"Den Rechtsextremen nicht das Feld überlassen!"

Zwar konnte die NPD bei den Kommunalwahlen im Juni keine flächendeckenden Erfolge erzielen. Dennoch muss die Zivilgesellschaft wachsam bleiben – und die demokratischen Parteien müssen politische Alternativen zum Rechtsextremismus anbieten.

Ein Gastbeitrag von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse

Weder ein Grund, sich zu zurückzulehnen, noch ein Anlass für hektischen Aktionismus – so könnte man die Wahlergebnisse der rechtsextremen NPD bei den Kommunalwahlen am 7. Juni interpretieren. Die Schlussfolgerung aus diesen Wahlen muss aber vor allem lauten: Das bürgerschaftliche Engagement für demokratische Kultur in den Städten und Gemeinden muss weiter gestärkt werden, die demokratischen Parteien und Initiativen müssen bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus auf kommunaler Ebene dauerhaft mehr Präsenz zeigen und politische Alternativen anbieten!

Zwar konnte die NPD ihr selbst gestecktes Ziel, in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt flächendeckend große Stimmenzugewinne zu verbuchen, bei weitem nicht erreichen. Dass ihr dies nicht gelang – übrigens auch deshalb, weil sie vielfach nicht hinreichend vorzeigbare Kandidaten rekrutieren konnte –, ist dennoch kein Anlass zur Freude. Im Gegenteil: Denn leider konnte die NPD durch den Wegfall der 5-Prozent-Hürde in vielen Kommunen Sitze in den Stadt- und Gemeinderäten erringen.

NPD gibt sich als "Anwalt der kleinen Leute"

Die demokratischen Parteien und Initiativen stehen damit in den nächsten Jahren vielerorts vor einer weiteren schwierigen Herausforderung. Zwar zeigen alle bisherigen Erfahrungen, dass die Rechtsextremen in den Kommunalparlamenten meist unfähig sind zu konstruktiver Arbeit. Sie sind mit den parlamentarischen Verfahrensabläufen wie mit der Erarbeitung inhaltlicher Anträge sehr schnell hoffnungslos überfordert. Dennoch werden die NPD-Vertreter versuchen, sich selbst nun auch in den Gemeinderäten als "Anwälte der kleinen Leute" zu präsentieren und die NPD als eine ganz normale, etablierte demokratische Partei darzustellen. In diesem Bemühen um Normalisierung rechtsextremer Einstellungen und Positionen und der Demonstration der "Gesellschaftsfähigkeit" der NPD liegt eine große Gefahr.

Alarmierende Wahlergebnisse

In manchen Landstrichen ist es den Rechtsextremen ja bereits gelungen, sich in der gesellschaftlichen Mitte kleinerer Gemeinden oder Städte, in nachbarschaftlichen Zusammenhängen und lokalen Vereinstrukturen zu verankern. Alarmierende Wahlergebnisse wie etwa in Vorpommern oder in der Sächsischen Schweiz, wo die NPD in einzelnen Gemeinden Ergebnisse über 20 Prozent erreichte, belegen dies. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Rechtsextremen in manchen Orten das öffentliche Bild und die öffentlichen Diskurse bestimmen und die NPD zahlreiche Probleme der Menschen vordergründig aufgreifen kann, weil sie von den demokratischen Parteien nicht thematisiert werden. Wir dürfen den Rechtsextremen und der NPD nicht auf so einfache Weise das Feld überlassen!

In denjenigen Stadt- und Gemeinderäten, in denen künftig auch NPD-Vertreter sitzen, wird eine gemeinsame Strategie aller demokratischen Parteien nötig sein. Gemeinsam müssen die Parteien deutlich machen, dass die NDP-Vertreter außerhalb des demokratischen Grundkonsenses unserer Gesellschaft stehen; dass die Rechtsextremen nicht ernsthaft an der kommunalpolitischen Arbeit interessiert sind, sondern diese lediglich für ihre propagandistischen Zwecke instrumentalisieren und dass die NPD – entgegen all ihrer Heilsversprechen – weder in der Lage noch bereit ist, zur Lösung anstehender Probleme tatsächlich irgendetwas beizutragen.

Vertrauen in die Demokratie schaffen

Eine solche Gegenstrategie kann erfolgreich sein. Das zeigt sich zum Beispiel in Berlin, wo Rechtsextreme seit 2006 in vier Bezirken in den Bezirksverordnetenversammlungen sitzen. Politisches Kapital konnten sie daraus bislang nicht schlagen, weil die demokratischen Parteien sich im Umgang mit den NPD-Vertretern einig sind und deren Auftreten und deren Forderungen einhellig verurteilen.

Gleichzeitig aber müssen die demokratischen Parteien auch in den strukturschwachen und ländlichen Regionen präsenter werden. Sie müssen lokale Probleme aufgreifen, die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und ihnen die gemeinsame Erarbeitung von Lösungen anbieten. Wo öffentliche Angelegenheiten gemeinsam, durch demokratische und einbeziehende Beteiligungsformen geregelt werden, wo vor Ort politische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger praktiziert wird, da entsteht auch Vertrauen in die demokratischen Verfahren und Institutionen.

Zum Thema:
NPD-Ergebnisse der Kommunal- und Europawahlen 2009

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