Rechtsextreme Umkehr einer "Digitalen Lichterkette" gegen Rechtsextremismus: Die "Digitale Lichterkette gegen rassistisch motivierte Migrantengewalt" (gemeint ist "Deutschenfeindlichkeit").
Screenshot Facebook

Nazi-Strategien in sozialen Netzwerken: Demo-Aufrufe, Flashmobs, digitale Lichterketten

In sozialen Netzwerken versuchen Neonazis, mit Menschen in Kontakt zu kommen - auch mit ihresgleichen. Damit zeigen sie Präsenz, Aktivität und versuchen noch Unentschlossenen, den Schritt von der Online- in die Offline-Nazi-Welt zu erleichtern.

Von Joachim Wolf

Im Sommer 2011 wollten Rechtsextreme in Berlin-Kreuzberg einen Aufmarsch veranstalten - und verabredeten sich dafür klammheimlich über die Sozialen Netzwerke. Allerdings flog der Plan auch über eben diese auf, denn ein Neonazi freute sich auf der Facebook-Pinnwand eines „Kameraden“ im Vorfeld allzu offen auf die geplante Provokation. Die Öffentlichkeit konnte noch eine Gegendemonstration organisieren (auch über das Internet) und den Aufmarsch letztendlich verhindern. Doch auch ganz offene Veranstaltungs-Aufrufe finden sich im Web 2.0. Neonazi-Konzerte wie „Rock für Deutschland“ oder der „Tag der deutschen Zukunft“, eine jährlich stattfindende rechtsextreme Demonstration, haben eigene Seiten in Sozialen Netzwerken. Dort verbreiten die Neonazis mit Texten und Videos ihre Propaganda, vernetzen sich und bieten einen Anlauf-Punkt für an der Nazi-Szene interessierte, aber noch nicht involvierte Jugendliche. Denn neben Neonazi-Postings finden sich dort immer wieder auch positiv gesinnte Beiträge von Nutzer/innen, deren Profile  ansonsten nur sehr wenige oder teilweise keinerlei Hinweise auf eine entsprechende Gesinnung geben. Der Kontakt entsteht, weil ein Jugendlicher ein Lied einer Band mag, die auf einem solchen Konzert spielt oder weil er oder sie sich eben ganz allgemein für „die Zukunft“ einsetzen will – vielleicht ohne dabei an rassistisches Gedankengut zu denken. Ob die nicht-rechten Nutzer/innen allerdings auch tatsächlich auf die entsprechenden Veranstaltungen gegangen sind, lässt sich natürlich nicht überprüfen.

Auch rechtspopulistische Parteien versuchen die Sozialen Netzwerke zu nutzen, um für ihre Veranstaltungen zu werben – allerdings eher kontraproduktiv. So kündigte „Pro Deutschland“ auf Facebook ihren sogenannten „Internationalen Islamisierungskongress“ in Berlin an und „Die Freiheit“ bewarb eine Veranstaltung mit Geert Wilders – für die sie (horrende) Eintrittspreise forderte. Da sich aber schon im Vorfeld der Veranstaltung abzeichnete, dass die Nachfrage recht gering sein würde, sah sich die Partei gezwungen, die Eintrittspreise drastisch zu senken. Auch diese Entwicklung lässt sich auf der Pinnwand sehr schön nachvollziehen. Eine schwache Nachfrage deutete sich auch auf der Facebook-Seite des „Pro Deutschland“- Kongresses an: Lediglich 32 Zusagen bekam die Veranstaltung virtuell im Vorfeld. Letztendlich fanden sich zu dem Kongress nur wenige Islamfeind/innen ein.

Darüber hinaus nutzen Neonazis auch online-affine, moderne Formen politischen Protestes. So mobilisieren Neonazis im Netz beispielsweise für „Flashmobs gegen Kindesmissbrauch“ oder starten eine „Digitale Lichterkette für null Toleranz gegenüber rassistisch motivierter Migrantengewalt“. Dabei spielen Rechtsextreme ganz bewusst nicht nur mit den Formen, sondern auch mit den Inhalten der Proteste, die sich eigentlich gegen sie richten (im Original „Flashmobs gegen Atomenergie“ und „Digitale Lichterkette gegen Rechtsextremismus“). Neonazis wollen auf diese Weise provozieren - und ihre rassistischen Inhalte in den Sozialen Netzwerken möglichst weit verbreiten.

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Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre vonwww.belltower.news und no-nazi.net: "Zwischen Propaganda und Mimikry - Neonazi-Strategien in Sozialen Netzwerken". Sie steht hier zum Download bereit. Die Printausgabe ist leider bereits vergriffen. Über das Projekt no-nazi.net bieten wir auch Workshops zum Thema "Nazis in Sozialen Netzwerken" an.
 
Mehr aus der Broschüre auf netz-gegen-nazis.de:
 
 
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