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Reagieren oder nicht reagieren? Das Problem mit der AfD

Nein, es steht uns keine Schicksalswahl bevor. Am 24. September wird der neue Bundestag gewählt und ja, die rechtspopulistische AfD ist eine Herausforderung. Vielleicht wird sie stärker, als es die Umfragen vermuten lassen, vielleicht wird sie schwächer. Ihre Provokationen und Selbstinszenierungen sind allseits bekannt, ihre Themen ebenfalls. Was diese Partei noch so zu bieten hat außer ihren aggressiven Obsessionen gegen Vielfalt in der Demokratie, wird man sehen.

Von Anetta Kahane

Im Grunde steht am Ende der politischen Visionen dieser Partei ein Land, das keiner mehr will: Frauen, die "Mäuschen" sind und am besten schwangere Bäuche haben, und Männer, die sie vor den "fremden Horden" verteidigen. Dazwischen ist Platz für viel heiße Luft und Phantasien über die Gleichschaltung aller Medien in ihrem Sinne. Man fragt sich, wer eine solche Partei ernsthaft zu wählen bereit ist. Offenbar ist in Deutschland viel Hass und Aggression unterwegs. Ja, auch das. Aber eben nicht nur. Was diese Populisten jedoch geschafft haben ist, dass wir ständig über sie reden. Auf diese Weise kriechen auch ihre toxischen Narrative in unseren Alltag. Diese sollen das Denken und die Perspektiven der Menschen vergiften, wenn es um Themen wie Asyl, Einwanderung, Menschenrechte und Emanzipation geht. Also genau die Themen, in denen die Gesellschaft, trotz aller Probleme, in den letzten 30 Jahren bereits enorme Fortschritte gemacht hat.

So. Wir reden schon wieder darüber. Aber wie sonst sollten wir darauf reagieren? Etwa nicht reagieren? So tun, als gäbe es das alles nicht? Nur noch über die schönen Dinge des Lebens sprechen? Was tun wir z.B. gegen islamistische Radikalisierungen? Überlassen wir dieses Thema den Populisten und Rassisten? Dass die Umfragewerte solcher Gruppierungen wie der AfD wieder steigen, liegt auch daran, dass solche Fragen von Demokraten entschiedener als bisher beantwortet werden müssen. Die Tatsache, dass Populisten sich damit wichtigmachen, darf die gegen Rechtsextremismus handelnde Zivilgesellschaft nicht abhalten, sich ebenfalls gegen Radikalisierung zu engagieren. Das gleiche gilt für andere Themen. Rassismus und Antisemitismus. Beides wird noch immer nur vage diskutiert. Eine große und klug gemachte Initiative gegen Rassismus in Behörden, bei der Polizei und anderen staatlichen Institutionen ist bisher ausgeblieben. Wir warten darauf mit Nachdruck. Spätestens seit den Ereignissen um den NSU wurde dies immer wieder gefordert und versprochen.

Rassismus zu identifizieren und zu bekämpfen heißt jedoch nicht, Problemen gegenüber blind zu sein. Antisemitismus ist so ein Problem. In der Einwanderungsgesellschaft, zu der alle gehören, gibt es keine klare Haltung zu Antisemitismus, weder bei Einwanderern noch bei sogenannten "Biodeutschen". Im schlimmsten Fall zeigen sie mit dem Finger auf den jeweils anderen, wenn mal wieder etwas passiert ist, das die Öffentlichkeit erregt. Doch entweder sind wir eine Gesellschaft, dann müssen Probleme auch gleich behandelt und angegangen werden. Oder wir sind es nicht, und die Rechten triumphieren mit ihrem giftigen "Wir" gegen "Die". Mit anderen Worten: wenn wir den vergifteten Erzählungen der rechten Populisten wirklich entgegentreten wollen, dann müssen wir mehr tun, als nur die vielen guten Geschichten erzählen, die es ja auch tonnenweise gibt. Die zu erzählen ist wichtig. Noch wichtiger ist es aber die Konflikte und Probleme ernst zu nehmen und zu handeln. Demokratisch handeln ist nicht nur ein Slogan, es ist mühsam und es erfordert Mut.

Ich weiss nicht, vielleicht haben Sie ja eine bessere Idee, was wir tun können. Toxische Narrative zu bekämpfen, braucht viel präzise Arbeit und langen Atem auf einem langen Weg. Mir fällt da keine Abkürzung ein. Aber vorher sollten wir alle wählen gehen.

 

Hier finden Sie die Broschüre "Toxische Narrative – Monitoring Rechts-Alternativer Akteure" zum Download. 

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