Wenn die Polizei vor Legida nicht schützen kann, müssen eben Superheldinnen und Superhelden ran!
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Bei Legida marschiert die Hoolizei – aber nicht diesen Montag

Diesen Montag wollte Legida den vierten Aufmarsch durchführen, das Ordnungsamt Leipzig hat diesen jetzt verboten, in Sachsen herrscht Polizeilicher Notstand. Bei Legida versammeln sich besonders viele gewaltbereite Fußballhooligans und Neonazis, die Polizei zeigte sich damit überfordert. Bei der letzten Legida-Versammlung griff ein Polizist selbst einen Fotojournalisten an, nachdem seine Kolleg*innen im Vorfeld wiederholt Bedrohung und Angriffe auf Pressevertreter*innen zugelassen hatten. "Leipzig nimmt Platz" kritisiert das Legida-Verbot trotzdem als "obrigkeitsstaatlich" und die falsche Lösung.

Von Lina Morgenstern

Am Montag (09.02.) wollte sich Legida zum vierten Protestzug durch Leipzig treffen. Nachdem beim letzten Mal die Teilnehmerzahl rapide gesunken war, wurde per Facebookumfrage ein neuer Temin bestimmt und sich auf den Montag festgelegt. Ein Befürworter nannte es den "Tag der deutschen Revolution". Die Stadt hat den Aufzug nun verboten, Begründung: es könnten nicht ausreichend Polizeikräfte gestellt werden, weil das sächsische Innenministerium die Zahl der eingesetzten Hundertschaften rapide von 3100 geforderten auf 800-1000 Beamt*innen reduziert hat. Die Legida-Anhänger*innen schäumen nun im Internet: sie wittern Diktatur und die Beschneidung ihrer Meinungsfreiheit, wenden sich an die AfD als Volksversteher. Und drohen subtil: "Wir werden uns spätestens morgen 18:00 Uhr dazu äußern, auf welche Art und Weise wir unsere Freizeit bis zum nächsten angemeldeten Spaziergang verbringen. Wir sind das Volk!" Entschieden wurde jetzt: es wird "private Spaziergänge" geben und HoGeSa sagte dafür Unterstützung zu. Das passt ins Bild der Legida-Märsche, die sich von Beginn an radikaler, als Pegida in Dresden präsentierten und mehr als den Wahlspruch "Wir sind das Volk" parat hatten.

"Hooligans waren die ersten Demonstranten für die Freiheit"

Denn zu diesem Volk gehören nicht zuletzt auch gewaltorientierte Fußballfans. Wie in den letzten Wochen immer offensichtlicher wurde, spielen Fußballhooligans eine fundamentale Rolle in der Pegida-Bewegung. Sie sichern die Veranstaltungen ab, fungieren als Ordner und bedrohen Journalist*innen – die sogenannte Lügenpresse. Auf der dritten Legida-Kundgebung Ende Januar dankte ein Redner, der sich Friedrich Fröbel nannte, den Hools dafür. "Die ersten, die für den Erhalt unserer Freiheit und unserer Demokratie auf die Straße gegangen sind, waren nicht die Gründer von Pegida, sondern das waren die Hooligans", so Fröbel. Damit beruft er sich deutlich auf die HoGeSa-Demonstrationen des vergangenen Jahres. Weiter dankte er den Hooligans, dass sie die Demonstrierenden vor der "Antifa schützen". Und: "Wenn die Politik unsere Polizei weiter so kaputt spart, dann werdet ihr noch einmal gefordert sein, Seite an Seite mit diesen Polizisten Recht und Gesetz zu verteidigen." Die versammelten Menschen jubelten Fröbel dafür zu. Seit Beginn der Legida-Märsche läuft eine hohe Zahl von Fußballhooligans mit. Sie kommen von Lok Leipzig, der für seine rechtsextremen Fans bekannt ist, und vom Halleschen FC. Aber auch Hooligans aus der Region Dresden reisen an. Sie begleiten die Demonstrationen bis jetzt als Vor- und Nachhut, in mehreren Videoberichten von Legida sind Gruppen von Hooligans zu sehen, die teils vermummt sind und Journalist*innen abdrängen – ohne von der Polizei daran gehindert zu werden.

Angriffe auf Journalisten: durch Hooligans und Ordnungshüter

Seit der zweiten Legida-Demonstration sind Angriffe auf Journalist*innen bekannt. Einer der Angegriffenen ist der Fotograf Marcus Fischer. Er erlitt leichte Blessuren, als ihm Hooligans in die Knie traten, dabei ging auch seine Kamera zu Bruch, der Sachschaden beläuft sich auf 1.000 Euro. Die Hooligans jagten ihn als Mitglied der ungeliebten Lügenpresse, der Angriff ist filmisch dokumentiert. "Es hat neben mir aber noch einen anderen Pressevertreter getroffen", berichtet Fischer. In dem Video vom Angriff ist zu sehen, wie teils vermummte Hooligans Journalist*innen angreifen, ihnen folgen, sie verjagen – und keine Polizei in Sicht. Andere Kollegen berichteten Fischer, dass die begleitende Polizei sogar von der Situation weggelaufen sei, als Fischer zu Boden ging. Er selbst habe nichts mitbekommen, nur versucht sich selbst zu schützen. Trotzdem kritisiert er die Polizei klar dafür, dass wiederholt bis zu 500 Personen in der Legida-Demonstration komplett vermummt und passiv bewaffnet mitlaufen – und dafür nicht belangt werden.

Laut den Berichten und Erlebnissen von Journalist*innen bei Legida geht die Polizei besonders repressiv gegen NoLegida-Demonstrierende vor, aber auch gegen Pressevertreter*innen selbst. Bei der vergangenen Legida-Kundgebung löste die Polizei eine Sitzblockade in der Goethestraße unter Einsatz gewaltvoller Mittel auf – dabei schlug ein Beamter der BFE-Einheit einen Fotografen, der sich hinter der Polizeikette befunden hatte und das Geschehen festzuhalten versuchte. Im Anschluss setzten die Beamten ihn zur Personalienkontrolle fest und erließen eine Anzeige gegen ihn. Dokumentieren konnte das Geschehen ein Kamerateam des NDR. Auch Fischer sah den Vorgang und zeigt sich entrüstet. Wie auf den Filmaufnahmen zu sehen ist, konnte der angegriffene Journalist nur geschützt werden, weil sich mehrere Presseleute zwischen den Polizeibeamten und ihn gestellt hatten.

Videoausschnitt aus dem NDR "ZAPP Magazin", "Polizeieinsatz der Woche". (Quelle: Youtube)

Ein NPD-Anwalt und Personen aus dem rechten Hooligan-Milieu

Überschneidungen mit den Legida-Organisatoren und Personen aus dem rechten Leipziger Fußballspektrum sind schon seit der ersten Legida-Demonstration dokumentiert. Marco Prager aus der Fanszene von Lok Leipzig trat zwar aus dem Organisationsteam schon vor dem ersten Legida-Marsch zurück – war dann aber laut MDR Exakt als Ordner dabei, gemeinsam mit anderen Angehörigen der Lok Fanszene. Außerdem soll er noch kurz vor Weihnachten 2014 versucht haben, Aktivisten des HoGeSa-Netzwerks zur Legida-Demonstration einzuladen. Dazu äußern wollte er sich gegenüber dem MDR Kamerateam nicht.

Silvio Rösler ist Legida als Versammlungsleiter erhalten geblieben. Er kommt aus der Fanszene des Amateurvereins SG Leipzig-Leutzsch. Hier soll er auch Kontakte mit Thomas Gerlach haben. Gerlach ist Neonazi und hat sich im Umfeld der rechtsextremen Terrorzelle NSU bewegt, er musste deshalb auch im Prozess gegen Beate Zschäpe aussagen. "Die Welt" stellte Vermutungen an, dass Gerlach und Rösler enge Freunde sein könnten. Gegenüber der Leipziger Volkszeitung LVZ erklärte Rösler hingegen: "Er ist genau wie ich ein Fan, wir haben zusammen auf der Norddamm gestanden."

Rechtsbeistand des Legida-Teams ist Arndt Hohnstädter. Der Jurist berät Versammlungsleiter Rösler und seine Kanzlei hat laut Angaben der "Welt" im vergangenen November den Patentschutz für die Wortmarke "HoGeSa" (alias Hooligans gegen Salafisten) beantragt. Anhänger dieser Bewegung sollen auch bei Legida mitgelaufen sein. Einen Namen hat sich Hohnstädter darüberhinaus in der Rechtsberatung für die rechtsextreme NPD gemacht. Der ehemalige NPD Chef Holger Apfel dankte ihm dafür öffentlich.

Gewalt gegen Gegendemonstranten und versperrte Zugangswege

Man kann Legida schon einen "Naziaufmarsch" nennen, dessen Stattfinden in sächsischer Manier mehrmals in Folge gewährleistet wurde. Dreimal in Folge konnten gewaltbereite, mit Quarzhandschuhen passiv bewaffnete und vermummte Hooligans durch Leipzig marschieren und Journalist*innen angreifen konnten, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die Polizei wirkte schlicht überfordert, ihr Vorgehen mit dem sie laut Eigenangaben versucht, die Versammlungsfreiheit für Personen aller politischen Orientierung zu gewährleisten, wirft Zweifel auf. Auch das Aktionsnetzwerk "Leipzig nimmt Platz" kritisierte das Vorgehen der Polizei am 30. Januar harsch: "Die Polizei hat ohne jedes Maß agiert. Die an dieser Stelle eingesetzten sächsischen Beamt*innen haben gegen die in der Goethestraße friedlich demonstrierenden Menschen vollkommen unverhältnismäßige Mittel eingesetzt. Anstatt zu kommunizieren wurde geschrien, gedroht und Gewalt eingesetzt. Das kann nicht das Mittel sein, um friedlichem Protest zu begegnen." In einer anderen Stellungnahme berichten sie auch, dass eingesetzte Polizeikräfte Leipziger Bürger*innen wiederholt den Weg zu genehmigten Kundgebungen von NoLegida versperrten und keine alternativen Zugänge für die Demonstrationswilligen aufzeigten.

Zweifel gibt es indessen nicht nur an der Polizeitaktik, auch an überhöhten Legida-Teilnehmerzahlen, die die Polizei vermeldete. Am 21. Januar zählten Studierende der Uni Leipzig maximal 5000 Legida-Demonstrierende, während die Polizei von 15.000 Teilnehmenden sprach. Eine ähnliche Kritik gab es an den Teilnehmerzahlen in Dresden.

"Die Lösung kann nicht der Eingriff in Grundrechte sein."

Das Aktionsnetzwerk "Leipzig nimmt Platz" ruft weiterhin dazu auf, sich gegen das Bündnis von "Nazis, Hooligans und Alltagsrassist*innen bei Legida" zu stellen. Sie kritisieren das erneute Demonstrationsverbot und fordern "Legida zivilgesellschaftlich, nicht obrigkeitsstaatlich" ein Ende zu setzen. "Die Lösung kann nicht der fortdauernde Eingriff in Grundrechte sein", stellt die Sprecherin Juliane Nagel fest. "Wir werden Legida den Platz nehmen und für eine offene und solidarische Gesellschaft streiten, auf der Straße genau wie im Alltag", erklären die Aktivist*innen auf ihrer Website. Für den kommenden Montag sind nun wieder zahlreiche Gegenproteste in Leipzig geplant. Legida will gegen das Versammlungsverbot klagen, sollte dem stattgegeben werden, ist die Leipziger Zivilgesellschaft vorbereitet. Angesichts des Fehlverhaltens der Polizei in den letzten Wochen stellt sich aber die Frage, ob die Begründung des Ordnungsamts Leipzig nicht gerechtfertigt ist.

 

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