Demonstration in Magdeburg 2013.
Danny Frank

"Trauermarsch" in Magdeburg: Same procedure as every year?

Einst war Dresden das Mekka für Europas Rechte, dann entwickelte sich Bad Nenndorf zur Pilgerstätte für Demonstrant*innen des neonazistischen Lagers. In beiden Orten ist die Tendenz der Teilnehmer*innen inzwischen rückläufig. Anders hingegen im sachsen-anhaltinischen Magdeburg: Dort gründete sich 1999 die sogenannte „Initiative gegen das Vergessen“, die seit 2002 jedes Jahr einen vorgeblichen „Gedenkmarsch“, anmeldet. Die Teilnehmendenzahl schwankt zwischen 250 und 1.400 Rechtsextremen - in diesem Jahr erwartet die Polizei 900 Neonazis. Doch der Widerstand gegen die Nazidemonstration am 18. Januar 2014 wächst.

Von Danny Frank, Hardy Krüger & Lea Paulowitsch

"Gedenk-" oder "Trauermärsche"

Es ist das typische Mobilisierungsthema des neonazistischen Milieus Ende der 1990er Jahre: das vermeintliche „Verbrechen“ der Alliierten am deutschen Volk. Nach der Schaffung des Holocaust-Gedenktages im Jahr 1996, Nahum Goldmanns „Tätervolk“-Buch, Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ und der Austellung „Verbrechen der Wehrmacht“ sehen sich Neonazis im Zugzwang und versuchen durch Gegenkampagnen im Gespräch zu bleiben. Zunächst geht es vor allem gegen die Wehrmachtsausstellung, dann, auch durch die gesellschaftliche Debatte um Jörg Friedrichs „Feuersturm“, um die Bombenangriffe der Alliierten auf deutsche Städte während des zweiten Weltkrieges. Die „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) spricht in diesem Zusammenhang gern vom „Bombenholocaust“ und setzt sich ihre Funktionäre an die Spitze der Bewegung.

Erst in Dresden (Sachsen), dann aber auch in Dessau (Sachsen-Anhalt), Cottbus (Brandenburg) und eben insbesondere auch in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt Magdeburg finden seit dem größere „Gedenkmärsche“ statt, deren Intension offensichtlich die Relativierung der Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes ist. In Magdeburg hat sich hierfür eigens eine so genannte „Initiative gegen das Vergessen“ gegründet, die inzwischen eng mit der sachsen-anhaltinischen NPD und ihrer Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) verwoben ist. Am deutlichsten wird dies am Beispiel des Mitinitiators der Initiative, Andy Knape.

Andy Knape

Andy Knape, Jahrgang 1986, kommt ursprünglich aus dem Magdeburger Kameradschaftsspektrum und ging spätestens Mitte der 2000er Jahre ins rechtsextreme Parteimilieu. Seit 2008 ist er Landesvorsitzender der JN in Sachsen-Anhalt, seit 2011 Beisitzer im Bundesvorstand der NPD und seit 2012 Bundesvorsitzender des nationaldemokratischen Jugendverbandes. Knape, der sich in seiner Rolle gefällt und präsentiert, gibt sich gern als dynamisch, jung, redegewant und bürgernah. Erst im Juni letzten Jahres zeigte sich Andy Knape solidarisch im Hochwasser-Einsatz an der Elbe: Sandsäcke stapeln für die „Festungsstadt Magdeburg“, lautete ihre Devise. Via Facebook und Twitter feierten sich die JN-Nazis danach und propagierten eine "nationale Solidarität": „Rechte Kerle packen an - JN im Hochwassereinsatz“ und „Wir reden nicht, wir packen an.“, hieß es da. Worum es Knape und seinen JN-Jünglingen eigentlich ging lieste sich dann so: „Wo bleibt die Spendenfreudigkeit der fremden Länder für ein von Naturkatastrophe gebeuteltes Land?“. Tja, plumper Rassismus geht auch im Hochwasser-Einsatz. Desweiteren führte Knape jahrelang die JN-Ortsgruppe, kandidierte für die Stadtverordnetenversammlung, schwingt gerne Reden bei öffentlichen Veranstaltungen und läuft seit Jahren auch als Kopf des „Gedenkmarsches“ Anfang Januar mit.  Trotz der Angebundenheit an die rechtsextreme Partei besteht der Hauptkern der "Initiative gegne das Vergessen" aus der parteiungebundenen Magdeburger Neonazisszene rund um die ehemalige "Kameradschaft Festungsstadt", deren Personal zuvor aus "Blood & Honour"-Strukturen kam. Damit ist der "Trauermarsch" in Magdeburg vor allem eine Aktion der Kameradschaftsszene.

The same procedure as every year? - Not at all!

Im Januar jährt sich die Bombardierung Magedburgs zum 69. Mal.

Die Stadt tut sich schwer im Umgang mit der Art des Gedenkens: Der neonazistische „Gedenkmarsch“ wurde jahrelang ignoriert, bis, ja bis er nicht mehr zu ignorieren war. Seit 2009 veranstaltet man parallel eine „Meile der Demokratie“, bei der Vereine und Initiativen gern ein weltoffenes Magdeburg präsentieren. Mit der Meile, die in der Stadt große Zustimmung erreicht, wird ein Teil der Innenstadt demokratisch besetzt und der Aktionsraum der Neonazis eingeschränkt.

Initiativen wie das 2012 gegründete Bündnis „Magdeburg Nazifrei“ bezweifeln jedoch die alleinige Wirksamkeit dieser Aktion und sehen eher im zivilen Ungehorsam, mittels Massenblockaden wie einst in Dresden, ein effektiveres Vorgehen gegen Neonazis. Und das Beispiel Dresden, wo lange Zeit Europas größter Neonaziaufmarsch stattfand, gibt ihnen recht: In Magdeburg wurde der Naziaufmarsch erstmals 2003 zu blockieren versucht. 2005 wurde er durch Blockaden zumindest stark verkürzt. Seit 2010 gelang es mehreren tausend Gegendemonstrant*innen, Neonazis nicht durch Dresdens Straßen ziehen zu lassen. Ähnliche Beispiele sind auch aus Berlin und Brandenburg zu vernehmen. 

#blockmd

Im Jahr 2012 hat sich das Bündnis „Magdeburg Nazifrei“ gegründet. Ziel war und ist es Bündnisse, Einzelpersonen und Initiativen mit in die Mobilisierung zu Massenblockaden von Menschenblockaden einzubinden. Ende 2013 entwickelte sich ein neues Blockadebündnis, #blockmd - das auf eine breitere Zusammenarbeit und Kooperation, auch mit dem "Bündnis gegen rechts", abzielt. Nun wollen als #blockmd alle Akteur*innen gemeinsam dem Naziaufmarsch so viel Raum wie möglich nehmen. Mit einer Protestmeile in der Innenstadt, weiteren Anmeldungen von Kundgebungen an S-Bahnhöfen und anderen Orten werden diesjährig mehr Anlaufpunkte für mögliche Blockaden geschaffen und somit der Erfolg auf eine gänzliche Verhinderung des Aufmarsches erhöht. Das Bündnis betont dabei: „Wir leisten zivilen Ungehorsam gegen den Naziaufmarsch. Unsere Massenblockaden sind Menschenblockaden. Von uns geht dabei keine Eskalation aus.“

Nie mehr ungestört „gedenken“!

Unter dem Motto „Staat und Nazis - Hand in Hand! Or­ga­ni­siert den Wi­der­stand!“ wird es wie bereits im Vorjahr am Vorabend, dem 17. Januar 2014, eine antifaschistische Demonstration geben. Sie will eigene Akzente setzen und Stellung zu Polizeimaßnahmen gegen Antifa-Mitglieder beziehen. Start ist um 18:00 Uhr am Hauptbahnhof in Magdeburg.

Am 18. Januar 2014 selbst werden bisher folgende Termine beworben (nach Uhrzeit sortiert):

10:00 - 15:00 Uhr: „Alternative Formen des Umgangs mit Gewalt: Kampfkünste stellen sich vor“ in der Judohalle des Fermersleber Sportvereins am Platz der Freundschaft

10:00 - 18:00 Uhr: Ausstellung Hass vernichtetin der Otto-von-Guericke-Universität

11:00 - 13:00 Uhr: Straßenbahnsonderfahrt mit dem Historiker Gert Sommerfeldt an der Haltestelle Fermersleber Weg

12:00 Uhr: Auftaktkundgebung der auf dem Willy-Brandt-Platz

12:00 - 18:00 Uhr: „6. Meile der Demokratie“ auf dem Breiten Weg mit rund  160 Vereinen, Bands und Kultureinrichtungen

14:00 - 15:00 Uhr: Gedenkzeit für die Opfer rechter Gewalt in der St. Sebastian Kathedralkirche

16:30 - 18:00 Uhr: Laternenumzug gegen Intoleranz und nationalsozialistisches Gedankengut ab Breiter Weg/Ecke Danzstraße

20:00 Uhr - 24:00 Uhr: Konzert „Bunt statt Braun: Den Nazis entgegentreten“ im Veranstaltungszentrum Factory in der Karl-Schmidt-Straße

Die sogenannte „Initiative gegen das Vergessen“ bewirbt bislang ihren Anlaufpunkt zu 12:00 Uhr am Bahnhof Magdeburg-Neustadt.

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