Buch zur "Pro Bewegung": Extrem rechtes Denken gerade noch demokratisch erscheinen lassen

Die "Pro"-Partei, die aktuell wieder in Nordrhein-Westfalen zur Landtagswahl mit wenig Akteuren viel Wirbel veranstaltet, gilt als "rechtspopulistisch". Ein Buch von Michael Lausberg zeigt, dass es sich lediglich um eine Variante extrem rechten Denkens handelt, die dem Zeitgeist angepasst ist, um gerade noch demokratisch zu scheinen.

Von Simone Rafael

Wenn es nach der „Pro“-Partei selbst geht, sind sie eine „seriöse Alternative zu etablierten Parteien“, nicht einmal groß islamfeindlich, sondern nur „patriotisch den Interessen der einheimischen Bevölkerung verpflichtet“. Allgemein werden „Pro Köln“ und „Pro NRW“ als „rechtspopulistisch“ bezeichnet, um auszudrücken, dass sie nicht offen rechtsextrem agiert. Dass fehlende NS-Verherrlichung und fehlender Antisemitismus allerdings nicht zwingend eine demokratische Partei ergeben, belegt in großer Beispielfülle das Buch „Die Pro-Bewegung. Geschichte, Inhalte, Strategien der „Bürgerbewegung Pro Köln“ und der „Bürgerbewegung Pro NRW“ von Michael Lausberg.

Lausberg betrachtet die „Bürgerbewegung Pro Köln“, die 1996 gegründet wurde, und die daraus entstandene Partei „Bürgerbewegung Pro NRW“ von ihren Anfängen über erste Kommunalwahlerfolge von Pro Köln 2004 und von Pro NRW 2009 bis heute, und fördert dabei eine Vielzahl bezwingender Detailinformationen zutage, die deutlich zusammenfassen, dass es mit „Pro NRW“s propagierter Distanz zur rechtsextremen Szene nicht sehr weit her ist – sowohl, was Personal und Kontakte angeht, als auch in inhaltlicher Dimension.

Deutlich wird die Melange und Verknüpfung rechter, neurechter und rechtsextremer Ausrichtungen in der Biographie wichtiger Akteure – etwa Manfred Rouhs, heute Pro Köln- wie Pro NRW-Spitzenfunktionär, der Stationen bei der Jungen Union, der NPD-Jugendorganisation JN (u.a. Landesvorsitzender), als Mitglied des „Rings Freiheitlicher Studenten“ (RFS), den Republikanern (u.a. Aufbau Kreisverband Köln) , als Funktionär der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ wie schließlich als Gründungsmitglied von „Pro Köln“. Außerdem ist Rouhs Jurist und Herausgeber der Zeitschrift „Europa vorn“, deren rechtsextreme Inhalte im Buch betrachtet werden. An vielen Stationen zeigen sich thematische Konstanten, die heute bei „Pro NRW“ zu finden sind.

Den Strategien und Themen von Pro Köln und Pro NRW widmet sich der größte Teil des Buchs „Die Pro-Bewegung“. Bestimmend, wenn auch angepasst an verschiedene mögliche Zielgruppen, sind antimuslimischer Rassismus, Selbstdarstellung als „Opfer linker Gewalt und/oder Medien“, als Alternative zu „korrupten, unehrlichen Berufspolitikern mit Abzocker-Mentalität“ und als bürgernahe „Kümmerer“ vor Ort. Hierfür trägt das Buch zahlreiche Beispiele von Slogans und Aktionen zusammen: Wie agiert Pro Köln auf kommunaler Ebene? („Wir geben den Kölnern ihre Stadt zurück“ - indem alle Menschen mit Zuwanderungshintergrund, Asylbewerber und Homosexuelle aus dem Stadtbild verschwinden sollen). Wie sprechen die Rechtspopulisten die Jugend an? Etwa mit der rassistischen Jugendzeitschrift „Objektiv“ (!), die rassistische Stereotype wie den des sexuell übergriffigen türkischstämmigen Jugendlichen auf unterstem Stammtischniveau verbreiten, um daneben mit Minirock-Frau und Slogan „Deutsch ist geil“ eigenen Sexismus zu feiern.

Christen werden als angebliche Opfer von „Islamisierung“ angesprochen (u.a. wird ein Gegensatzpaar „christliches Abendland“ vs. „orientalistischen Islam“ aufgebaut) und über homophobe Ressentiments zu ködern versucht. Stößt „Pro Köln“ auf Gegenwind, wird gern der perfide geschichtsrevisionistische Vergleich mit der Situation der Juden während der NS-Zeit bemüht: „(...) ähnelten die Tage von Pro Köln frappierend der Situation im Dritten Reich. So wie heute Pro Köln, waren auch die Juden nur auf ein Merkmal beschränkt und damit stigmatisiert worden.“ Verschwörungstheorien pflegt Pro Köln vor allem gegenüber den Medien in Nordrhein-Westfalen, von denen sich die Parteivertreter nicht in gewünschtem Maß und Form beachtet sehen.

Was vielleicht weniger bekannt ist: Auch die „Pro“-Bewegung beteiligt sich fleißig an in Rechtsaußen-Kreisen gepflegtem Geschichtsrevisionismus und Opfer-Täter-Umkehr. Ein weiteres hochemotionales Themenfeld ist der Antiziganismus, mit dem Pro Köln teilweise sogar bei einer Anwohnerinitiative in Köln-Poll punkten konnte, indem sie Roma und Sinti als „Klau -Kids“ diffamierte und ihnen sämtliche demokratischen Grundrechte abspracht. Auf Distanz ging die Anwohnerinitiative dann, als bei einer Demonstration aus Pro-Kreisen Sprüche wie „Unterm Adolf wärt ihr vergast worden!“ den Gegendemonstranten zugerufen wurden.

Law and Order“-Argumente verknüpft die Pro-Bewegung stets mit Rassismus („ausländische Schwerkrimnelle“), das Thema Zuwanderung wird permanent als Bedrohung für die „völkisch homogenen“ Kölner inszeniert („schleichender Bevölkerungsaustausch“) - dabei ist die Zahl der in Köln lebenden Zuwanderer seit 1990 konstant. Die rassistische Instrumentalisierung des Themas „Moscheebauten“ dürfte durch die „Antiislamisierungskongresse“ (2008-2010) hinreichend bekannt sein.

Wer die zahlreichen Beispiele irreführender, geifernder, Tatsachen ignorierender, verkürzend-verallgemeinernder, schwer rassistischer, homophober, geschichtsrevisionistier und schlicht menschenrechtsfeindlicher Propaganda betrachtet, die das Buch „Die Pro-Bewegung“ versammelt, den verwundert zunehmen, wie sich damit Wahlerfolge jenseits eines rechtsextremen Spektrums erzielen lassen, die die „Pro-Bewegung“ allerdings punktuell zu verzeichnen hat.

Deutlich wird, dass es sich beim „Rechtspopulismus“ der Pro-Bewegung lediglich um eine dem Zeitgeist und dem Empfinden des gerade noch Scheindemokratischen angepasste Variante extrem rechten Denkens handelt. Eine Schwäche allerdings hat das Buch „Die Pro-Bewegung“: So beeindruckend es in der Fülle der Beispiele ist – die Analyse der Strategien oder gar ihre Wirkungsmuster fallen denkbar knapp aus oder fehlen. Trotzdem ist das Buch allein aufgrund seiner Zitatfülle ein wichtiger Beitrag zur Debatte um den Rechtspopulismus der Pro-Bewegung, die aktuell zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai wieder intensiv geführt wird.

Michael Lausberg: Die Pro-Bewegung. Geschichte, Inhalte, Strategien der „Bürgerbewegung Pro Köln“ und der „Bürgerbewegung Pro NRW“. Unrast-Verlag, 165 S., 13 Euro

| Mehr Informationen

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

| Wie funktioniert Rechtspopulismus à la "Pro NRW"?

Mehr auf Papier (übers Internet):

| Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf: Expertise zu Rechtsaußenparteien vor den Landtagswahlen in NRW

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