Jede Woche trainieren die Spieler von Welcome United und bereiten sich auf den Start im Ligabetrieb 2015 vor.
Redaktion FgN

Mehr als Charity: Flüchtlingsmannschaft beim SV Babelsberg 03

Beim SV Babelsberg kickt seit Juli 2014 ein Team aus Flüchtlingen, Welcome United 03. Ab der Saison 2015/16 werden die Jungs als 3. Mannschaft vom SV Babelsberg 03 am Ligabetrieb teilnehmen. Schon jetzt trainieren 25 junge Männer jede Woche. Beim Verein ist Flüchtlingsarbeit indessen nichts Neues – seit über zehn Jahren sind Fanprojekt, Vereinsführung und die Fans für und mit Flüchtlingen aktiv. Das ist mehr als Charity.

Von Laura Piotrowski

Es ist Training bei Welcome United 03. Mit einem harten Kern von 25 Spielern hat sich das Team konsolidiert, seit dem Sommer dribbeln und kicken die jungen Männer im Potsdamer Karl-Liebknecht Stadion, das liebevoll Karli genannt wird. Auf Initiative von Manja Thieme, die ehrenamtlich für Asylsuchende in Potsdam aktiv ist, wurde diese neue 3. Mannschaft beim SV Babelsberg 03 ins Leben gerufen. "Eigentlich wollte ich nur fragen, ob einige Flüchtlinge, die nach Möglichkeiten zum Fußballspielen gefragt hatten, immer mal im Karli trainieren können", erzählt Thieme am Spielfeldrand. Der Verein setzte sich damals mit ihr zusammen und schlug vor, man könnte eine Mannschaft für die Flüchtlinge öffnen. Thoralf Höntze, zuständig fürs Marketing beim Verein, war von Anfang an dabei. "Flüchtlingsarbeit hat beim Verein seit über zehn Jahren Normalität, fast Tradition. Und weil uns aus der Erfahrung und als Fußballliebhaber klar war, dass es auf Dauer nicht reicht, nur ab und an Trainingszeiten anzubieten, haben wir das Angebot mit der eigenen Mannschaft gemacht." Ziel ist der eine Integration in den regulären Spielbetrieb. Dann ging die Nachricht vom neuen Team von Mund zu Mund und schnell hatten sich genügend Spieler gefunden. Drei Tage nach Gründung der Mannschaft absolvierten die Jungs dann das erste Testspiel gegen die Champions ohne Grenzen, ein anderes Flüchtlingsteam aus Berlin.

Der Trainer wird von allen Hassan genannt und kam über das Fanprojekt Babelsberg mit Fußball in Potsdam in Kontakt. (BIldquelle: Redaktion FgN)

Ziele des Trainings: gesellschaftliche Integration und sportlicher Erfolg

Das Training wird von einem Mann aus Mazedonien geleitet, alle nennen ihn Hassan. Er ist selbst vor vier Jahren als Flüchtling nach Deutschland gekommen und lebt mit seiner Familie in Potsdam, sie sind in Deutschland nur "geduldet". Schon in Mazedonien hat er Fußball gespielt: "Damals aber noch auf der Straße, wir hatten keinen Verein wie diesen hier", erzählt er. Nach seiner Flucht kam er zunächst in ein Erstaufnahmelager, dann nach Potsdam. Hier habe er später bei einem Fußballtraining vom Babelsberger Fanprojekt gespielt. Als ein Trainer für das Welcome United Team gesucht wurde, sprachen die Verantwortlichen ihn an. Da Hassan an Arthrose leidet, darf er nicht mehr selbst spielen. Leitet dafür das Training umso besser. Kommuniziert wird auf Deutsch. Hassan spricht es fließend, außerdem soll die Mannschaft für die Flüchtlinge die Integration erleichtern und im Spiel wird so auch gemeinsam die neue Sprache gelernt. Mittlerweile trainieren zwei Deutsche mit. Sie haben Lust aufs Spiel und wollen gern mit den Flüchtlingen in Kontakt kommen. Bei Pflichtspielen sind sie zwar nicht mit auf dem Feld, dafür beim Training mittendrin. Und sie unterstützen ihre Teamkollegen abseits vom Platz.

Nach der Flucht: endlich wieder Fußballspielen

"Ich finde gut, dass wir zusammen spielen und bin froh über die Möglichkeit, die uns Babelsberg hier gibt. In meinem Land wäre das nicht möglich", erklärt Abdihafid Ahmed. Er ist Somalier und vor dem Bürgerkrieg in dem ostafrikanischen Staat geflohen. Er hat eine lange Flucht hinter sich, war kurze Zeit in einem Lager in Libyen interniert, wurde dort auch misshandelt, bevor er es schaffte, im März dieses Jahres nach Deutschland zu gelangen. In Somalia und vor dem Krieg spielte er in der Jugendnationalmannschaft Fußball. Dann brachen die Strukturen in seinem Land zusammen und damit auch der Fußball. Nachdem er viele Tausend Kilometer hinter sich gelassen hat, um in Sicherheit zu leben, will er wieder Fußball spielen, am liebsten professionell. Jede Woche nimmt er deshalb am Training teil und schätzt es, mit den Teammitgliedern in Kontakt zu kommen. "Es ist schwer, sich mit anderen Refugees zu befreunden. Alle bringen ihre eigenen Probleme mit. Ich bin froh, dass wir hier einfach gemeinsam Fußball spielen können", meint er. Die Mannschaft gibt Rückhalt in der neuen Heimat. Und untereinander können auch viele Fragen geklärt werden, wenn es zum Beispiel um Angelegenheit bei der Ausländerbehörde geht.

Abdihafid Ahmed ist vor dem Bürgerkrieg in Somlia geflohen und will nun auch endlich wieder professionell Fußball spielen. An seinen Fähigkeiten soll es nicht mangeln. (Bildquelle: Redaktion FgN)

"Nulldrei, das ist auch eine Lebenseinstellung!"

Eine eigene Flüchtlingsmannschaft beim Verein zu führen, ist in Deutschland eine Neuheit. Andere Fußballteams bestehen zwar schon länger, sind aber nicht an einen professionellen Verein angegliedert und dadurch abgesichert. Für die Babelsberger ist es Ehrensache, das anders zu machen, Unterstützung finden sie dabei durch die Fanszene. "Nulldrei, das ist eine Lebenseinstellung. Sich eben gesellschaftlich zu engagieren. Zum Beispiel sponsern die aktiven Fans der Nordkurve die Trikots für die Mannschaft", erklärt Thoralf Höntze. Er freut sich auch, wenn andere Vereine dann Talente bei der 3. Mannschaft entdecken. Ein erster Spieler aus dem Flüchtlingsteam hat schon den Sprung in die 2. Mannschaft geschafft. Er ist ein begabter Torhüter und den SV Babelsberg so weiter unterstützen. Wie die Mitglieder von Welcome United ist er Vereinsmitglied und ab Januar wird ein Spielerpass für ihn beantragt. Den werden auch die anderen Spieler benötigen, sobald ihr Team in den Ligabetrieb aufgenommen wird.

Bürokratische Hürden

Den Spielerpass zu beantragen ist eine der bürokratischen Hürden, die das Babelsberger Team gegenüber den Fußballverbänden aufnehmen muss. Spielpassanträge werden wie von den Profis aus der 1. Bundesliga verhandelt. Der Verband fragt zunächst im Herkunftsland der Antragsstellenden an, ob diese dort noch gemeldet sind. Dass das besonders für politisch verfolgte Menschen weitreichende Folgen haben kann, spielt keine Rolle. Carolin Gaffron vom Verein Champions ohne Grenzen Berlin bringt weitere Kritikpunkte zur Sprache im ZDF: "Das ist doch absurd. Wie sollen denn Länder im Bürgerkrieg wie Somalia oder Syrien solche Anfragen überhaupt beantworten?"

Probleme bringen auch Versicherungsfragen mit sich. Jahrelang war es Flüchtlingen verwehrt, in deutschen Sportvereinen aktiv zu werden, da sie nicht krankenversichert sind und im Fall einer Verletzung qua Gesetz erst die Ausländerbehörde entscheiden müsste, ob eine ärztliche Behandlung vom Staat zu bezahlen sei. Inzwischen machen sich viele Vereine für Flüchtlinge stark und nehmen sie als Mitglieder auf, so dass sie während dem Sport Versicherungsschutz genießen. Beim SV Babelsberg sind die Flüchtlinge vom Monatsbeitrag befreit, andere Vereine sammeln von ihren Mitgliedern Spenden, um so Mitgliedskosten zu refinanzieren. "Ich kann das Problem nicht verstehen, meist dreht es sich um 3 bis 8 Euro im Monat, daraus sollte kein so großes Thema gemacht werden", meint Thoralf Höntze von den Blau-Weißen.

Komplikationen gibt es mit der Stadionfinanzierung

Politisch beliebt macht sich der Verein mit seinem Engagement in der Stadt Potsdam nur bedingt. Dies zeigt sich an den aktuellen Auseinandersetzungen um die Finanzierung für das Stadion und notwendige Bauarbeiten. Dafür soll der Verein als Stadionbetreiber, plötzlich und entgegen einer jahrelang anders praktizierten Regelung, in Vorkasse gehen, obwohl Zuschüsse für das Jahr 2014 von der Stadt noch nicht in voller Höhe ausgezahlt wurden und der Verein auch die notwendigen 90 - 100.000 Euro nicht allein aufbringen kann. Vereinsmitgliedern scheint der Bankrott der Blau-Weißen hier einkalkuliert zu sein. Babelsberg 03 ist über einen Erbbaupachtvertrag Betreiber des Stadions auf der Karl-Liebknecht-Straße. Das spart Geld für die Stadt, welche die Spielstätte auch ohne die Blau-Weißen betreiben müsste. Ebenso spielt das erfolgreiche Bundesliga-Frauenteam 1. FFC Turbine Potsdam im Karli, laut Regelung im Pachtvertrag dürfen sie das mietfrei. Das ist gut, vergleicht man Frauen- und Männerfußball ist ersterer immer noch besonders finanziell im Nachteil. Auf der anderen Seite verlangt Babelsberg von den Turbinen, dass sie für die laufenden Kosten aufkommen. Bis jetzt werden diese besonders für Flutlichtspiele (bis zu 1.500 Euro je Spiel) übernommen, obwohl Turbine nach eigenen Angaben bis zu 1.000 Plätze bei Spielen verkauft. Mit dem höchsten Ticketpreis von 8 Euro für einen Vollzahler bei Ligaspielen scheint die Gewinnspanne hier aber bescheiden. "Wir finden trotzdem, es ist eine Frage des Anstandes, die verursachten Kosten auch selbst zu tragen", meint Thoralf Höntze. Turbine Potsdam sei ein professioneller Verein und den könne man nicht länger alimentieren. Die Bauarbeiten für das gemeinsam genutzte Stadion sind notwendig, um die Sicherheit zu gewährleisten. Und die solle Babelsberg 03 nun vollständig und allein in Vorleistung finanzieren. Da das nicht möglich ist, fordert man ein Entgegenkommen von der Stadt. Denn ohne die nötigen Baumaßnahmen müssten alle Mannschaften ihren Spielbetrieb im Karli einstellen, Babelsberg wie Turbine. Und natürlich auch Welcome United 03.

Stadt Potsdam sollte Engagement würdigen

Derzeit wird besonders die Integrationskraft des deutschen Sports gelobt. Und in der Vorweihnachtszeit hat Nächstenliebe Hochkonjunktur. Der SV Babelsberg 03 begreift Fußball aber schon lange als Chance, gesellschaftlich aktiv zu werden. Wie andere Vereine und Fanszenen macht man sich hier stark für Menschen, die schwach gemacht werden. Es ist also gut, dass Babelsberg diese Mannschaft auf die Beine gestellt hat. In Zeiten von zunehmendem Hass auf Flüchtlinge wird so ein deutliches Zeichen für eine offene Gesellschaft gesetzt und daran erinnert, dass Integration auch von der deutschen Gesellschaft ausgehen muss. Allein dafür sollten die Blau-Weißen von der Stadt Potsdam gefördert werden. Weil sie mehr im bewirken, als reine Charity.

 

Mehr im Netz:

Fußball als Integrationshilfe - Projekte für Flüchtlinge (Fussball-gegen-nazis.de)

Welcome United 03 Flüchtlingsmannschaft (Homepage des SV Babelsberg 03)

Integration: Fußballverein aus Krumpa baut auf Asylbewerber (Mitteldeutsche Zeitung)

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