Neonazismus geht auch international: "88tube" ist das Nazi-Pendant zur Videoplattform "YouTube"
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Rechtsextreme Sprachcodes

Rechtsextreme sind bei Wort- oder Phrasenschöpfung erfinderisch – gilt es doch, sprachliche Signale an Gleichgesinnte auszusenden und eigene Ideologie ausdrücken zu können, ohne strafrechtlich belangt zu werden. Gerade im Internet finden solche rechtsextreme Wortschöpfungen schnell Verbreitung.

Von Simone Rafael

Wenn Ihnen im Internet, auf T-Shirts oder in Texten die folgenden Worte begegnen, ist Vorsicht angesagt: Vermutlich kommunzieren hier Neonazis – oder zumindest Menschen, die mit Nazi-Ideologie Kontakt hatten. Und: Demokraten sollten die Wortschöpfungen nicht übernehmen! Das ist auch Teil eines Normalisierungsprozesses rechtsextremer Ideen (Beispiele: „National befreite Zone“ (besser: No-Go-Area), „Kinderschänder“ (Sexualstraftäter)).

Alle aufgeführten Bezeichnungen sind als Beispiele zu verstehen, erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Selbstbezeichnungen

- „Nationaler Widerstand“
- „Nationaldemokraten“
- „Freiheitliche“
- „Nationale Sozialisten“
- „Nonkonforme Patrioten“

Aktuelle rechtsextreme Slogans

- „Todesstrafe für Kinderschänder“
- „Sozial geht nur national“
- „Unsere Agenda heißt Widerstand“ (gegen Agenda 2010)
- „Touristen willkommen – Ausländer raus“

Linke Slogans umtexten

- „Nationale Außerparlamentarische Opposition (NAPO)“ statt „Außerparlamentarische Opposition (APO)“
- „Hoch der nationalen Solidarität“ (statt „Hoch der internationalen Solidarität“)
- „National befreite Zonen“ (statt „Schafft befreite Zonen“, Ausruf der Guerilla in Lateinamerika)
- „Good night left side“ statt „Good night white pride“

Feindbilder

Neben rassistischen, antisemitischen und homophoben Beschimpfungen, die leider auch in der Alltagssprache wohlbekannt sind, etwa:

- „Systempolitiker“ oder „Systemparteien“ (um Opposition zum politischen System der Bundesrepublik, der Demokratie, auszudrücken)
- „Besatzerregime“ (die Bundesrepublik als illegitime „Besatzung“ des Dritten Reiches durch die Alliierten)
- „Multikulti-Extremisten“, „Multikulti-Umerzieher“ (Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus und für Demokratie einsetzen)
- „Asylbetrüger“, „Kulturbereicherer“ (für Migranten)

Antisemitische Codes

- “gewisse Minderheit” (Umschreibung für Jüdinnen und Juden)
- “Amerikanische Ostküste” (spielt auf in New York ansässige jüdische Organisationen an, die verschwörungstheoriegemäß Welt-Entwicklungen beeinflussen)
- “USrael” (spielt auf angebliche geheimnisvolle Verbindung zischen USA und Israel an)
- “Z.O.G.” („Zionist Occupied Government“, die so bezeichnete Regierung sei durch geheime jüdische Einflüsse gelenkt)
- Jew ess ey (neonazistische Buchstabierung der USA)

Geographische Bezeichnungen

- „Mitteldeutschland“ für die östlichen Bundesländer (weil „Deutschland“ für die Nazis bis nach Ostpreußen reicht)
- „Ostmark“ für Österreich (Sprachgebrauch Adolf Hitlers)

Worte mit Oi

Beziehen sich auf die Skinhead-Kultur, die ihre Musik als „Oi“ bezeichnet, abgeleitet von "joy" (Freude). „oi“ ersetzt „eu“. Ursprünglich unpolitisch, entsteht eine rechtsextreme Konnotation, wenn es weitere rechtsextreme Bezüge im Wort gibt, wie bei

- U.a. „Doitschland“, Bandnamen wie „Doitsche Patrioten“, „Kraft durch Froide“, „Kroizzug“, „Noie Werte“)

Zahlencodes (siehe hier)

Deutsche Wortneuschöpfungen für Begriffe aus anderen Sprachen

- Weltnetz (Internet)
- Epost (Email)
- Heimseite (Homepage)
- Verweis (Link)
- T-Hemden (T-Shirts)
- Gemüsekuchen (Pizza)

Akronyme (siehe hier)

Rechtsextreme Nicknames im Internet

- Mit Zahlencodes: „Freya88“ (88=HH=“Heil Hitler“), „Odin88“, „Walküre24“ (24=BH="Blood & Honour"), „Todesengel88“, „hh88“; „troublemaker1488“ (rechtsextreme Bekleidungsfirma & 14=14 word & 88=HH=“Heil Hitler“)
- NS-Bezug: Himmler (oder „Skyler“ als Synonym), HaSSan
- Verpackte Ideologie: „G. Türk“, „A. Ryan“ (aussprechen!)
- Militärbezug: „Legionär“, „Grenzjäger“, „Saaledivision“
- oder ganz offen „Weltfaschist“, „Adolf18“ (18=AH=Adolf Hitler), „Nationalist“
- „Freiheitskampf.MV“, „Besatzungskind“
- Bands: „ianstewart88“ (Sänger von „Skrewdriver“), „88landser88“, „Sleipnir1488“
- Germanisches & Mystisch-Nordisches (gern in Nazi-Foren genutzt, aber nicht automatisch rechtsextrem): „Raginhild“, „Mjölnir“, „Asentreu“, „Nordischer Engel“, „Ahnenblut“, „Eiserner Adler“, „Adlerfisch“ (christenfeindlich)

Phrasen

- „Alliierte Kriegsverbrechen“, „Bomben-Holocaust“ (gleichsetzend gemeint zu den generalstabsmäßig geplanten Judenvernichtung der Nationalsozialisten)
- „Kollektivschuld“ (Klage der Neonazis, für alle Deutschen gelte eine „Kollektivschuld“ für die Verbrechen des Nationalsozialismus)
- „Schuldkult“ – soll kritische Auseinandersetzung und Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus lächerlich machen und abwehren
- "Holocaust-Religion" (abwertend für Auseinandersetzung mit dem Holocaust)
- "Faschismus-Keule" (sobald es eine Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus oder Rassismus in der Gesellschaft gibt)
- „Multikriminelle Gesellschaft“ (als Synonym für multikulturelle Gesellschaft)
- „Befreite Gebiete“ (wo Rechtsextreme die Meinungsmehrheit gewonnen haben)
- "inländerfreundlich" (statt ausländerfeindlich)
- oder "inländerfeindlich", wenn es gegen rechtsextreme Aktionen geht

Zum Thema

| Wo ist eigentlich die Ostküste?
Wortschöpfungen als Mittel des rechtsextremen "Kampfes um die Köpfe"
(ZEIT online)

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