Selbstinszenierung des "Antikapitalistischen Kollektivs" am 1. Mai 2015 in Plauen.
recherche-nord

Sind das Antifas? Nein, das ist das rechtsextreme “Antikapitalistische Kollektiv”

Vorgeblich globalisierungskritisch, letztendlich jedoch nur plump antisemitisch, rassistisch und gewaltbereit: Der rechtsextreme “Schwarze Block” ist zurück und nennt sich nun “Antikapitalistisches Kollektiv” -  eine Weiterentwicklung der “Autonomen Nationalisten”.

 

Von Kira Ayyadi

Seit März 2015 ist ein neues, äußerst gewaltbereites Neonazi-Netzwerk in der Szene aktiv. Der Name dieser aggressiv auftretenden Gruppe: “Das Antikapitalistische Kollektiv” (AKK).

 

Torsten Hahnel von “Miteinander e.V.” erläuterte gegenüber Belltower.News, dass das AKK ein Versuch der Wiederbelebung der “Autonomen Nationalisten” (AN) sein soll, diese hatten vor ungefähr 10 Jahren für große Veränderungen in der militanten Neonazi-Szene gesorgt. Das Personenpotenzial des AKK wird auf etwa 200 Mitglieder bundesweit geschätzt.

 

Wenn Neonazis den “Schwarzen Block” imitieren

Das “Antikapitalistische Kollektiv” trat erstmals am 18. März 2015 anlässlich der Neueröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main in Erscheinung. Die Ankündigung, sich an den Aktionen des linken Bündnisses “Blockupy” zu beteiligen, sorgte im Vorfeld für Aufregung.  

 

Seither versucht das AKK bei Neonazi-Aufmärschen den “Schwarzen Block” der linken Autonomen nachzuahmen. Dabei übernehmen sie für ihre Transparente Motive aus der linken Szene und fügen rechtsextreme Parolen hinzu, sind in schwarzer Kleidung vermummt und spannen Regenschirme zum Sichtschutz auf. So soll Geschlossenheit und Stärke suggeriert werden. Auf Neonazi-Aufmärschen kommt es aus diesem “Schwarzen Block” heraus immer wieder zu extrem gewalttätigen Angriffen auf Gegendemonstrant_innen und Polizeibeamt_innen.

 

Das AKK übernimmt Symbolde der Autonomen. (Quelle: recherche-nord)

 

Um ihr Auftreten zu professionalisieren, fand im Sommer 2016 in Baden-Württemberg ein Zeltlager statt, bei dem Teilnehmer unter anderem den Umgang mit Pfefferspray und das Verhalten bei Festnahmen und Hausdurchsuchungen übten.

 

Torsten Hahnel erklärt, dass die einzelnen Gruppen in der Peripherie im Westen entstanden sind. Denn hier brauchten Rechtsextreme andere Strategien als im Osten, wo Neonazis mit ihrem ganzen Habitus relativ ungehindert öffentlich in Erscheinung treten können. Dennoch, so Hahnel, ist auch im Osten zu beobachten, wie attraktiv die neue "Hülle" des AKK erscheint, was dazu führt, dass auch im Osten zunehmend Kameradschaftsstrukturen in “Kollektiv” umbenannt werden und somit formell Teil der neuen aktionistischen Strukturen der AKK sein wollen. 

 

Das Selbstverständnis des AKK

Das “Antikapitalistische Kollektiv” bezeichnet sich selbst als Sammelbecken für verschiedene rechtsextreme Gruppierungen und Einzelpersonen. Es will die Vernetzung innerhalb der rechtsextremen Szene voranbringen. Dafür genügt ihnen ein Minimalkonsens der Mitglieder, der durch die Fokussierung auf vorgeblich antikapitalistische, globalisierungskritische Forderungen letztlich nur antisemitische und antiamerikanische Ideologieelemente bedient, wie sie in der Neonazi-Szene flächendeckend vertreten werden.

 

Die Beziehung zur Politik

Das AKK sieht sich selber als außerparlamentarische Opposition an, die für den Kampf auf der Straße zuständig ist. Dabei will das AKK nach außen hin weder “links” noch “rechts” verortet werden. Auf ihrer Internetseite beschreibt das AKK ihre Aufgabe wie folgt:

“Während parlamentarische Arbeit dank vorhandener Parteien möglich ist, unterstützt das AKK aktiv die Aktionsgruppen und -formen welche sich außerhalb der Parlamente abspielen.”

 

Die völkische Kapitalismuskritik des AKK

Die Ideologie des AKK fußt auf vier Grundthesen gegen den globalisierten Kapitalismus, dem ein nationaler Sozialismus entgegen gestellt wird (im Original: “Nur der Sozialismus innerhalb dieser Nation kann gerecht und nachhaltig sein.”)   Bereits die Verwendung der Begriffe des AKK deutet auf die nationalsozialistische Fundierung der Gruppierung hin. Die Idee, Kapitalismuskritik als Verbindung zu anderen Jugendkulturen zu nutzen, aber sie dabei völkisch und antisemitisch aufzuladen, haben erstmals die “Autonomen Nationalisten” in die rechtsextreme Szene eingebracht (vgl. BTN: Antikapitalismus).

 

Wenn Rechtsextreme linke Ausdrucksformen okkupieren

Wenn Neonazis ankündigen, “gegen Kapitalismus und Ausbeutung” demonstrieren zu wollen, sorgt dies immer wieder für Irritationen. Ihre Rhetorik erinnert dabei an die politische Linke und auch das Thema ist eigentlich ein “linkes”. Allerdings gibt es bei den Rechtsextremen eine lange Tradition der Rezeption bestimmter kapitalistischer Phänomene. Dabei wird unter Begriffen wie “Ausbeutung” und “Kapitalismus” gemeinhin nicht dasselbe verstanden wie beispielsweise bei den Gewerkschaften.

Einen großen Unterschied gibt es in den Prinzipien der Kapitalismuskritik zu den politischen Linken. Denn in der nationalistischen Kritik wird das Wirtschaften nicht kritisiert, solange es im nationalen Rahmen stattfindet.

 

Noch vor einigen Jahren hätten Neonazis nicht daran gedacht Regenschirme auf Demonstrationen mitzunehmen. (Quelle: recherche-nord)

 

Wenn völkische Antikapitalisten vom Kapitalismus reden, meinen sie einen Manipulationszusammenhang von internationalen Akteuren und einer wirtschaftlichen Elite. Im Fokus stehen hier die „Strippenzieher“ aus den USA und Israel – wobei man dann spätestens jetzt im Feld der Verschwörungsideologie und des Antisemitismus landet.

 

Das “Antikapitalistische Kollektiv” versucht, den 1. Mai zu besetzen

Wegen der vorgeschobenen Kapitalismuskritik versuchte das “Antikapitalistische Kollektiv” in den vergangenen Jahren, den 1. Mai, den Tag der Arbeit, für sich einzunehmen.  

 

Während der 1. Mai Demo 2016 in Plauen sind rund 200 Neonazis im “Schwarzen Block” aufgetreten, der durch „AKK“-Transparente als Formation erkennbar war. Aus der Gruppe heraus kam es zu einem “massiven Gewaltausbruch”, der sich gegen Gegendemonstrant_innen und Polizisten richtete. Bei dieser, sowie bei der Demo ein Jahr zuvor in Saalfeld, trat das Kollektiv als einigermaßen geschlossener Block auf. 2017 mobilisierte das AKK zu einer großen 1. Mai-Demo in Halle (Saale) die allerdings kläglich scheiterte.

 

Die Neonazi-Szene bröckelt – Dank der AfD

Torsten Hahnel vermutet, dass die Neonazi-Szene seit 2015 unter Zugzwang steht, denn durch die Etablierung der AfD ist rechtsextremes Gedankengut in Deutschland wieder salonfähig. Das führt allerdings dazu, dass der Zusammenhalt innerhalb der gewaltbereiten Neonazi-Szene bröckelt.

 

Große Zukunftsaussichten für das AKK sieht Torsten Hahnel nicht. Er meint: “Ich vermute, dass die ihren Zenit bereits überschritten haben.” Zudem verweist er auf den inneren Konflikt den das AKK hat und welchem auch die “Autonomen Nationalisten” anheimgefallen sind, nämlich dem Widerspruch zwischen Individuum und Kollektiv. Denn in einem nationalistischen Weltbild stößt der Autonomie-Gedanke unweigerlich an seine Grenzen. “Die sehen zwar aus wie Autonome, können das aber nicht umsetzten, weil sie Nazis sind.”

 

 

Bisher gibt es folgende Ableger:

·         Antikapitalistisches Kollektiv Franken & Bayern

·         Antikapitalistisches Kollektiv Baden-Württemberg

·         Antikapitalistisches Kollektiv Berlin-Brandenburg

·         Antikapitalistisches Kollektiv Nordrhein-Westfalen

·         Antikapitalistisches Kollektiv Hessen

·         Antikapitalistisches Kollektiv Thüringen

 

Einzelgruppen

·         Aktionsgruppe Nord-Ost

·         Autonome Nationalisten Berlin

·         Kollektiv 56 – Erfurt

·        Kollektiv Nordharz 

 

drucken