In der Fürther Fanszene ist Antirassismus gelebte Praxis - Flüchtlinge, die im Stadionnahen Aufnahmelager leben, werden von den Fans Willkommen geheißen.
Spvgg-Fürth.com Kurvenfotografie

"Es gibt ein sehr breites antirassistisches Engagement in der Fürther Fanszene"

In Fürth gibt es seit 2008 einen hauptamtlichen Fanbeauftragen. Wir sprachen mit Nicolas Heckel, der die Fürther Fanszene seitdem begleitet, über seine Arbeit beim Kleeblatt, eine sehr junge Fanszene die sich klar gegen Rassismus positioniert, Flüchtlinge auch mal zu sich nach Hause einlädt und über den bevorstehenden Stadionumbau.

Wie lange gibt es die Fanbeauftragten in Fürth schon?

Einen hauptamtlichen Fanbeauftragen gibt es in Fürth seit 2008. Seitdem bin ich auch im Verein für die Fans zuständig. Davor gab es schon  mehrere Jahre lang ehrenamtliche Fanbeauftrage die dann immer aus der Fanszene kamen. Die haben auch Unterstützung vom Verein bekommen, konnten aber natürlich nicht in dem Umfang arbeiten wie jemand mit einer vollen Stelle.

Mit welchen fünf Wörtern würdest Du die Fürther Fanszene beschreiben?

Hmm (lacht). Das wird dann schnell sehr plakativ, aber ich versuche es einfach mal. Die Fanszene ist sehr homogen. Natürlich sind besonders auch durch das Jahr in der Bundesliga mehr Fans außerhalb der Region dazugekommen, aber es gibt weiterhin eine sehr familiäre Atmosphäre bei den Fans untereinander.

Ich sag es jetzt einfach, auch wenn das natürlich jeder sagt, unsere Fans  sind sehr kreativ. Sowohl was Choreografien angeht als auch ihr soziales Engagement, das sehen wir als Verein durchweg positiv. Für uns als Verein ist das natürlich doppelt gut, da die SpVgg Greuther Fürth von vielen als sehr positiver Verein wahrgenommen wird. Das haben wir natürlich auch dem Auftreten und dem Engagement unserer Fans zu verdanken.

Unsere Fans sind außerdem sehr friedlich. Um die sicherheitsrelevanten Vorfälle aus dem letzten Jahr abzuzählen brauche ich keine ganze Hand. Gewalt spielt in Fürth zum Glück keine wirkliche Rolle. Natürlich gibt es gegen Nürnberg ein "Risikospiel", aber auch das läuft meistens verhältnismäßig ruhig ab.

Die Fürther Fans sind außerdem sehr tolerant. Sowohl untereinander wie beispielsweise bei der Kommunikation zwischen Ultras und "normalen" Fanklubs als auch gesellschaftlich. Es gibt zudem ein sehr breites antirassistisches Engagement in der Fürther Fanszene.

Wie genau sieht das antirassistische Engagement der Fans denn aus?

Hier in Stadionnähe gibt es eine Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge. Sowohl wir als Verein als auch die Fans versuchen die Geflüchteten dort so gut es geht zu unterstützen. Vor kurzem wurden zum Beispiel  Fahrräder gesammelt und den Flüchtlingen gespendet, damit diese auch mobil sind. Zu jedem Heimspiel geben wir als Verein mindestens 40 Tickets an Flüchtlinge. Unsere Fans holen sie dann ab und gehen gemeinsam mit ihnen ins Stadion. Auch außerhalb des Stadions helfen viele Fans indem sie Stadtführungen organisieren, Flüchtlinge in die Familie zum Essen einladen oder bei ganz alltäglichen Aufgaben behilflich sind. Ansonsten positionieren sich die Fans auch mit Choreografien klar gegen Rassismus und Diskriminierung.

Was sind aktuelle Ziele und Handlungsfelder der Fanbeauftragten?

Das größte Projekt ist aktuell der Stadionumbau. Wir als Verein wollen die Fans da so gut es geht mit einbeziehen. Alle Fanklubs hatten die Möglichkeit aufzuschreiben, was ihnen bei einem neuen Stadion wichtig ist. Daraus haben wir einen Katalog erstellt, der dann auch an die Architekten, die sich um Entwürfe kümmern, weitergegeben wurde. Natürlich kann man aber nicht jeden Wunsch erfüllen.

Was waren denn Wünsche der Fans für´s neue Stadion?

Ein wichtiger Punkt, dem wir auch nachkommen konnten war, dass wir am gleichen Standort bleiben und nicht eine weitere 0815-Arena irgendwo außerhalb der Stadt bauen. Die Spielvereinigung spielt seit über 100 Jahren am Ronhof und das wird Gott sei Dank auch so bleiben. Manche Wünsche können wir aber auch nicht erfüllen, weil es aus finanziellen oder baulichen Gründen für unseren Verein nicht machbar ist. Hierfür haben die Fans aber auch Verständnis, wenn man die Gründe offen und ehrlich benennt.

Das hört sich trotzdem alles gut an. Gibt es denn auch Probleme innerhalb der Fanszene?

Durch das schlechte Abschneiden in der letzten Saison war die Stimmung innerhalb der Fanszene teilweise sehr gedrückt. Natürlich gab es auch für uns als Verein viel Kritik. Das ist aber alles im Rahmen geblieben. Bei einer schlechten Saison gehört das ja auch einfach dazu, dass die Fans erstmal unzufrieden sind. Wichtig ist, dass trotz aller Probleme der Dialog aufrecht erhalten wird, und das ist uns in Fürth bisher immer gelungen.

Und bei den Fans untereinander?

Unsere Ultras sind sehr dialogbereit und respektieren auch  die Wünsche der Fanklubs und der nichtorganisierten Stadionbesucher. Natürlich haben sie eine relativ klare Vorstellung wie sie ihr Fandasein ausleben wollen, aber im Gegensatz zu  anderen Ultragruppierungen stehen sie den restlichen Fans sehr offen gegenüber.

Wie hat sich Eure Ultrasezene in den letzten Jahren entwickelt?

Früher gab es die Gruppe "Ultras Fürth". Nachdem sich die Gruppe aber 2007 aufgelöst hat, entstand in diesem Jahr die Gruppe "Horidos 1000". Da ich ja auch 2008 als Fanbeauftragter angefangen habe, konnte ich die damals sehr junge Gruppierung von Anfang an begleiten. Der Kontakt mit ihnen ist daher sehr einfach und unkompliziert. Wenn die Jungs zum Beispiel was an ihrem Stand im Stadion machen wollen, rufen sie mich kurz an und ich mach ihnen auf. Bei vielen Vereinen wäre so etwas undenkbar, bei uns ist das gelebte Praxis.

Was sind denn Projekte aus der Fanszene, die Dir am Herzen liegen?

Das gesellschaftliche Engagement sowohl von den Fans als auch vom Verein liegt mir sehr am Herzen. Natürlich ist auch die Profimannschaft der SpVgg Greuther Fürth inzwischen eine GmbH, aber die Fans und der Verein schaffen es auch die sozialen Verpflichtungen und Möglichkeiten des e.V. weiterhin zu wahren.

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