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#MeTwo: Erfahrungen mit Rassismus, die viele nicht hören wollen

Die Debatte um den Rücktritt von Mesut Özil aus der Nationalmannschaft macht erneut deutlich, wie groß Deutschlands Problem mit Rassismus ist. Unter dem Hashtag #metwo berichten aktuell Menschen auf Twitter über ihre Rassismuserfahrungen in der Schule, im Job und im Alltag. Die Tweets zeigen eine Gesellschaft, in der Rassismus und Vorurteile tief verankert sind. Reaktionen darauf fallen gemischt aus, von Bestürzung und Solidarität, bis hin zu Häme und Delegitimierung.

Von Stefan Lauer

Die Debatte um den Rücktritt von Mesut Özil zeigt erneut, wie groß das Rassimusproblem in Deutschland ist. Özil hatte den Verantwortlichen des DFB Rassismus vorgeworfen und unfaire Reaktionen der Medien auf sein Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan beklagt.  Dass man die Unterstützung für einen autokratischen Machthaber kritisieren muss, aber gleichzeitig auch Rassismus verurteilen kann, war in der öffentlichen Diskussion selten bemerkbar. Özil wurden seine Rassismuserfahrungen abgesprochen, während er zum Posterboy des Erdoğan-Regimes hochstilisiert wurde.

Das problematische Verhältnis der FIFA zu autoritären Regimen ist dabei keiner Rede Wert. Die andauernden Menschenrechtsverletzungen in Russland, dem Gastgeberland der gerade zu Ende gegangenen WM? Die tausenden Toten auf den WM-Baustellen in Katar, wo die nächste Weltmeisterschaft stattfinden soll? Kein Thema.

Auch das Verhältnis europäischer Politiker zu Erdoğans Türkei ist nicht mehr wichtig. Im Mittelpunkt steht der Schnappschuss von Özil und dem Präsidenten. Das Foto erscheint wie ein gelungener Anlass, endlich ungestraft dem eigenen Rassismus zu frönen. Vom in Deutschland geborenen Nationalspieler, wird Özil zum schlechtintegrierten Türken. Wenn Özil diesen Rassismus benennt – den im Übrigen auch andere Spieler anprangern – werden ihm seine Erfahrungen abgesprochen. In Deutschland bestimmt nämlich immer noch die Mehrheitsgesellschaft – und damit die weißen Deutschen – was Rassismus ist und was nicht. Die Stimmen von Betroffenen verhallen dabei.

Ein neuer Hashtag will dem etwas entgegen setzen. Unter #MeTwo twittern Menschen über ihre Erfahrungen mit dem alltäglichen Rassismus in Deutschland. Die Idee dazu hatte Ali Can.

 

 

Can ist Aktivist und Autor.  2016 rief er die "Hotline für besorgte Bürger" ins Leben. Er stellte seine Handynummer ins Internet und wurde Ansprechpartner für ängstliche Deutsche, darüber hat er mittlerweile auch ein Buch geschrieben. Can kam mit zwei Jahren aus der Türkei nach Deutschland und hat Rassismus am eigenen Leib erlebt.  Angelehnt an #MeToo, den Hashtag unter dem Frauen über sexuelle Übergriffe berichten, beschreibt Can, warum "two", also zwei, im Hashtag vorkommt: "Ich fühle mich in Deutschland zu Hause, habe hier Freunde, gehe hier arbeiten. Gleichzeitig kann ich mich mit einer anderen Kultur oder mit einem anderen Land verbunden fühlen. Weil das Land mich beispielsweise geprägt hat, meine Eltern dort geboren sind oder ich die Sprache mag. Die zwei Seiten verschmelzen. Sie stehen nicht im Widerspruch."

Unter dem Hashtag sammeln sich Berichte über Rassimuserfahrungen in Schulen, am Arbeitsplatz, auf der Straße, im Alltag.

 

 

Die vielen Geschichte, die hier erzählt werden können Eindruck hinterlassen, weil sie zeigen, wie alltäglich Rassismuserfahrungen für viele Menschen sind und das in allen möglichen Situationen. Vielleicht können sie auch dazu anregen, das eigene Verhalten zu überdenken, zu erkennen wie tief verankert Rassismus in der Gesellschaft ist. Oder aber auch nicht.

 

 

"Rassismus gegen Deutsche" wird gerne beklagt, Menschen werden als undankbar oder überempfindlich bezeichnet. Betroffenen wird nahegelegt, doch einfach das Land zu verlassen. Und natürlich wird auch bereits versucht, den Hashtag von rechtsaußen zu kapern.

Martin Semlitsch, der unter dem Pseudonym Martin Lichtmesz, für "neurechte" Publikationen wie Sezession schreibt, ruft "Menschen ohne Migrationshintergrund" zur Gegenwehr auf.

 

#MeTwo ist der Versuch öffentlich zu machen, was vielen Menschen regelmäßig passiert. Die Geschichten unter dem Hashtag, aber auch die Reaktionen darauf machen klar, wie wenig Bewusstsein für Diskriminierungen und Abwertungen tatsächlich in Deutschland herrscht und wieviel zu tun bleibt.   

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