Nazis im Netz werden einerseits in der Anonymität des Internets aggressiver und sorgloser, andererseits bemühen sie sich um harmloses Auftreten, um Rassismus oder Antisemitismus als akzeptable Meinung zu verkaufen - und werde damit sogar als News-Quellen bei Google gelistet. Besonders die derzeit im Internet beliebten "Zensur"-Diskurse sind anschlussfähig für rechtsextremes "Meinungsfreiheits"-Gezeter.
Von Simone Rafael
Was machen Nazis im Internet? Handel treiben, Veranstaltungen bewerben, sich selbst darstellen, Vernetzung vorantreiben, sich amüsieren und die eigene Ideologie möglichst breit gefächert auf dem virtuellen Marktplatz der Meinungen zu verbreiten – also eigentlich das gleiche wie alle anderen. Allerdings ist ihr Inhalt Hass, Rassismus, Menschenverachtung, der Kampf gegen Menschenrechte und Demokratie. Dies verbreiten Netz-Nazis mit großer Unermüdlichkeit. Und das am liebsten unter dem Deckmäntelchen der „Meinungsfreiheit“, die Nazis ständig bedroht sehen, wenn jemand gegen sie vorgeht.
Eine Argumentation übrigens, mit der Rechtsextreme die Teile der Netzcommunity, die sich selbst durch „Zensursula“ und Co. bedroht sehen, überraschend schnell auf ihre Seite bekommen. Der geneigte Leser betrachte nur einmal die Diskussionen auf den Foren der Piratenpartei zum Thema.
Durch die Anonymität des Internets steigt bei den Neonazis die Aggressivität in Wort und Bild. Das ist auf zahlreichen Nazi-Webseiten zu beobachten, deren Gestaltung immer martialischer und gewaltverherrlichender wird. Auch (virtuelle) Angriffe auf Andersdenkende gewinnen an Schärfe – wie etwa Nazi-Seiten, die mit Adressangabe zur Gewalt gegen Andersdenkende aufrufen. Auch der Ton der Emails von unermüdlichen und oft mit wenigen Deutschkenntnissen begabten Netz-Nazis, mit denen Redaktionen wie Belltower.news oder mut-gegen-rechte-gewalt.de zugemüllt werden, wird seit Jahren kreischiger(„Könnt schon mal die Koffer packen und nach Auschwitz ziehen, dann habt ihr nicht mehr so einen weiten weg!“, „Wollt Ihr Judenschweine getötet werden ???? Es ist kein Problem !!!!“).
Die wachsende Begeisterung der Rechtsextremen für das bei ihnen als „Weltnetz“ bezeichnete Medium ist verständlich. Bei Netz-Nazis paart sich der ihnen eigene Fanatismus mit dem Gefühl, im Internet endlich Meinung bilden zu können, wie es im wirklichen Leben – wegen mangelnder Rhetorik oder mangelnder gesellschaftlicher Akzeptanz – niemals möglich wäre. Deshalb ist die Entwicklung folgerichtig, dass intelligentere Neonazis versuchen, Diskurse etwa in Foren, Chat oder auf Pinnwänden sozialer Netzwerke an sich zu reißen, Themen zu verschieben, Andersdenkende zu verdrängen und politische Gegner anzupöbeln.
Doch wie im wirklichen Leben werden auch im Internet demokratische Menschen nach Schrecksekunden wehrhafter. User und Userinnen fordern von Internet- und Community-Anbietern immer massiver Schutz vor Anfeindungen und Hetze, melden Hass-Postings und Nazi-Nutzer. Und nach Jahren der Sensibilisierung reagieren viele Websites inzwischen, sperren Rassisten und Antisemiten oder versuchen, den Handel mit Rechtsextremen zu unterbinden – auch wenn die Unsicherheiten oft groß sind, wo Rechtsextremismus anfängt.
Es ist kein Wunder, dass extrem Rechte diese Unsicherheiten ausnutzen. Und so entstehen Blogs , die mit harmloser Aufmachung einen kritisch-konservativen Hintergrund suggerieren – ohne es in den veröffentlichten Artikeln an Deutlichkeit fehlen zu lassen. „Deutschlandpolitik“ ist ein solcher Blog. Das dezente Nachrichten-Layout wird mit bunten Bildern von Leuchttürmen, der Binnenalster oder dem Kölner Dom aufgelockert. Darunter das Bild einer lachenden Blondine mit Deutschlandfahne, dass entfernt an das weiß-blonde Deutschen-Bild von NPD-Plakaten erinnert, aber auch noch harmlos sein könnte. Eine solche Seite wird denn auch anstandslos bei „Google News“ als Nachrichtenquelle aufgeführt. Allerdings listet „Google News“ inzwischen auch etliche NPD-Seiten als Newsquellen. Die haben allerdings den Vorteil, dass der Absender klar zu erkennen ist.
Beim „Deutschlandpolitik“-Blog, der ohne Impressum geführt wird, erhellt ein Blick in die Linkliste die Stoßrichtung - wenn Leserin oder Leser in bisschen Hintergrundwissen besitzt: Dort finden sich die neu-rechte Zeitung „Junge Freiheit“, deren Berichterstattung ebenfalls in der Grauzone zwischen konservativer Kritik und Rechtsaußen-Ideologie verortet ist, das DVU-nahe, explizit rechtsextreme Nachrichtenportal „Gesamtrechts.tk“, der Kopp-Verlag, in dem Verschwörungstheoretiker wie der rechtsextreme Jan Udo Holey veröffentlichen oder die rassistisch-antiglobalistische Website „Radio Freiheit“.
Thematisch geht es um Rassismus, der nicht offen benannt wird, aber Ausdruck findet in reißerischen Darstellungen von „Ausländerkriminalität“ oder der „Islamisierung Europas“ und Berichten, wie Migranten die Sozialsysteme belasteten. Zudemgeht es um die "Reinhaltung" "deutscher" Kultur und Sprache sowie Patriotismus und Nationalismus allgemein, gegen „linke Gutmenschen“ und, wie oben erläutert, aufgrund persönlicher Betroffenheit und perfekter Anschlussfähigkeit an Mehrheitsgesellschaftsdiskurse natürlich gegen Internetzensur . Wer sich die Mühe machen möchte, findet – über die Blogsuche der Seite – noch zahlreiche neurechte Blogs und Websites, neben dem antisemitisch-fundamentalistischen „Kreuz.net“ oder der NPD-Publikation „Deutsche Stimme“ oder dem DVU-Pendant „National-Zeitung“. Gemeinsam ist den Blogs, dass strafrechtlich Relevantes auf ihren Seiten nicht zu finden ist – ihnen kann also nur inhaltlich, nicht juristisch begegnet werden. Dafür klagen manche von ihnen gern.
Ebenfalls prominent verlinkt ist auf der „Deutschlandpolitik“-Seite übrigens „Metapedia“, die rechtsextreme Antwort auf das usergestützte Online-Lexikon „Wikipedia“. Auch eine Nazi-Facebook-Version namens „NS-Treff“ gibt es bereits. Das die Arbeit von journalistischen Internetportalen oder Magazinen gegen Rechtsextremismus die Szene ärgert, ist übrigens auch an Spiegelungen im Internet zu erkennen: Es gibt inzwischen „Mut-gegen-linke-Gewalt“, „NID-Info-Blog“ („NetzInformationsDienst“, Pendant zum NPD-Info.Blog), „Blick nach links“ und das „Netz gegen linke Gewalt“.