Die erste Herrenmannschaft von Tennis Borussia Berlin spielt derzeit in der Berlin Liga, trotzdem hat der Verein eine vergleichsweise große und politisch aktive Fanszene.
flickr.com // cc // FARE

Über den Tellerrand geschaut: Aktiv gegen Hass im Amateurfußball

Der Fokus von Fussball-gegen-Nazis.de liegt auf den Vereinen des professionellen Männerfußballs. Dabei verlagern sich Probleme mit Diskriminierung und Neonazis zunehmend in die Amateurligen, wie rassistische Ausschreitungen in Pfullendorf oder der 1. FC Ostelbien Dornburg und seine rechten Mitspieler zeigen. Wir haben genauer hingeschaut und in den Amateurligen fortschrittliche Initiativen gefunden, an denen sich die Profivereine ein Vorbild nehmen könnten.

Von Laura Piotrowski

"Marllex Abdulai für drei Monate gesperrt" titelte Fanreport vergangene Woche. Abdulai ist ein Spieler beim FC Pfullendorf der von einem Spieler des FC Singen erst rassistisch beleidigt und dann mit der Faust ins Gesicht geschlagen wurde. Warum wurde dann Abdulai gesperrt? Weil er sich verteidigte und den Provokateur vom FC Singen zurück schlug. Der Trainer vom FC Pfullendorf brach daraufhin das Testspiel in Regionalliga Südwest ab. Alle beteiligten erhielten empfindliche Strafen: der rassistische Angreifer vom FC Singen und Abdulai der beleidigt und angegriffen wurde erhielten jeweils Spielverbote und der Trainer, der unter diesen tumultartigen Bedingungen kein Spiel laufen lassen wollte, soll eine Geldstrafe zahlen. Was sich wie eine Provinzposse liest, ist leider traurige Realität im Amateurfußball.

Simon Kirsch hat beim SV Linden 07 in Hannovers Kreisliga eine aktive Fankurve mit aufgebaut, vorher hatte er mehrere Jahre diverse Fußballspiele in ganz Deutschland (sog. Groundhopping) besucht. Er sagt, dass rassistische und antisemitische Beleidigungen im Amateurfußball traurige Realität sind. Dabei sind das Problem nicht unbedingt die Fans, vielmehr herrscht unter den Spielerinnen und Spielern ein rauer bis gewaltvoller Ton. Auch Fussball-gegen-Nazis.de konzentriert sich in seiner Berichterstattung auf den professionellen Männerfußball. Dabei liegen die Probleme genauso im Amateur- und Jugendbereich. Von Seiten der Fußballlandesverbände wird häufig eine zunehmende Gewalt Freizeitfußball beklagt, auch Diskriminierung und Hass werden thematisiert, erlangen aber selten eine bundesweite Berichterstattung oder Brisanz.

SV Linden 07 – Linke Fans beim CDU Verein

Dabei gibt es zahlreiche engagierte Fans, Spieler*innen und Trainer*innen, die das nicht hinnehmen wollen. Dazu gehören die Fans vom SV Linden 07 aus Hannover. Viele von ihnen sind lange Zeit zu Hannover´96 gegangen. Aus verschiedenen Gründen haben sie die Kurve da verlassen und gehen jetzt zu dem Verein in ihrem Stadtteil. Inzwischen hat sich beim Kreisligisten Linden 07 eine Kurve mit 20 bis 50 aktiven Unterstützer*innen gesammelt, die Heim- und Auswärtsspiele begleiten. "Wir haben recht schnell angefangen, uns auch politisch zu positionieren, mit Liedern oder Spruchbändern gegen Antisemitismus und andere Formen der Diskriminierung. Die Vereinsführung fand das anfangs etwas komisch, die sind alle bei der CDU organisiert. Aber eigentlich freuen sie sich, dass es Fans gibt und haben sich an uns gewöhnt", erzählt Kirsch aus dem Alltag eines linken Kreisligafans. Kontakte hat die Gruppe in einige andere Städte aufgebaut. Überall in der Republik gibt es antirassistische Fangruppen im Amateursport.

Altona´93 – Keine Ultras aber aktive Fans

"Ehrlicher Fußball aus Altona" lautet das Motto des Oberligisten aus Hamburg. Der Fußballverein besteht seit 1893 und hat trotz Amateurligadasein eine Fanszene, die inhaltlich an Sankt Pauli erinnert, ohne sich an den Grenzen der Ultra-Kultur aufzuhalten. Zuletzt hatten Altona Fans vor Gericht gestanden, weil sie stadtbekannten Neonazis den Aufenthalt im Fußballstadion verwehrten. (Fussball-gegen-Nazis.de berichtete) Nach zwei Prozesstagen wurden sie von den Vorwürfen freigesprochen, die Geschädigten selbst waren nicht mehr als Zeugen erschienen.

Die Fanszene hat sich an der Kampagne "Fußballfans gegen Homophobie" beteiligt und die offizielle Fanabteilung ist Mitglied beim "Bündnis aktiver Fußballfans" (B.A.F.F.). In dem Bündnis setzen sich seit Jahren Fans vereinsübergreifend gegen Nazis, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung im Fußball ein. Seit 2014 ist der Verein offiziell ein "Stützpunktverein Integration" und engagiert sich im Rahmen der Integrationspolitik des Deutschen Olympischen Sportbundes langfristig für die Inklusion von Menschen mit Behinderung oder mit Migrationshintergrund ein. Dazu hat Altona´93 einen Integrationsbeauftragten, der auch selbst eine Jugendmannschaft trainiert. "Der Einbezug aller Menschen und Gruppierungen in das Vereinsleben ist die Basis für gute gemeinschaftliche Zusammenarbeit", schreiben die Verantwortlichen auf der Vereinsseite.

Tennis Borussia Berlin – Zuschauerrekorde in der Berlin Liga

Lila-weiß sind die Vereinsfarben des Berliner Vereins, dessen erste Herrenmannschaft in der Berlin Liga spielt. Im Vergleich mit anderen Vereinen der Liga hat TeBe eine große Fanszene, im Schnitt besuchen 400 Menschen die Spiele der Lila-weißen. Anfeindungen gibt es zahlreiche. Die Fanszene gilt als links und sah sich gleichzeitig immer wieder homophoben Beleidigungen aufgrund der Vereinsfarben, aber auch antisemitischen Schmähungen aufgrund der Vereinsgeschichte, ausgesetzt. Als Reaktion auf diese Erfahrung behandelte die Fanszene diese Thematiken sehr intensiv und engagierte sich beispielsweise schon früh gegen Homophobie. "In der Saison 2000/2001 setzten wir uns geschminkt, in Frauenkleider gehüllt und mit Handtäschchen ausgerüstet in den Zug nach Cottbus zum Auswärtsspiel. Das war ein Spaß", erklärte Christian Rudolph gegenüber Fussball-gegen-Nazis.de vor zwei Jahren. Er ist einer der Gründer der Kampagne "Fußballfans gegen Homophobie", die seit 2011 auch von Fans des Berliner Ligisten getragen wird, aber Vereins- und Länderübergreifend aktiv ist. Darüber hinaus ist die Fanszene mit zahlreichen politischen Aktionen präsent, engagiert sich für Flüchtlinge oder positioniert sich öffentlich gegen Antisemitismus im Fußball. Es kommt zwar immer wieder vor, dass die aktiven Fans der Lila-weißen von Neonazis angegriffen werden, wie zuletzt im Oktober 2014. Davon lassen sie sich aber nicht entmutigen und bringen weiter linke Politik ins Fußballstadion. Zum "TeBe-Spirit" gehört für den Verein aus Berlin-Charlottenburg auch ein bewusster Umgang mit der jüdischen Tradition des Vereins und ein aktives Vorgehen gegen antisemitische, rassistische sowie homophobe Tendenzen auf den Rängen. Gerade in diesem Punkt erhält die Fanszene vom Verein volle Unterstützung.

"4 Schrauben für Zivilcourage" – Fußballvereine gegen Rechts

2001 kam es bei einem C-Jugendspiel in Düren zu Szenen des Hasses gegen migrantische Spieler, die von rechtsradikalen Jugendliche beleidigt und bedroht wurden. Der Vater eines anderen Jugendspielers wollte diese Situation nicht weiter hinnehmen und gründete die Initiative "Fußballvereine gegen Rechts". "Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, durch öffentliche Auftritte und Aktionen auf den Fußballplätzen in ganz Deutschland das Miteinander und den Respekt im Fußballsport zu fördern, Gewalt und Rassismus von den Sportstätten und aus den Köpfen zu verbannen", schreibt er auf seiner Website. 2008 wurde die Initiative vom DFB mit dem Julius Hirsch Preis ausgezeichnet, mit dem jedes Jahr herausragendes Engagement gegen Antisemitismus und Rassismus im Fußball geehrt wird. Mit dem Preisgeld startete er die bekannteste Aktion: "4 Schrauben für Zivilcourage" bringt Schilder an den Vereinsheimen und Sportplätzen von Fußballvereinen an, auf diesen steht "Kein Platz für Rassismus und Gewalt". Die meisten Schilder werden bei Vereinen wie dem FC 08 Haßloch oder dem SV Esterwegen angebracht, über 100 wurden schon verteilt und wöchentlich kommen neue Vereine dazu. Zuletzt erhielt auch der Bundesligist SC Freiburg ein solches Schild.

Auch beim Sportclub Freiburg hängt seit kurzem das Schild gegen Rassismus und Gewalt. (Bildquelle: Fußballvereine gegen Rechts)

Satzungsänderung, um Neonazis auszuschließen

Wer sich sicher keins dieser Schilder ans Vereinsheim schrauben wird, ist ein kleiner Vereins aus dem Magdeburger Umland. Der 1. FC Ostelbien Dornburg spielt in der Kreisliga im Jerichower Land und wurde von rechten Hooligans des FC Magdeburg mit gegründet. Zuletzt kam der Verein bundesweit in die Schlagzeilen, weil rechte Hooligans erst bei einem Spiel in der Kreisliga, später in einer Magdeburger Diskothek, dann in der Innenstadt randaliert hatten und dabei auch rechtsextreme Parolen riefen sowie Hitlergrüße zeigten. Der Journalist Christoph Richter beobachtet den FC Ostelbien und seine Mitglieder schon länger und berichtete mehrfach über deren rechte Umtriebe.

Um Nazis aus den Vereinen auszuschließen, empfiehlt Angelika Ribler von der Sportjugend Hessen eine Satzungsänderung. Ludwig Haas vom Gräfenberger Sportbündnis hat damit gute Erfahrungen. "Rechtsextreme Personen und Gruppierungen haben schon seit Langem den Sport im Visier. Vereinzelt agieren sie als Trainer, Betreuer oder Zuschauer, sie wissen, dass Kinder und Jugendliche hier unverfänglich ansprechbar sind", erklärt Haas. Um solche "Störenfriede", wie Haas sie nennt, wieder los zu werden, ist es wichtig, dass in der Satzung rechtsextreme, rassistische und anders diskriminierende Handlungen und Haltungen als Ausschlussgrund festgelegt werden. Er rät aber auch, vor der Aufnahme von Bewerber*innen im Internet zu recherchieren, ob die Person schon als Rechtsextremist*in in Erscheinung getreten ist – und sie oder ihn dann gar nicht erst aufzunehmen. Im Gräfenberger Sportbündnis sind neun Fußballclubs Mitglied und alle neun sprechen sich mit einem Banner auf ihrem Sportplatz für Fairness, Respekt und Toleranz aus. Das Bündnis wurde 2011 ebenso mit dem Julius-Hirsch-Preis ausgezeichnet.

 

Mehr im Internet:

Rechtsextremismus im Deutschen Amateurfußball - was tun? (Fussball-gegen-nazis.de)

Offizielle Homepage der "Fußballvereine gegen Rechts" und der offizielle Facebook-Auftritt

Gräfenberger Sportbündnis – Interessengemeinschaft Fairness, Respekt und Toleranz im Sport Gräfenberg und Umgebung (offizielle Homepage)

Roter Stern Leipzig: more than soccer (offizielle Hompage)

drucken