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Ewiggestrig in die Zukunft: Die Reichsbürgerbewegung

Als Rio Reiser seinen "König von Deutschland" dichtete, hatte er gewiss nicht Peter Fitzek im Kopf gehabt, der am 16. September 2012 zum König von Deutschland ausgerufen wurde. Was zuerst  nach einer kruden Geschichte klingt, entpuppt sich als Werk ausgemachter Rechtsextremer. Denn Fitzek gehört zur so genannten "Reichsbürgerbewegung".

Von Johannes Baldauf

Die so genannten Reichsbürger bzw. die Reichsbewegungen halten die BRD für nicht existent und propagieren  vom Fortbestand des "Deutschen Reiches". Ihrer Meinung nach fehle der Bundesrepublik die verfassungsrechtliche Grundlage. Als Begründung wird zum Beispiel der Staatsrechtler Carlo Schmid verkürzt zitiert oder auf den 2+4 Vertrag verwiesen.

Rassistische Drohbriefe

In jeweils kleineren Gruppen organisiert, bilden die Anhängerinnen und Anhänger der Bewegung "kommissarische Reichsregierungen". Zeitweise gab es über 30 verschiedene dieser "kommissarischen Reichsregierungen", die sich jeweils für die einzig legitime Vertretung ihres "Reichs" ansahen und einander gegenseitig die Legitimation absprachen. Lange als Spinner ignoriert und belächelt, aber trotzdem tief in der rechtsextremen Szene verankert, sorgten Briefe der Reichsbürger-Gruppe "Neue Gemeinschaft von Philosophen" in der ersten Jahreshälfte für Wirbel. In den rassistischen Droh-Briefen, die bundesweit an Moscheen, muslimische Vereine, die Jüdische Gemeinde in Berlin und Privatpersonen verschickt wurden, forderte man "alle raum-, wesens- und kulturfremden Ausländer" auf, das Land bis Anfang August zu verlassen. Nach Ablauf dieser Frist drohe bei Nicht-Befolgung die Erschießung.

Gleichzeitig verschickte man Briefe an Kindergärten und Schulen und forderte dazu auf Vorräte anzulegen. Dieser Brief wurde als "Erlass" an mehr als 300 Einrichtungen in Brandenburg verschickt. (Siehe dazu auch "netz-gegen-nazis.de" und "Potsdamer Neueste Nachrichten")

Der Verfassungsschutz Brandenburg reagierte und veröffentlichte eine längere Mitteilung, um über diese Bewegung aufzuklären. Und er macht klar: "'Reichsregierungen' sind teilweise tief in der rechtextremistischen Szene verankert. Volksverhetzende Äußerungen, Holocaust-Leugnung, Werbung für rechtsextremistische Parteien sowie Aufrufe für rechtsextremistische Demonstrationen sind keine Seltenheit."

"Königreich Deutschland"

Doch es gibt auch Anschlüsse in die Szene der braunen Esoterik. Aktuell ist Peter Fitzek ein populäres Beispiel. Dieser hat sich im September 2012 zum Herrscher des "Königreich Deutschland" ausrufen lassen. (Siehe dazu auch "Publikative.org") Neben der Gründung von neun Hektar großen "Königreichen" ist Fitzek Vorstandsvorsitzender des "Lichtzentrums Wittenberg", in welchem Seminare zur "Germanischen Neuen Medizin" angeboten werden.

Weiter ist Fitzek auch der Erfinder einer Alternativwährung namens "Engelgeld". Diese Alternativwährung soll ebenso wie die Esoterik eine Scharnierfunktion zwischen rechtsextremen Weltbildern und der Mitte der Gesellschaft einnehmen. Gleiches gilt für Verschwörungstheorien, deren steigende Popularität im Internet zu beobachten ist. Die "Reichsbewegung" stellt ebenfalls eine Verschwörungstheorie dar, wenn auch eine, die sich nur in Deutschland finden lässt: Die Bundesrepublik Deutschland bezeichnen sie als Firma, als BRD GmbH, die von den Alliierten installiert worden sei.

Arglose Bürgerinnen und Bürger lockt man mit dem Versprechen, keine Steuern mehr zahlen zu müssen. Alternative Führerscheine, Nummernschilder und Ausweise sind ebenso im Angebot. Mit derlei Fantasiedokumenten schaffen es Reichsbürger regelmäßig für Aufmerksamkeit zu sorgen, wie zum Beispiel bei einer Verkehrskontrolle, als man den Fantasie-Ausweis des "Deutschen Reichs" als legitimes Dokument vorzeigen wollte.

Diskussionen sinnlos

Behörden sind von derlei Gebaren oft überrumpelt, zumal Anhängerinnen und Anhänger der "Reichsbewegung" auf jeden Brief und Amtsbescheid mit Widerspruch antworten und die Legitimität der Behörde anzweifeln. Daher hat der Verfassungsschutz Brandenburg unter anderem empfohlen "dienstliche[n] Schriftwechsel" mit 'Reichsbürgern' auf ein absolut notwendige Mindestmaß" zu beschränken, denn es sei sowieso "sinnlos, mit 'Reichsbürgern' zu diskutieren".

Mehr im Internet

Königreich Deutschland (VICE.com)

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