So sieht es aus, wenn Islamfeind*innen das "Akropolis" in der "Lindenstraße" stürmen.
Screenshot Lindenstraße.de

Identitäre in der "Lindenstraße"

Die ARD-Endlosserie "Lindenstraße" ist bekannt dafür, immer wieder einmal relativ aktuelle politische Themen einzubinden. Aktuell soll in der fiktiven Straße eine Moschee gebaut werden. Die rechtsextreme und rechtspopulistische Szene in Deutschland arbeitet sich nun an der Thematik ab.

Von Simone Rafael

Zwar ist die rechtsextreme Szene Deutschlands in ihrer rassistischen Hetze aktuell beim Thema Flüchtlinge angekommen, um Ressentiments möglichst vieler Menschen zu schüren. Doch auch die Islamfeindlichkeit bleibt ein Propaganda-Thema, von dem sich Rechtsextreme nicht zu Unrecht Applaus auch aus nicht-rechtsextremen Kreisen erhoffen. Wie es mit der Offenheit und Toleranz bestellt ist, wenn sie vor der eigenen Haustür gefragt ist, ist aktuell Thema in der ARD-Fernsehserie "Lindenstraße". Dort soll eine Moschee gebaut werden - als das Gerücht die Runde macht, reagiert ein Großteil der Lindenstraßen-Bewohner*innen kritisch. Doch "Lindenstraßen"-Produzent Hans W. Geißendörfer ist nicht umsonst 2011 mit dem "Integrationsbrief" der Bayerischen Staatsregierung ausgezeichnet worden: In den nächsten Folgen wird viel diskutiert und nachgedacht. Und, wie üblich, bleibt den Protagonist*innen der Langzeitsoap nichts erspart. Und so suchen auch Neonazis die Straße auf, um ihre Meinung zum Moscheebau kundzutun.

"Lindenstraße" und "Identitäre" auf Youtube.

Interessant ist dabei, welche Neonazis das sind: Schwarz gekleidet, die Gesichter hinter weißen Masken verborgen, stürmen sie mit Schildern wie "Wehrt Euch" und  "Multikulti ist gescheitert" das "Lindenstraßen"-Lokal "Akropolis", wo die Versammlung zu den Moscheebauplanungen natürlich stattfindet, unter lautem Geschrei und mit Ghettoblaster auf dem Arm. Einige filmen das Geschehen hektisch mit ihren Handys. Das ist gut recherchiert und umgesetzt und führte insofern auch zu sofortiger Begeisterung bei denen, die sich in der Serie erkannt haben: "Lindenstraße, die multikulturelle Konditionierung des Bürgers, oder wie eine identitäre Protestaktion (ca. 27.Minute) den Einzug in das Vorabendprogramm geschafft hat" freut sich die "Identitäre Bewegung Deutschland" auf Facebook und verlinkt auch gleich "das identitäre Original". Gemeint ist ein Video aus dem Jahr 2012, als Neonazis der "Identitären Bewegung" den Auftakt der "Interkulturellen Wochen" in Frankfurt am Main störten: Mit weißen Masken und Schildern wie "Multikulti wegbassen". Interessant übrigens: Das Video lebt stark von dem Eindruck, die Neonazis würden zu lauter Musik durch den Saal der Eröffnungsfeier tanzen. Die Musik allerdings gibt es nur im Video, sie ist hinterher auf die Bilder geschnitten worden.

Die "Identitäre Bewegung" feiert die Darstellung

Die "Identitäre Bewegung" ist eine jugendliche Strömung der "Neuen Rechten". In moderner Bildsprache werden islamfeindliche Thesen verbreitet - Tenor ist, es gelte, Europa gegen den Islam zu verteidigen. Dabei versuchen die "Identitären" auf ihren Internetseiten und Social Media-Profilen, sich stets als nicht-rechts und nicht rassistisch zu gerieren, sondern lediglich als "identitär" und heimatliebend. Zahlreiche personelle Verbindungen zur durchschnittlichen Neonazi-Szene sprechen allerdings eine deutlich andere Sprache: Es ist eine neue Verpackung für alten Hass. Im Internet stellt sich die "Identitäre Bewegung" als europaweites Phänomen da - im wirklichen Leben gibt es allerdings bisher eher vereinzelte Aktionen, die trotz der eher untypischen gelb-schwarzen Sparta-Symbolik der "Identitären" schnell als das identifiziert werden, was sie sind: Rechtsextreme Parolen.

Rassismus subtil, hier bei "Identitären" aus 
Bayern

 

Ähnlich wie im wahren Leben stoßen die jugendlichen Islamfeinde auch in der "Lindenstraße" auf wenig positives Echo. Andererseits muss es heute zu den Grundkenntnissen eines jeden Nazis gehören, sich die Realität schönreden zu können. Und so probiert auch ein "Identitärer" auf Facebook eine positive Interpretation des Gesehenen: "Man kann in diese Szene auch eine gewisse Symbolkraft hineininterpretieren. In dem Saal sitzen, zumindest ich das soweit aus der Szene überblicken kann zu 70% alte Menschen, die sich schön die Taschen vollhauen über Respekt Toleranz und all diese Multikulti-Sprechblasen. Am Ende kommt die Jugend rein und beendet diese Selbstbeweihräucherung, weil sie kein Bock mehr haben, dass irgendwelche senilen alten Leute ihre Stadt/Land in den Ruin treiben."

Andere Nazis mosern

Andere Teile der Islamhasser*innen-Szene sehen dagegen die Aussage realistischer: "Die “Lindenstraße”-Bewohner, die anlässlich des geplanten Moscheebaus in der vergangenen Woche mehrheitlich noch erfreulich-islamkritisch gezeigt wurden, sind schneller umgekippt als gedacht", mosert das Topmedium der Islamfeinde, "PI News". An den "Aktivist*innen" in der "Lindenstraße" können sie auch nur herumnörgeln: "In den letzten drei Minuten der Folge wird ein klischeehaftes Feindbild bedient: Schwarz vermummte Gestalten stürmen gewaltsam die Veranstaltung und verbreiten auf Schildern “rassistische” Parolen." Es ist immer beruhigend, wenn die Islamfeind*innen sich untereinander wenigstens auch nicht grün sind.

Geißendörfer: "Notwendigkeit"

Hans W. Geißendörfer sagte zu seiner Themenwahl im epd-Gespräch: „Die Integration ist ein Kernthema der ‘Lindenstraße’.“ Er sei davon überzeugt, dass die Zuschauer an einem „derartigen interkulturellen Streitthema“ interessiert seien. Ausschlaggebend für die Wahl der „Lindenstraße“-Themen sei „immer die Notwendigkeit und dann erst der Unterhaltungswert“. Dass es notwendig sei, von Integration zu erzählen, bezweifle „ja wohl niemand“.

Den Stand der Diskussion bilden auch die Kommentare auf der "Lindenstraßen"-Facebookseite ab: "Schrecklich, wie plump in dieser Folge Islam-Propaganda betrieben wird - so richtig mit dem Holzhammer...", "Wieder einmal ermahnt uns dieser Sender, der von unseren Gebühren finanziert wird, völlig realitätsfern und mit erhobenem Zeigefinger: Seid den Muslimen gegenüber uneingeschränkt tolerant. Und will uns mit der Sendung oberlehrerhaft und völlig gestrig belehren: Wer dies nicht ist, ist rechtsradikal.", "Ich kommentiere normalerweise nicht zu solchen Themen, weil man ja im ach so politisch korrekten Deutschland ohnehin nur missverstanden und in die rechte Ecke geschickt wird. Aber ich finde es einfach unmöglich, mit welcher grobschlächtigen, schlecht recherchierten Art hier an das Thema Islamisierung herangegangen wird." Dies dürfte schon die moderierte Version der Pinnwand sein. Immerhin gibt es aber auch Zustimmung: "Bravo, Lindenstraße! Die Kommentare zeigen: Ihr habt das richtige Thema zur richtigen Zeit gewählt" oder " Da merkt man erst, wieviele Menschen rechts denken ... Ohweiha".

Der Moscheebau soll die "Lindenstraße" übrigens noch länger beschäftigten. Dies wurde in der letzten Folge schon mit einem typischen Cliffhanger anmoderiert: Eine der vermummten Islamfeindinnen war Lea Starck, die Enkelin von Hans und Helga Beimer.

 

Update 09.09.2014:

Aktuell müssen sich die islamfeindlichen "PI News" schon wieder aufregen: Mutter Beimer hat die AfD als "fremdenfeindlich" bezeichnet! PI zitiert dazu die Jugendorganisation der AfD, die auf ihrer Facebook-Seite dazu schreibt: "Bekannte Propagandaminister würden der öffentlich-rechtlichen Lindenstraße Respekt zollen." Also: Wir auch!

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