Eltern gegen Grundlagen der Grafik? Nein, das ist die Facebook-Seite der "Eltern gegen Gewalt", und auch das ist nur Mimikry für "Rassist_innen, die ihren Rassismus als Eltern gelabelt äußern".
Screenshot, 09.05.2018

"Mütter gegen Gewalt", "Eltern gegen Gewalt" - woher kommt das rechte Interesse an Müttern und Eltern?

Von den „Hooligans gegen Salafisten“ ist nichts mehr zu hören, „Pegida“ dümpelt vor sich hin und „Merkel muss weg“-Demonstrationen werden auch immer öfter abgesagt. Wohin mit den „besorgten Bürgern und Bürgerinnen“? Sie sammeln sich hinter einem neuen Label: „Mütter gegen Gewalt“ oder „Eltern gegen Gewalt“.

 

Von Simone Rafael

 

„Gegen Gewalt“ zu sein, das ist ja eine sehr vernünftige Einstellung. Wenn sich speziell Mütter oder Eltern gegen Gewalt wenden, impliziert das noch Kinderschutz und erscheint damit umso vernünftiger. Eine friedliche Gesellschaft für alle ist eine schöne Vision. Harte Strafen für Gewalttäter zu fordern hat zwar einen Ruch von Law-and-Order und Kritik an aktueller Polizeipraxis, ist aber völlig legitim. Aber ist es das, was Demos von „Müttern gegen Gewalt“ und „Eltern gegen Gewalt“ fordern?

Wer die Facebook-Seite von „Eltern gegen Gewalt“ besucht, sieht als Titelbild eine Familie vor einer Deutschland-Flagge. Wer die Beiträge darunter liest, kann schnell erkennen, dass die Macher_innen die Bedrohung durch Gewalt aber offenbar nur von einer Seite aus sehen: Durch Geflüchtete und Muslime. Links zu Hilfsangeboten für Opfer von Gewalt sucht man vergeblich, Berichte von rechtspopulistischen „alternativen“ Medien, die Angst vor Geflüchteten schüren, dagegen jede Menge. Also offenkundig eine einseitige Aktion, deren Problemlösung für Gewalt offenbar Rassismus ist, weil zum einen das Bild vermittelt wird, Gewalt werde hauptsächlich von Geflüchteten und Muslimen ausgeübt, und das zum anderen die „Lösung“ impliziert wird, wenn es keine Geflüchteten und Muslime in Deutschland gäbe, gäbe es auch keine Gewalt mehr. Auch Kronzeugen haben die Organisatorinnen – laut Facebook-Impressum drei Frauen – gefunden: Zwei „Geflüchtete“ (wobei der eine im Video erzählt, seit 1980 in Deutschland zu leben, und rein äußerlich eher der Hooligan-Szene zugehörig ist), die die Erzählung, Muslime seien besonders gewalttätig gegenüber Frauen, Kindern und Homosexuellen, bestätigen. Die Ursprungs-Seite „Mütter gegen Gewalt“ beschreibt explizit: „Folgendes Zeichen soll gesetzt werden: Wiederherstellung des Schutzes der deutschen Bürger, insbesondere Kinder, Frauen und Rentner. (…) Wiedererlangung von Anerkennung und Respekt vor deutschen Regeln und Gesetzen, sowie deren Vertreter.“ Das Deutschsein ist also das Wichtigste hier, nicht der Schutz vor Gewalt.

Unter Rechtspopulist_innen ist die Strategie ja schon seit 2014 beliebt, Rassismus zu verkleiden, um sich einen bürgerlichen Anstrich zu verleihen, mehr Menschen und Mitdemonstrante_innen zu erreichen und so zur Normalisierung rassistischer und anderer menschenfeindlicher Erzählungen beizutragen. Obwohl „gegen Muslime und Geflüchtete“ gemeint ist, demonstriert Pegida offiziell „gegen Islamisierung“ und die Hooligans demonstrierten „gegen Salafisten“. Diese Demoreihen hatten immer einen veritablen Männerüberschuss, freuten sich aber auch schon über jede Frau oder Person mit Migrationshintergrund, die sie als Kronzeugen der angeblichen eigenen Rechtschaffenheit auf die Bühne stellen konnten. Seht, Frauen stimmen uns zu, wir sind keine Sexisten! Seht, Migranten stimmen uns zu, wir sind keine Rassisten! Dabei gibt es natürlich auch Sexismus unter Frauen und Rassismus unter Migrant_innen.  Wenn Frauen bei Pegida sprachen, taten sie es immer schon gern als „deutsche Mutter“. Dies wurde also schon bei Pegida als starke Position wahrgenommen, um glaubwürdig herüber zu kommen und der „Sorge“ einen allgemeingesellschaftlich geteilten Grund zu geben. Denn das Bild, das Mütter nur aus Sorge um ihre Kinder handeln, ist in Deutschland stark verankert und funktioniert immer wieder, wenn es eingesetzt wird, um politische Implikationen zu verschleiern (vgl. die Studie „Peggy war da“ der Amadeu Antonio Stiftung zu Frauen und Pegida“).

Das auch „Eltern“ ein guter Absender sind, um menschenfeindliche Agitationen zu verbreiten, zeigten dann auch die so genannten „Demos für alle“, die „Sorge“ um „Frühsexualisierung“ der Kinder proklamierten, um gegen Vielfalterziehung und Homo- und Transsexualität zu hetzen. Die brachten bis zu 4.600  Menschen im Oktober 2016 in Stuttgart auf die Straße.

Nun also „Mütter gegen Gewalt“. Die erste Demo unter diesem Namen gab es am 04. März 2018 in Bottrop. Organisiert wurde sie von „Mona Maja“, ein Pseudonym für die 55-jährige Iris Swoboda. Inspiriert hatte sie hierzu offenbar das „Frauenbündnis Kandel“, das im Dezember nach dem Mord an einer 15-Jährigen zu einer ersten Demonstration in Kandel aufrief, was Swoboda begeistert mitverbreitete. Auch hier das Prinzip: „Frauenbündnis“ impliziert Berechtigung qua vermeintlicher Opferperspektive – im realen Leben waren hier nicht viele Frauen involviert. Trotzdem mobilisiert das „Frauenbündnis“, geleitet von Marco Kunz, bis heute zu Demonstrationen.

Zu den „Müttern gegen Gewalt“ in Bottrop kamen rund 1.000 Demonstrierende, um sich gegen sexualisierte Gewalt durch Geflüchtete auf die Straße zu stellen, darunter rechtsextreme Szene-Größen wie Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt und rechte Hooligans der „Borussenfront“. Beliebte Erzählung der Demo: Die Gewalt gegen Frauen durch Geflüchtete würde explodieren. Oder wie es „Mona Maja“ sagt:  Täglich würden in Deutschland auf der Straße Frauen „geschlachtet“ (vgl. WDR).  Ist Ihnen noch nicht aufgefallen? Dann wählen Sie zwischen “Lügenpresse”, “Lügenpolizei” oder “Lügenpolitik”. Die Inszenierung als vermeintlich harmlose und berechtigte Fraueninitiative hat jedenfalls gezündet: So viele Teilnehmende hat Pegida NRW selbst in Hoch-Zeiten nicht mobilisiert (eher 200, mit einer Ausnahme von 800 in Wuppertal 2015).

Auf der Facebook-Seite der „Mütter gegen Gewalt“  wurden entsprechende BKA-Statistiken gezeigt. Allerdings bestätigte das BKA auf Nachfrage des WDR, dass die dort gezeigten Statistiken nicht von ihnen stammen. Laut NRW-Verfassungsschutz ist die Zahl der Gewalttaten gegen Frauen seit Jahren konstant. Klassische Fake News also. Auch das NRW-Innenministerium erklärte, der behauptete Zusammenhang von Flüchtlingsmigration und Gewalttaten gegen Frauen sei statisch nicht zu belegen.

Eine weitere Demo gab es am 05.05.2018 in Duisburg mit rund 200 Teilnehmenden. Hier hatten die „Mütter gegen Gewalt“ offen mit der als rechtsaußen eingeschätzten „Pegida NRW“ aufgerufen, auch die rechtsextreme Kleinstpartei „PRO NRW“ war dabei.

Am 06.05.2018 liefen in Essen dann rund 700 „Eltern gegen Gewalt“ auf – offenbar eine Reaktion auf das Bild, dass bei den „Mütter“-Demonstrationen die Frauen nicht gerade in der Mehrheit waren. Ein Kommentar dazu auf der Facebook-Seite: „Haben denn nicht auch Hooligans Kinder, um die sie sich sorgen?“

Eine weitere Demonstration unter dem Claim „Eltern gegen Gewalt“ ist am Pfingstsonntag, also am 20. Mai 2018 in Recklinghausen angekündigt, noch eine am 02. Juni in Solingen, berichtet Blick nach rechts.

Auf den Veranstaltungen war die rechte Sphäre in ihrer Gänze vertreten – von Rechtsextremen mit und ohne NPD-Parteibuch und rechten Hooligans über Pegida-Fans und AfD-Wähler_innen bis zu bisher nicht politisch organisierten besorgten Bürger_innen. Das ist deshalb gefährlich, weil dadurch gewaltbereite rechtsextreme Strömungen Aufwertung und Akzeptanz erfahren. Diverse „alternative“ rechtspopulistische Medien wie „Journalistenwatch“ oder die „EpochTimes“ warben für die „Wut der deutschen Frauen“. „Mona Maja“ sprach beim Neujahrsempfang von „Pro Köln“, wie Expert_innen der der mobilen Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus NRW beobachtet haben. „Solche Verknüpfungen kannte man bisher nur aus den sozialen Netzwerken, jetzt aber gehen diese Gruppen gemeinsam auf die Straße“, sagt Heiko Klare von der Rechtsextremismusstelle in Münster der WAZ.

In Duisburg sprach unter anderem Laleh Walie, die noch unter dem Namen Hadjimohamadvali für die AfD im Saarland kandidierte und von ihrer Flucht aus dem Iran vor “dem Islam” berichtete, ohne ein Hetzbild gegen Muslime auszulassen. Ebenfalls auf der Bühne: Der Rechtsextreme Ignaz Bearth, der in rechter Gossensprache gegen Migrant_innen und die Regierung hetzte. In Essen stand unter anderem Thomas Matzke auf der Bühne, ehemaliger Vorsitzender der AfD im Rhein-Sieg-Kreis und Betreiber des rechten Blogs “Abakus News”, sowie der im Kongo geborene Serge Menga, der als Quotenmigrant schon auf verschiedenen Veranstaltungen der rechten Sphäre sprach und unter anderem Merkel mit einem antisemitischen Sprachbild als “Marionette” im Dienst “des Geldes” beschimpfte.

 

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