Diese witzige Persiflage erreichte uns auch auf Twitter. Eine ernst zunehmende Gegenbewegung ist es aber nicht.
Screenshot Twitter

Erklärung des Bündnis Aktiver Fußballfans: Ein schwarzer Nachmittag in Köln

Das Bündnis Aktiver Fußballfans erklärte heute sein Entsetzen über die Ereignisse in Köln, erklärt aber auch, das die Ereignisse vorhersehbar gewesen seien. Eine krasse Fehleinschätzung der Polizei, die sonst jedes drittklassige Fußballspiel mit mehreren Hundertschaften absichert, sowie ein fehlender Einsatz der aktiven Fußballfanszenen würden als Ursachen für den derzeitigen HoGeSa Erfolg unterschätzt. So BAFF: “Wir, wie auch alle anderen aktiven Fans, sollten uns auch an die eigene Nase fassen: Während antifaschistische Initiativen und Kurdische Gruppen wie die ‘Perspektive Kurdistan’ in Köln zu einem Gegenprotest aufriefen, hat es nicht eine einzige Fangruppe im gesamten Land im Vorfeld der Demonstration auf die Reihe bekommen, ebenfalls zu den Gegenprotesten aufzurufen.”

Die Pressemitteilung geben wir hier im Wortlaut wieder.

Bündnis Aktiver Fußballfans: Ein schwarzer Nachmittag in Köln - Polemik zur HOGESA-Demonstration

Das Bündnis Aktiver Fußball Fans zeigt sich über die Ereignisse am vergangenen Sonntagnachmittag und Abend rund um den Kölner Hauptbahnhof entsetzt. In einer der größten neonazistischen Aufmärsche der letzten 10 Jahre in Deutschland konnten mehr als 4000 Hooligans, Neonazis und ihre Sympathisanten bei der Demonstration „Hooligans gegen Salafisten“ nahezu ungehindert durch die Kölner Innenstadt marschieren. Etliche Teilnehmer kamen aus dem Spektrum der Freien und Autonomen Nationalisten, von rechten Parteien und Zusammenschlüssen wie der NPD, Die Rechte, Pro NRW und der German Defence League. Augenzeugen beschrieben die Umgebung des Bahnhofes an diesem Tage als eine „No-Go Area“. Der Bahnhof war am Sonntag über Stunden hinweg fest in der Hand von rechten Hooligans und Neonazis, die zeitweise Hetzjagd auf Journalisten, zufällige Passanten und Gegendemonstranten machen konnten. Videos auf bekannten Internetportalen belegen Parolen wie „Hier marschiert der nationale Wiederstand“, „Frei – Sozial und national!“ und „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!“. Die rechte Hoolband „Kategorie C“ aus Bremen, um den – wegen eines Brandanschlages auf ein Asylbewerberheim – vorbestraften Nazihooligan Hannes Ostendorf, die sonst ihre Konzerte an konspirativen Orten austragen muss, spielte mitten im Zentrum einer deutschen Großstadt. Nach den Bildern von Sonntag dürfte die vorher von Seiten der Organisatoren vielbeschworene Mär vom friedlichen Hool-Zusammenschluss, der weder rechts noch links sein will, auserzählt sein. Was im Vorfeld bereits jedem klar war, der sich auch nur annähernd mit der Materie beschäftigt hatte, nämlich, dass es sich bei der Kundgebung mitnichten um eine dringend notwendige solidarische Geste gegenüber dem kurdischen Volk, sondern als den schlecht getarnten Versuch Fremdenhass und anti-muslimische Positionen unters „Volk“ zu bringen handelte, hat sich am Sonntag eindrucksvoll bestätigt: In Köln war ein homogener deutschnationaler Mob aus gewaltbereiten Ausländerfeinden zu sehen, der unter dem Deckmäntelchen des Protestes gegen Salafisten Stärke und Macht demonstrieren wollte.

Aus heiterem Himmel gefallen?

Wenn wir unser Entsetzen ausdrücken, heißt das nicht, dass wir überrascht waren. Überrascht sind wir über die Überraschung der Öffentlichkeit, der Medien, der Polizei. Seit Jahren warnen wir und andere Gruppen davor, dass Althools (die teilweise gar nicht mehr ins Stadion gehen oder dort nicht weiter auffällig werden) nach wie vor in vielen Vereine eine Rolle als „Braune Eminenzen“ (Zitat: Fanzine “Ballesterer”) spielen. Sei es als Vorbilder für den Nachwuchs, sei es als reale Bedrohung für anti-rassistische Fußballfans und Ultras. An vielen Orten pflegen sie beste Verbindungen zur lokalen Neonazi-Szene oder sind elementarer Bestandteil derselben. Die Vorfälle, die sich in den letzten Monaten und Jahren in Aachen, Braunschweig, Duisburg, Düsseldorf und vielen anderen Städten abgespielt haben stehen nur beispielhaft dafür, dass es an vielen Standorten nach wie vor brodelt und jugendliche Fans bzw. Ultras sich in einigen Städten einer stets vorhandenen latenten Bedrohung durch Hooligans ausgesetzt sehen. Überrascht waren wir jedoch auch über die Anzahl der Demonstranten und den Fakt, dass dem Aufruf der eher weniger bekannten Organisatoren, deren Szenebindung fraglich ist, auch durchaus einflussreiche Personen der rechten Hoolspektrums mit ihren Gruppen gefolgt waren. Nach dem eher jämmerlichen Haufen, der noch Wochen zuvor auf den Dortmunder Bahnhoftreppen zu sehen war, ist dies durchaus eine neue Qualität. Doch auch dass die Althools verschiedenster Gruppen seit vielen Jahren untereinander vernetzt sind, kann für Interessierte keine Überraschung sein. Wer sich über Jahre etwa bei Nationalmannschaftsspielen „für sein Land“ schlägt, kennt sich, respektiert sich und schätzt sich. Seit Jahren pflegen Führungspersönlichkeiten aus diesen Gruppen persönliche Freundschaften über Vereinsgrenzen hinweg. Nicht selten auch fußend auf ähnlichen politischen Vorstellungen.

Fußball ist Fußball, Politik bleibt Politik?

Dabei ist es bittere Ironie, dass die gleichen Gruppierungen, die seit Jahren anti-rassistische Fußballfans aufgrund deren Engagements mit der Rechtfertigung “Fußball ist Fußball und Politik bleibt Politik” terrorisieren, am Sonntag zu einer Demonstration mit hochpolitischem Inhalt aufriefen. Inhalt im Sinne von Argumenten ist hier allerdings etwas zu hochgestochen, erschöpften sich die inhaltlichen „Beiträge“ doch in vom Demoanmelder stammelnd vorgetragenen Wutreden, sowie im mantra-artig wiederholten Sprechchor „Wir wollen keine Salafistenschweine!“. Auch viel Freude darüber, dass die „Deutschen“ da seien, wurde verkündet. Der Schlachtruf „AHU“, inhaltlich eher keine kritische Auseinandersetzung mit der Gefahr des Salafismus, wurde tausendfach wiederholt. Wofür hier eigentlich, außer gegen alles “Fremde”, allgemein “den Islam” etc. demonstriert werden sollte, war für die unbedarften Passanten kaum ersichtlich.

Noch ein paar Worte zur Polizeitaktik

Da reicht eigentlich eines: Katastrophal! Auch die Polizei zeigte sich offensichtlich von der großen Anzahl und der Gewaltbereitschaft der Teilnehmer (Remember: HOOLIGANS gegen Salafisten) überrascht, war hoffnungslos unterbesetzt und überfordert. Dem Demonstrationszug wurde angesichts des Bedrohungs- und Gewaltpotenzials von tausenden Hooligans und der zahlenmäßigen Unterlegenheit der Einsatzkräfte extrem viel Freiheiten überlassen, von einem klassischen Spalier, einer direkte Begleitung oder einem offensiven Auftreten der Polizei war nichts zu sehen. Es hätte den Einsatzkräften zu einem viel frühen Zeitpunkt auffallen müssen, dass von mehreren tausend Hooligans und Nazis eine große Gefahr für Gegendemonstranten, Journalisten und Unbeteiligte ausging. Später folgte dann die fast logische Konsequenz, und zwar massive Eskalationen und Gewalt gegen eben diese angesprochenen Gruppen. Interessanterweise war diese Polizeitaktik völlig konträr zu jener, wie sie bei den meisten Fußballspielen angewandt wird. Werden bei diesen doch Fans – selbst bei jedem popeligen Zweitligaspiel – von mehreren Hundertschaften gleich am Bahnhof empfangen. Es gibt ein Spalier zum Stadion und Festsetzungen bzw. Kesselungen von großen Fangruppen aufgrund Delikte Einzelner sind an der Tagesordnung. Und während es kaum möglich erscheint eine x-beliebige Auswärtsfahrt mit dem Zug ohne hochrüstete Polizeieinheiten stattfinden zu lassen, konnten am Sonntag Klein- und Großgruppen von Nazis und Hooligans völlig unbeteiligte Mitreisende auf An- und Abfahrt in den Zügen terrorisieren. Umso grösser unser Empören als die „Taktik“ auf der Pressekonferenz am nächsten Tage als „Erfolg“ verkauft wurde.

Und die öffentlichen Reaktionen?

Vorhersehbar: Die Politik möchte – diesmal in Gestalt der CSU – das Internet besser überwachen lassen, sofort wird über eine Verschärfung des Demonstrationsrechtes nachgedacht und in diversen Ministerstübchen werden wahrscheinlich schon wieder Drohnenbestelllungen aufgegeben oder über den Einsatz der Bundeswehr im Inland nachgedacht. Diverse Medien berichteten von einer Demonstration von Fußballfans, gibt es doch bei jedem Pyrobild sonst immer noch die Einschränkung „sogenannte“ dazu. Dabei sind diejenigen Fans, auf die normalerweise immer öffentlich eingeprügelt wird doch die, die im Gegensatz zu dem Pöbel, der am Sonntag auf der Straße zu sehen waren, diejenigen, die regelmäßig im Stadion zu sehen sind und sich im Zweifelsfalle auch gegen Nazis wenden.

Versagen der Fanszenen

Doch wir, wie auch alle anderen aktiven Fans, sollten uns auch an die eigene Nase fassen: Während antifaschistische Initiativen und Kurdische Gruppen wie die „Perspektive Kurdistan“ in Köln zu einem Gegenprotest aufriefen, hat es nicht eine einzige Fangruppe im gesamten Land im Vorfeld der Demonstration auf die Reihe bekommen, ebenfalls zu den Gegenprotesten aufzurufen. Und das völlig gegen den doch ach so radikalen Habitus, den sich viele Gruppen gerne geben. Nicht weiter verwunderlich von denjenigen Gruppen, die ohnehin von den obengenannten Herrschaften regelmäßig attackiert werden, doch auch ein Armutszeugnis für Gruppen, die sich gerne unpolitisch geben, aber stets betonen doch auch „gegen Nazis“ zu sein. Gruppen, die für sich stets die Deutungshoheit über die Außenwirkung der Fanszene haben wollen und hierbei völlig ignorieren, dass der Ruf einer Fanszene darunter äußerst darunter leidet, wenn Fans des eigenen Vereines auf einer solch neonazistischen Kundgebung unter dem Banner des eigenen Vereines mitlaufen. So weit geht die Radikalität dann eben doch nicht, dass man sich dann gegen die eigenen alten Herren wendet… Doch es gibt auch gute Nachrichten: Den Nazis, Hools und ihren Freunden scheint es kaum gelungen zu sein, Nachwuchs auf die Demonstration zu locken. Das Durchschnittsalter dürfte locker bei etwa Mitte 30 gelegen haben, die einzigen jüngeren Fans kamen aus Fanszenen, in denen ohnehin schon Hopfen und Malz verloren sind, und in denen auch die jüngere Generation in der Vergangenheit zu Hauf gezeigt hat welchen Geistes Kind sie sind. Beispielhaft sagen wir hier einmal: Aachen. Sie haben es sich redlich verdient.

Ausblick

Nach den öffentlichkeitswirksamen Bildern von Sonntag und dem Medienaufschrei ist es eher unwahrscheinlich, dass eine ähnliche Veranstaltung in der kommenden Zeit noch einmal genehmigt wird, bzw. polizeitaktisch so schlecht begleitet wie am Sonntag vonstattengehen wird. Ebenfalls unwahrscheinlich, dass noch einmal solche Teilnehmerzahlen erreicht werden. Auf diversen Internetseiten gab es seitens einflussreicher Führungspersonen der Hooliganszene massiven Protest gegen die schlechte Organisation der Demonstration, einige fühlten sich „verheizt“ von den „größenwahnsinnigen“ Organisatoren und genervt von den „besoffenen und undisziplinierten“ Mitläufern. Es ist nicht auszuschließen, dass Folgeveranstaltungen wieder so aussehen, wie die ersten Treffen der „HoGeSa“: Ein zusammengewürfelter Haufen von Kneipenschlägern, die zu geschätzten über 90% nichts mit ihrer Fanszene zu tun haben und auch ihre „Dienste“ als doch eher selbsternannte Hooligans gar nicht erfüllen. Sollte es wider Erwartens jedoch doch noch einmal zu einer ähnlichen Veranstaltung kommen, hoffen wir, dass es genügend Gruppen gibt, die auch dann mal „Getrennt in den Farben, vereint in der Sache“ sind, wenn es auf der Straße gegen Hools, Nazis und ihre Freunde geht.

Eine klare Linie sämtlicher Fußballszenen gegen dieses Klientel ist dringend nötig!

BAFF, 28.10.2014

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