenn Menschen vielen Hasskommentaren auf Facebook ausgesetzt sind.

  • Internet-Ausfälle in einer Gemeinde schwächen den Effekt zwischen Hasskommentaren und Übergriffen auf Flüchtlinge deutlich ab, da diese zumindest einige Facebook-Nutzer_innen temporär von Online-Kommentaren abschneiden.

  • Ebenfalls haben Posts auf Facebook einen deutlich geringeren Effekt, wenn andere Nachrichten die Medienaufmerksamkeit auf sich ziehen. Zu erkennen war dieser Effekt insbesondere in der Zeit um den Brexit, während des  Amerikanischen Präsidentschaftswahls oder während großer Sportereignisse wie die Fußball-Europameisterschaft 2016.

  • Die Studie erlaubt es sich zudem, als Gedankenspiel zu schützen,wie vielen Angriffen es im Untersuchungszeitraum gegeben hätte, wenn wir in einer kontrafaktischen Welt ohne rechte Hasskommentare gelebt hätten. Die Berechnung ist leider nicht vielmehr als eine symbolische Zahl. Auf der Grundlage von 0 Hasskommentare auf der AfD-Facebook-Seite, wäre es zu 13% bzw. 437 Angriffen weniger gekommen.

 

Insgesamt sind die Ergebnisse ein Indiz dafür, dass eine starke Verbindung zwischen Hasskommentaren auf der Facebook-Seite der AfD und rassistischen Übergriffen besteht. Zusätzlich hat die Studie den Twitter-Feed von Donald Trump analysiert und konnte zeigen, dass es einen starken Zusammenhang zwischen „Hate Crimes“ gegen Moslems und Amerikaner lateinamerikanischer Abstammung und Trumps wöchentlichen Tweets in Bezug auf ebene jene Minderheiten gibt.  Zudem fand sich keine Korrelation zwischen Trumps Tweets und Angriffen auf andere Minderheiten, die nicht in seinen Tweets erwähnt werden.

Der Hass und die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit der Nutzer_innen, unterstützt von den Mechanismen von Twitter, Facebook und Co., schaffen es somit, entscheidend dazu beizutragen, das aus Posts, Kommentaren oder Hashtags Brandsätze oder Übergriffe werden. Je mehr sich Hate Speech in der digitalen Öffentlichkeit verbreiten kann, desto mehr spielt das nicht nur rechten Populisten in die Hände, sondern führt auch zu Aktionen vor Ort. Vieles deutet darauf hin, dass es sich um einen spezifischen Effekt rechtsgerichteter Aktivität in sozialen Netzwerken handelt, da die Untersuchung keinen gleichwertigen Effekt für Posts auf den Facebook-Seiten aller anderen großen Parteien finden konnte.

 

 

 

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