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Rassistischer Mob in Chemnitz: "Für jeden toten Deutschen einen toten Ausländer!"

In der Nacht zum Sonntag gab es in Chemnitz laut ersten Polizeiangaben eine tödliche Auseinandersetzung "zwischen mehreren Personen unterschiedlicher Nationalitäten". Ein 35-jähriger Mann starb, zwei andere wurden teils schwer verletzt. Zwei Tatverdächtige wurden festgenommen. Mittlerweile gab die Polizei bekannt, dass es sich bei den festgenommenen Tätern um einen syrischen und einen irakischen Staatsangehörige handeln soll. Die Polizei ermittelt weiter, es gibt noch keine genauen Angaben zum Tathergang. Was es gibt sind Gerüchte, Mutmaßungen, Verallgemeinerungen. Und einen rassistischen Mob, der am Sonntag Menschen grölend durch die Innenstadt getrieben hat. Unter Beifall der AfD.

Von Stefan Lauer

Zum Protest hatte ursprünglich die rechtsextreme Hooligangruppe "Kaotic Chemnitz" auf Facebook aufgerufen. Der ursprüngliche Post wurde mittlerweile gelöscht.

 

 

Über die eigentliche Tat kursieren vor allem Gerüchte. Die bisher bekannten Fakten lassen sich in einer gemeinsamen Medieninformation der Staatsanwaltschaft und der Polizeidirektion Chemnitz nachlesen. Das hinderte allerdings auch große Medien nicht mit Spekulationen zu arbeiten. So wurde unter anderem von Bild und von Tag24 berichtet, die Opfer hätten einer Frau helfen wollen, die angegriffen wurde. Die Polizei dementiert das.

 

 

Mehrere Medien aus dem "rechtsalternativen" Spektrum berichten mittlerweile auch darüber, dass ein Zweiter aus der Gruppe der drei Angegriffenen gestorben sein soll. Auch diese Information ist falsch und zeigt, dass Opfer instrumentalisiert werden.

 

 

Am Sonntag hat das in Chemnitz leider funktioniert. Trotz der kurzen Zeit konnten 800 bis 1000 Teilnehmer*innen mobilisiert werden. Neben der Demo der Hooligans hatte auch die örtliche AfD zu einer Kundgebung aufgerufen. Im Anschluss daran zog ein Mob durch die Stadt, der Menschen mit migrantischem Aussehen jagte. Unter den Demonstranten waren laut Angaben von Journalisten auch bekannte Rechtsextreme. Skandiert wurde passend dazu zum Beispiel auch "Frei, sozial und national", ein Slogan, der gerne von rechtsextremen Gruppen bis hin zur NPD verwendet wird. Auf den zahlreichen Videos die von der Demonstration kursieren, wird noch mehr menschenverachtendes gebrüllt: "Für jeden toten Deutschen einen toten Ausländer", "Das System ist am Ende, wir sind die Wende". Menschen werden als "Kanaken", "Viehzeug" oder "Zecken" bezeichnet. In einem Video erzählt einer der Demonstranten von einer Begegnung mit einer Person, die sich offenbar für Geflüchtete einsetzt und wie er dem oder derjenigen gewünscht hat, dass seine Kinder erstochen würden. Der Sprecher ist nicht zu sehen und läuft offenbar hinter dem Filmenden.

Die Polizei war am Sonntag hauptsächlich überfordert. Zu Anfang sollen lediglich 50 Beamte im Einsatz gewesen sein. Später kamen Kräfte aus Dresden und Leipzig dazu. Auf Videos ist zu sehen, wie Polizist*innen angegriffen werden, als sie sich dem Mob entgegenstellen.

 

 

Aus der schrecklichen Tat von Sonntagnacht und den Treibjagdszenen versucht vor allem die AfD politisches Kapital zu schlagen. Eines der Videos wurde von Bernhard Wedlich gefilmt. Wedlich war bis zum April 2018 stellvertretender Vorsitzender der AfD Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Markus Frohnmaier, der für die Rechtspopulisten im Bundestag sitzt, ruft währenddessen am Sonntagabend auf Twitter zur Selbstjustiz auf.

Auch Stefan Möller, Landessprecher der AfD in Thüringen, äußert größtes Verständnis für die rechtsextremen Randalierer. Frohnmaier und Möller bedienen beide die Erzählung eines "schwachen Staates", der Morde nicht verhindern könne. Damit rechtfertigen sie rassistische Gewalt.

Für Montagabend ist eine weitere Demonstration angesetzt. Dafür wird von rechtsaußen auf allen Kanälen mobilisiert. Unter anderem ruft "Kandel ist überall" zur Teilnahme auf, ein Bündnis unter Leitung der stellvertretenden Fraktionssprecherin der AfD in Baden-Württemberg, dass ebenfalls auf rassistische Stimmungsmache gegen Geflüchtete setzt. Auch hier ist im Kommentarbereich schon von "brennenden Straßen" die Rede.

Gleichzeitig wird es aber auch einen Gegenprotest geben. Wie sich die Situation in Chemnitz also entwickelt, bleibt abzuwarten.

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