Jedes Jahr im Dezember ziehen wir mit Expert_innen und Kooperationspartner_innen Bilanz: Was passierte im Bereich Rechtsextremismus im jeweiligen Bundesland? Welche Themen waren wichtig, welche Akteure und Akteurinnen? Wir starten mit Thüringen.
Mit der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen (MOBIT) sprach Simone Rafael.
Was war ein beispielhaftes wichtiges Ereignis im Bereich Rechtsextremismus in Thüringen?
Das ist in Thüringen die falsche Frage. Hier ist es weniger ein herausragendes Ereignis, dass die Gesellschaft beeinflusst hat, sondern die stetige Folge von Veranstaltungen, in großer Dichte, die das Klima in Thüringen prägt. Natürlich hatten wir dieses Jahr etwa ein großes Rechtsrock-Open Air in Hildburghausen, organisiert unter anderem von Neonazi Tommy Frenck, mit 3.500 Besucher_innen. Das ist aber nur eines von rund 50 Rechtsrock-Konzerten im Jahr. Die extreme Rechte hat in Thüringen Zugriff auf 14 Immobilien. Dadurch gibt es eine Vielfalt von Veranstaltungen, wie Landes-, aber auch Bundesparteitage von NPD und dem „III. Weg“, Strategie- und Schulungstreffen oder Konzerte in der Tradition von „Blood und Honour“. 2015 haben wir 322 öffentliche Aktionen aus dem extrem rechten Spektrum gezählt, davon 120 rassistisch motivierte Demonstrationen. 2016 zählten wir bisher 316 öffentliche Aktionen. Das hohe Niveau der Aktivitäten bleibt also, auch wenn teilweise deutlich weniger Menschen daran teilnehmen. Bei „Thügida“ beispielsweise waren 2015 zu Hoch-Zeiten maximal 2.300 Teilnehmer_innen dabei. Heute mobilisieren diese Strukturen keine 150 Teilnehmer_innen mehr. Dafür sind aktuell Kleinstaktionen enorm beliebt. Zwei Tage vorher angemeldet, wenige Teilnehmer_innen – so hoffen die Akteure der extremen Rechten auf weniger Gegenaktionen und Widerstand. Noch ein neuer Trend: Extrem rechte Organisationen und Einzelpersonen organisieren soziale Projekte, sammeln etwa – natürlich in völkischer Diktion – Spenden für von Ihnen als deutsch definierte Obdachlose oder „deutsche“ Familien. Dies ist nicht zuletzt der Versuch im Kontext der Flüchtlingsdebatte, die soziale Frage wieder völkisch aufzuladen und sich dann damit öffentlich zu präsentieren.
Was sind die Folgen?
Die Zivilgesellschaft in Thüringen ist am Rande ihrer Belastbarkeit angekommen. Viele sind in der Flüchtlingshilfe aktiv, dazu kommt die hohe Aktionsdichte der extrem rechten Szene, die die Engagierten zusätzlich fordert. Und obwohl Protest gegen Nazi-Aktionen so nötig ist, gibt es immer noch öffentliche Verwaltungen, die Protesten Steine in den Weg legen. Andererseits sehen wir, wie die extrem rechte Szene von Thüringen aus bundesweit oder sogar bis ins Ausland RechtsRock exportiert, weil hier die Strukturen aus Immobilien und Versänden existieren: So waren etwa bei einem Rechtsrockfestival in der Schweiz mit bis zu 6.000 Teilnehmer_innen Thüringer Neonazis an der Organisation beteiligt.
Was war in Thüringen die wichtigste Gruppierung im Bereich Rechtsextremismus?
Es gibt leider viele Gruppierungen. In verschiedenen Teilen Thüringens sind verschiedene rechtsextreme Akteure stark. In Eisenach/Wartburgkreis ist es etwa der NPD-Kreisverband, im Raum Erfurt/Weimar baut „Die Rechte“ einen Landesverband auf, in Gera / Saalfeld haben wir viel mit dem „III. Weg“ zu tun. Dann gibt es noch die in Thüringen neonazistische „Thügida“. Und rechtspopulistische Aktivitäten kommen noch dazu.
-- Am 25. Mai 2018 tritt die Datenschutz Grundverordnung (DSVGO) in Kraft. Die Rechtslage für Fotos ist unklar. Bis sich daran etwas ändert, machen wir Personen, die auf Fotos zu sehen sind unkenntlich. --
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