Bloße Symbolpolitik? Lazio-Trikot mit Aufschrift "No Racism"
FARE

"No Racism": Reaktionen von Lazio Rom auf den antisemitischen Überfall

Wenige Tage nach dem Überfall auf Fans von Tottenham Hotspur mit mehreren Schwerverletzten und den rassistischen Gesängen im Stadion sind die Offiziellen von Lazio Rom um Schadensbegrenzung bemüht. Unterdessen sind über die Hintergründe der Täter immer noch keine neuen Hinweise von offizieller Seite bekannt. Das Netzwerk FARE berichtet jedoch von der Beteiligung neofaschistischer Mitglieder der Organisation Casa Pound.

Von Florian Zabransky, Rom

Im Heimspiel gegen Udinese Calcio vor einer Woche lief die Mannschaft der "biancoceleste" (weiß und himmelblau) als Reaktion auf die Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Europa-League-Spiel gegen Tottenham Hotspur mit dem Slogan "No Racism" auf der Brust auf. Der Klub wollte damit ein deutliches Zeichen gegen Rassismus setzen. Dennoch kam es auch während der Partie wieder zu antisemitischen Gesängen – in diesem Fall gegen den Lokalrivalen AS Rom gerichtet. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge gab es jedoch Pfiffe anderer Fans gegen die Sprechchöre. Auf einem Banner behaupteten Fans die Unschuld der beiden festgenommen AS Rom-Fans und forderten: "Raus mit der Wahrheit".

Wer ist für die Angriffe verantwortlich?

Eine ähnliche Sicht der Dinge vertrat Lazios Präsident Claudio Lotito bereits einen Tag nach den Angriffen, die tatsächliche Identität der Angreifer werde noch zu "Verwunderung" führen. Bislang ist nur die Identität der beiden festgenommen AS Rom-Tifosi bekannt, die sich immer noch im Gefängnis befinden und die beide bereits ein fünfjähriges Stadionverbot erhielten. Neben diesen sollen aber auch Lazio-Fans an dem Überfall teilgenommen haben. Zusätzlich ging die Zeitung Corriere della Sera von der Beteiligung von Mitgliedern der "römischen rechtsextremen Bewegung" an dem Angriff aus.

Das antirassistische Netzwerk Football Against Racism in Europe (FARE) meldete nun auf seiner Facebook-Seite, dass Mitglieder der rechtsextremen Organisation Casa Pound an dem Angriff beteiligt gewesen seien. Casa Pound ist eine neofaschistische, antisemitische Bewegung, die, ähnlich dem Beispiel der Autonomen Nationalisten in Deutschland, auf linke Aktionsformen wie Hausbesetzungen zurückgreift und soziale Zentren gründet sowie gegen zu hohe Mieten demonstriert.

Beispielhaft für diese Verschmelzung von Politik und sozialer Kultur ist das Casa-Pound-Zentrum in Rom. Mitten im Migrantenviertel Esquilino, heißt es in einem Beitrag auf Publikative.org, "befindet sich der derzeit wohl symbolträchtigste Ort des italienischen Neofaschismus. Seit der Besetzung des Gebäudes durch italienische Ultrarechte im Dezember 2003 konnte sich die Casa Pound als Zentrum der Bewegung etablieren. Benannt wurde es nach dem Schriftsteller Ezra Pound, der sich nie vom Faschismus distanzierte und während des 2. Weltkriegs von Italien aus antisemitische und antiamerikanische Propaganda verbreitete."

Publikative.org zitiert den Hamburger Historiker Volker Weiß, der ausführt: "Von der Stadtverwaltung geduldet und der römischen Polizei im Zweifelsfall beschützt, hat die Casa Pound in der Nachbarschaft deutliche Spuren hinterlassen: Graffiti und Plakate, auf den ersten Blick von den üblichen Hinterlassenschaften großstädtischer Subkulturen wenig unterschieden, haben in dieser Gegend fast ausschließlich einen rechtsradikalen Hintergrund."

Verletzter Tottenham-Fan auf dem Weg der Besserung

Lazio-Präsident Lotito besuchte den schwer verletzten Fan im Krankenhaus und überreichte ihm ein Trikot des römischen Klubs als Geschenk. Der Mann hat das Krankenhaus inzwischen verlassen und konnte nach London zurückkehren. Zuvor hatten Zeitungen kritisiert, dass weder Offizielle von Lazio Rom noch Gianni Alemanno, Roms Bürgermeister, früher selbst Mitglied der (post-)faschistischen Partei Alleanza Nationale, Solidarität gegenüber den Verletzten gezeigt hätten.

Während des Besuchs im Krankenhaus bekräftigte der Präsident erneut: "Lazio Rom hat mit dem Angriff nichts zu tun. Die Lazio-Fans sind keine Rassisten". Zusätzlich kritisierte er die Medien, die Lazio-Fans oft als Faschisten oder Rassisten bezeichnen würden. Auf die antisemitischen Sprechchöre gegen Tottenham angesprochen erwiderte er: "Das sind keine Fans". Zusätzlich kritisierte er, dass über "Befreit Palästina" Plakate der Curva Nord in den vergangenen Spielen "niemand gesprochen habe".

"Klose, nicht Hitler": Schleppende Ermittlungen

Die italienische Sportzeitung Corriere dello Sport lobte die "No Racism"-Aktion Lazios: "Nein zum Rassismus. Das wahre Lazio bewundert Klose, nicht Hitler. Die Juden sind seine Freunde, nicht Feinde. Die Lazio-Spieler haben eine Nachricht der Menschlichkeit verbreitet".

Diese Darstellung verdeutlicht erneut den problematischen Umgang mit den Vorfällen. Lazios-Präsident besuchte zwar nach einigen Tagen die Verletzten im Krankenhaus, weist aber weiter alle Vorwürfe zurück. Wenn die Lazio-Fans aber kein Rassismus-Problem hätten und tatsächlich nicht am Überfall beteiligt waren, bedürfte es auch keiner symbolischen Aktionen, wie dem "No Racism" auf der Brust oder dem Besuch im Krankenhaus.

Außerdem waren bereits beim Hinspiel in England Mitte September Anhänger des italienischen Klubs durch rassistische Verunglimpfungen gegen schwarze Tottenham-Spieler so auffällig geworden, dass die UEFA eine Geldstrafe von 40.000 Euro gegen Lazio verhängte. Dass für viele Lazio-Fans kein großer Unterschied zwischen der Bewunderung Hitlers und Kloses besteht, demonstrierte auch ein Banner, dass vor einem Jahr beim Spiel gegen den Lokalrivalen AS Rom gezeigt wurde. Es hatte die Aufschrift "Klose mit uns", bei der die beiden "s" in Runenschrift zu sehen waren (ähnlich der Verwendung durch die SS) und die sich auf das Motto der Wehrmacht "Gott mit uns" bezog, das ebenfalls in der Nazi-Zeit Verwendung fand.

Auch die Ermittlungen schreiten nicht wie angekündigt voran. Über weitere Festnahmen ist bislang nichts bekannt. Mittlerweile wird gegen die beiden Festgenommenen nicht mehr wegen versuchten Totschlages, sondern nur noch wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.

Mehr auf fussball-gegen-nazis.de:

Mehr im Internet zu Casa Pound:

Mehr zu den Vorfällen in Rom:

drucken