Die Fans von Chemie Leipzig zeigten vor dem Spiel eine aufwendige Choreografie
Redaktion FGN

Fußball in Leipzig: Zwischen Tradition und Integration

Im Leipziger Stadtteil Leutzsch trafen am Samstag die beiden Vereine FC International und BSG Chemie aufeinander. Ein brisantes Duell, in dem es sportlich um den Aufstieg in die Oberliga und auf den Rängen um Vermarktung, Tradition und politische und soziales Engagement der Vereine ging.

Von Redaktion Fussball-gegen-Nazis.de

Die Ausgangslage vor dem Spiel konnte spannender nicht sein. Punktgleich und mit einer nahezu identischen Tordifferenz lag die BSG Chemie nur hauchdünn vor dem FC International auf dem zweiten Tabellenplatz, der für den Aufstieg reichen würde. Mit einem Sieg würde beiden Mannschaften am letzten Spieltag ein Unentschieden für den Aufstieg reichen. Aufgrund dieser Brisanz und der zu erwartenden hohen Menge an Zuschauern*innen, wurde das Spiel vom Mariannenpark (Heimstätte des FC International) in den Alfred-Kunze-Sportpark verlegt. Die Fans der BSG Chemie erlebten also ein Auswärtsspiel im heimischen Stadion. Um ihre Mannschaft auch optisch bestmöglich zu unterstützen verkauften die Chemieanhänger vor dem Spiel T-Shirts mit der Aufschrift: "Alles für die BSG Chemie" und organisierten eine aufwendige Choreografie, die sowohl Fans als auch Spieler der BSG auf einer großen Blockfahne zeigte.

Der FC International und die integrativen Ziele

Der FC International Leipzig wurde im August 2013 gegründet und startete, dank eines Zusammenschlusses mit dem insolventen SV See 90, direkt in der Sachsenliga, der sechsthöchsten Spielklasse. Der Verein steht also schon knapp 2 Jahre nach der Gründung vor dem möglichen Aufstieg in die Oberliga. "Unser Ziel ist es, das soziale und integrative Potenzial, über das der Mannschaftssport Fußball verfügt, ausgiebig zu nutzen." Schreibt der Verein auf der eigenen Homepage. Der Name International ist dabei nicht aus der Luft gegriffen, stehen doch im Kader der 1. Mannschaft Spieler mit zehn verschiedenen Nationalitäten. Kritik kommt von den Fans der BSG Chemie, die den FC International als reines Marketingkonstrukt sehen. Ob der Verein die hochgesteckten sozialen und integrativen Ziele, die er sich selbst setzt, erfüllen kann, wird die Zukunft zeigen. Unterstützens wert ist das Engagement des Vereins aber in jedem Fall.

90 hart umkämpfte Minuten

Die erste Halbzeit bot den Zuschauern nicht viel Sehenswertes. Die Spielweise beider Mannschaften war von der ersten Minute an sehr hart und so gerieten schon in der ersten Halbzeit mehrmals Spieler beider Mannschaften aneinander. Nach 45 Minuten hatte noch kein Team eine wirklich klare Torchance herausgespielt. So ging es bei schwülwarmem Wetter mit 0:0 in die Pause. Neben der obligatorischen Stadionwurst wurden auch vegetarische und vegane Speisen wie beispielsweise ein indisches Dal angeboten. Beide Mannschaften kamen wesentlich motivierter aus der Kabine und das Spiel entwickelte sich in der zweiten Halbzeit zu einem offenen Schlagabtausch. Mit steigender Spieldauer erspielten beide Mannschaften immer mehr Torchancen und die Stimmung auf den Rängen wurde immer ausgelassener. In den letzten zehn Minuten bekamen die Zuschauer*innen eine Torchance nach der anderen zu sehen, jubeln konnte am Ende aber keiner. Es blieb bei einem für beide Seiten enttäuschenden 0:0 und die Entscheidung um den Aufstieg wurde auf das Fernduell am letzten Spieltag verschoben. Im Laufe der zweiten Halbzeit zeigten die Chemie-Fans außerdem zwei Spruchbänder gegen den FC International ("Ballert die Einhörner zurück ins Reich der Fabelwesen") und den Sächsischen Fußballverband (Schein auf Schein, Hand auf Hand - Inter und der Sächsiche Fußballverband"), mit denen sie eine angebliche Bevorteilung des FC Inter durch den Verband anprangerten.

Die Haupttribüne des Alfred-Kunze-Sportparks (Quelle: Redaktion FGN)

Fans gründeten BSG Chemie neu

Nachdem 1990 die BSG Chemie Leipzig zugunsten eines Startplatzes in der DDR-Oberliga mit dem FSV Bohlen zum FC Sachsen Leipzig fusionierte entfernte sich der Verein im Laufe der 1990er Jahre immer mehr von seinen Fans. 1997 kam es zum Bruch und verschiedenen Fangruppen und Einzelpersonen gründeten die BSG Chemie Leipzig neu. In ihrem Leitbild schreiben sie: "Wir sehen uns als legitimer Nachfolger des Arbeitersportvereins BSG Chemie Leipzig aus Leipzig-Leutzsch, dessen fußballerische Erfolge und einzigartige Atmosphäre auf und um den Fußballplatz bis heute, und über Leipzig hinaus unvergessen sind." Außerdem bekennt sich die BSG in ihrem Leitbild klar zu ihren Fans: " Die Chemie-Fans sind das große Pfund unseres Vereins. Sie stehen zum Verein und der Verein steht zu ihnen. Sie machen mit ihren kreativen Aktionen jedes Spiel zu einem Fußballfest. Chemie-Fans stehen für Gewaltlosigkeit und Antirassismus". Die verschiedenen Fangruppen von Chemie setzten sich zudem seit Jahren für Flüchtlinge und gegen Rassismus ein und haben dafür den Sächsischen Förderpreis für Demokratie erhalten.

Wer bekommt ein Stück vom Kuchen?

Hinter RasenBallsport Leipzig, die sportlich inzwischen die klare Nummer eins sind,, geht der Kampf um Vormachtstellung im Leipziger Fußball weiter. Mit dem FC International versucht nun ein weiterer Verein die Leipziger Bürger*innen für sich zu begeistern. Die beiden ewigen Rivalen Lok und Chemie haben es in den letzten 20 Jahren nicht geschafft an den ehemaligen sportlichen Erfolg aus DDR-Zeiten anzuknüpfen. Besonders Lok Leipzig stehen auch immer wieder die eigenen Fans im Weg. So ist ein Teil der Lok-Fans in der "Legion Germania", einem Zusammenschluss von rechtsradikalen Fans von Lok Leipzig, BFC Dynamo Berlin und Lazio Rom organisiert. Außerdem fallen die Anhänger von Lok immer wieder, zuletzt am vergangenen Wochenende, durch Ausschreitungen auf. In der nächsten Saison wird entweder die BSG Chemie oder der FC International in die Oberliga aufsteigen und damit zum FC Lok aufschließen. Wer sich langfristig hinter RB im Leipziger Fußball durchsetzen kann ist also offen. Es bleibt zu hoffen, dass gewisse Teile des Lok-Anhangs nicht dazu gehören.

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