Das Land Bayern stufte kürzlich Fans von TSV 1860 München als linksextrem ein, weil sie rechte Fans und Neonazis mit "Nazis raus"-Rufen aus der Fankurve geschickt haben. Die bayrische Landtagsabgeordnete Katharina Schulze (Grüne) bewertet diesen Vorgang als hanebüchen und exemplarisch für die Relativierung rechter Gewalt durch die Staatsregierung. Sie findet es richtig, dass Fußballfans keine Nazis in der Kurve dulden wollen.
Das Interview führte Laura Piotrowski
FgN: Du hast im Landtag kürzlich eine Anfrage gestellt, weil ein Vorfall beim Spiel der 1860er als "linksextrem" eingestuft wird. Was genau ist damals passiert?
KS: Nunja, die Gemengelage im 60er Stadion ist bekannt, immer mal wieder sind Neonazis im Stadion. Bei dem Spiel im Juli 2013 waren auch Rechte vor Ort, unter ihnen ein bekannter Neonazi-Aktivist, Sven G. Einige 60er Fans haben die dann unsanft aus dem Stadion gedrängt und viele Fans haben dabei lautstark ihren Unmut darüber zum Ausdruck gebracht, unter anderem mit "Nazis raus" und "Ihr habt hier nichts zu suchen" Rufen. Ich finde es richtig, dass die Fans Zivilcourage zeigten und Rechte nicht in ihrem Block dulden wollten.
Krass finde ich jedoch jetzt, dass die Polizei den Vorfall als "linksextrem" einordnet und auf der Seite Bayern-gegen-Linksextremismus.de aufführt. Sven G. wird dabei als "rechter Fan" bezeichnet und seine Rolle hier klar relativiert. Es ist völlig unverhältnismäßig, wie die Staatsregierung diesen Vorfall bewertet und deshalb habe ich eine Anfrage im Landtag dazu gestellt, deren Antwort aber noch aussteht.
Warum wird Courage gegen Nazis beim Fußball Deines Erachtens nach von der Bayrischen Staatsregierung als "linksextrem" eingestuft?
Es ist bis über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt, dass die Staatsregierung rechte Gewalt immer wieder verharmlost. Wir haben dazu kürzlich anhand der Zahlen, die das Innenministerium zum Thema herausgibt einen Lagebericht rechtsextremer Straftaten erstellt und können damit zeigen, dass rechte Gewalt im letzten Jahr eklatant zugenommen hat. Die Staatsregierung ignoriert diesen Umstand und relativiert ihn dadurch, dass sie rechte und linke Gewalttaten gegeneinander aufwiegt und gleichsetzt. Es gibt diesen Impetus, die "Mitte" sei immer gut und alles was links und rechts daneben liegt ist gleich schlecht. Die Extremismustheorie, mit der hier gearbeitet wird, kritisieren wir als Grüne schon lange. Und aus dem ergibt sich das Grundproblem der bayrischen Sicherheitsbehörden, rechtsextreme Gewalt als das einzuordnen, was sie ist: eine Gefahr für die demokratische Gesellschaft. Es scheint, dass man in Bayern bei der Staatsregierung auf dem rechten Auge immer noch blind ist. Die Einordnung zivilcouragierter Fußballfans als "linksextrem" zeigt dabei die Haltung der CSU-Regierung und einen strukturellen Prozess, der rechte Gewalt verharmlost und die Realität dabei verkennt.
Wann entstand diese Seite "Bayern gegen Linksextremismus" und warum?
Wann genau kann ich nicht sagen, das war vor meiner Zeit als Landtagsabgeordnete – es gibt sie aber schon ein paar Jahre. Die Seite wurde vom bayrischen Verfassungsschutz in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit eingerichtet. Es gibt eine Seite gegen Links- und eine Seite gegen Rechtsextremismus. Die Seite ist also offiziell von der bayrischen Staatsregierung, umso fataler finde ich es, dass ein positiver Akt von Zivilcourage als "linksextrem" und damit undemokratisch gebrandmarkt wird. Ich will die Handgreiflichkeiten, zu denen es auch gekommen ist, nicht schön reden, die braucht es nicht! Aber die „Nazi raus“-Rufe so zu verurteilen ist schon ein starkes Stück. Diese Gleichsetzung von links- und rechts ist dabei das Grundproblem und passiert leider immer wieder.
Was verstehst Du eigentlich selbst unter "linksextrem"?
Die Extremismustheorie sehe ich sehr kritisch, weil unter dem Begriff „extremistisch“ jedeR etwas anderes verstehen kann und dieser vieldeutig ist. Ich verurteile jedoch jegliche Gewalt an Menschen und mutwillige Sachbeschädigung. Aber wenn Fußballfans ihre Stadien von Nazis frei halten wollen, dann werte ich das als Zivilcourage. Sonst müsste die Staatsregierung ja davon ausgehen, dass bei jeder Demonstration gegen Pegida oder gegen Naziaufmärsche nur Linksextreme wären, denn auch hier wird – zu Recht – laut "Nazis raus" gerufen.
Besonders traurig ist, dass sich auch nach der Selbstenttarnung des NSU in der Haltung der Staatsregierung nicht viel geändert hat: Fünf Menschen wurden allein in Bayern ermordet. Aus unserem Lagebericht geht hervor, dass sich die rechtsextreme Gewalt in Bayern sogar verstärkt hat. Und die Regierung verharmlost das weiter. Das zeigt sich auch darin, wie sie Ressourcen verteilt: Es fehlt an allen Ecken und Enden an Unterstützung und Geld für die Stärkung der Zivilgesellschaft und für Präventions- Deradikalisierungs- und Demokratiebildungsprojekten.
Als abschließende Frage: Wie ist Deine Einschätzung zu rechten Fans in den Münchner Fußballfanszenen?
Da muss man genau hinschauen. Es gibt rechte Fans, genau wie es in der Gesellschaft rechte Einstellungen gibt. Aber in den Fanszenen haben sich sehr gute Gegenbewegungen entwickelt, die teilweise großen Erfolg haben. Mich schmerzt es auch persönlich, dass es bei den Löwen immer noch Nazis gibt. Aber umso wichtiger sind die Initiativen, wie die Löwenfans gegen Rechts und andere Faninitiativen. Es ist immer eine gute Lösung, wenn der Widerstand aus den Vereinen und Fanszenen selbst kommt. Und diese Faninitiativen brauchen dann Anerkennung und Unterstützung, anstatt als "linksextrem" gebrandmarkt zu werden.
Mehr zu Bayern:
- "Bayern gegen Linksextremismus" (Fanzeit.de)
- "Löwenfans gegen Rechts" mit Bürgerpreis für Demokratie ausgezeichnet (Tz.de)
- Bayrisches Innenministerium verharmlost die Teilnahme rechter Hooligans bei PEGIDA. (Katharina-schulze.de)