Zur Prävention gehört: Verallgemeinerungen von einzelnen Taten und der Verquickung von Sexismus und Rassismus immer zu widersprechen.
Screenshot Facebook, 12.06.2017

Was bedeutet die Genderperspektive für Prävention und Gegenaktionen zu Rechtspopulismus?

Antifeminismus ist neben dem antimuslimischen Rassismus dieser Bewegungen eine wichtige strömungsübergreifende Klammer für Rechtspopulismus à la "Pegida". Die sexistische und patriarchale Ausrichtung sowie die Aktualität geschlechterpolitischer Themen erlaubt es, Anschluss an Diskurse im breiten Mainstream zu finden, etwa gegen Gender Mainstreaming und gegen die »Ehe für Alle«, womit insbesondere diese Themen eine Scharnierfunktion erfüllen. Wie lässt sich dies für Prävention und Gegenaktionen nutzen?

 

Von der Fachstelle Gender und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung

 

Die Auseinandersetzung suchen

 

Praktisch erfordert das zunächst, dass sich feministische und antirassistische Perspektiven nicht gegeneinander ausspielen lassen dürfen und dass sich Interventionen gleichermaßen gegen Sexismus und Rassismus rechtspopulistischer Bewegungen richten sollten. Das heißt: Antirassistische Initiativen benötigen eine feministische Perspektive ebenso wie feministische Akteur_innen eine konsequent anti-rassistische Analyse. Was genau unter Rassismus zu verstehen ist und was unter Feminismus, sollte debattiert und möglichst konkret formuliert werden. In der Rückschau zeigt sich, dass feministische Interventionen bis auf Einzelbeispiele, z.B. zum 8. März, nur unzureichend Anwendung in der Prävention fanden und – vielleicht angesichts des virulenten Rassismus – thematisch auch nicht länger präsent waren. Dabei ist die stärkere Einbeziehung feministischer Perspektiven in die Analyse solcher Bewegungen bzw. von Rechtspopulismus allgemein dringend nötig. Völkische Argumentationen, wie wir sie bei Pegida finden, z.B. die Idee einer Verkörperung des Volkes und entsprechender Anforderungen an Geschlechterrollen im Sinne und Dienst des »Volkes«, verweisen auf Faschismus und Nationalsozialismus und sind klar zurückzuweisen.

Im Fokus der Auseinandersetzung mit Pegida u. Ä. standen und stehen häufig die proklamierten »Ängste« und »Sorgen« der Teilnehmenden, die in Reden insbesondere von Frauen scheinbar glaubhaft vorgebracht werden. Allerdings sind diese Äußerungen schablonenhaft gleicher Emotionen vor allem strategisch motiviert und dienen neben einer angestrebten Unhintergehbarkeit entsprechender »Argumente« zugleich der Rechtfertigung der Gewalt gegen »Andere«. Unabhängig davon ersetzt ein Austausch über Emotionen keine sachliche Auseinandersetzung. Gleiches gilt allerdings auch für faktenresistente, »postfaktische« Argumentationen, die kein akzeptables Gegenüber für eine sachliche Diskussion sein können.

Analog zu den Analysen der Fachstelle »Gender und Rechtsextremismus« zur extremen Rechten greift auch in der Beschäftigung mit Pegida u.Ä. das Phänomen der »doppelten Unsichtbarkeit« von Frauen – obwohl hier Frauen auf und vor den Bühnen keine Seltenheit darstellen. Für
eine zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung ist es relevant, Frauen in ihren Äußerungen und Handlungen wahr- und ernst zu nehmen und nicht auf Verharmlosungen wie die des »einfachen Mädels« und der »besorgten Mutter« einzugehen.

 

Bündnisse eingehen und sich austauschen

 

Pegida und ähnlichen Bewegungen ist wirkungsvoll nur durch Bündnisse zu begegnen, in denen ein Austausch über patriarchale Verhältnisse, sexualisierte Gewalt und feministische Emanzipationsbestrebungen ebenso stattfindet wie über Rassismus, antisemitische Verschwörungsideologien usw. Die Einbeziehung von Geflüchteten ermöglicht, auf spezielle Fluchtgründe und Situationen von Frauen und LGBT*I*-Personen, aber auch von jungen Männern einzugehen. Hier können unterschiedliche Perspektiven sichtbar gemacht und wahrgenommen werden. Es geht darum, Bedingungen herzustellen, unter denen Rassismuskritik gehört werden kann (Astrid Messerschmidt). Dazu gehört auch, institutionelle und strukturelle Ausgrenzungen und Diskriminierungen zu thematisieren und intersektionale Perspektiven gegen Rassismus und Sexismus einzufordern. 

 

Instrumentalisierungen entgegentreten

 

Rassistischen Instrumentalisierungen sexualisierter Gewalt ist deutlich zu wiedersprechen. Mit der Kampagne #ausnahmslos wird gefordert, dass »sexualisierte Gewalt (…) nicht nur dann thematisiert werden [darf], wenn die Täter die vermeintlich »Anderen« sind.« Instrumentalisierungen von gleichstellungspolitischen, antisexistischen bzw. feministischen Positionen befördern rassistische Ausgrenzungen auf dem Rücken von Opfern sexualisierter Gewalt. Erkennbar werden sie insbesondere dadurch, wenn sie von Akteur_innen vorgebracht werden, die in der Vergangenheit mit frauenfeindlichen und antifeministischen Positionen aufgetreten sind. Das betrifft Politiker_innen, die gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe gestimmt haben, wie auch Akteur_innen, die sich in geschlechterpolitischen Debatten gegen feministische Forderungen oder Gleichstellung positioniert haben, oder insbesondere solche, die ganz bewusst frauenfeindliche Angebote unterbreiten, wie z.B. »Pick-up-Artists«. Zuschreibungen von Kriminalität vor allem im Bereich sexualisierter Straftaten werden gezielt
von Rechtspopulisten und Rechtsextremen genutzt, um Stimmung zu machen, wobei sie häufig auf Falschmeldungen zurückgreifen oder personalisiert vorgetragene Lügen verbreiten. Das heißt, dass Quellen in Bezug auf Gerüchte und Erzählungen stets hinterfragt werden müssen.
Es ist wichtig, sich mit den Bildern, Mythen und Phantasmen in diesem Themenfeld auseinanderzusetzen. Dazu gehören die »sexuell unterdrückte muslimische Frau« wie auch der »sexuell gefährliche muslimische Flüchtling«, aber auch auf der anderen Seite das angebliche Bild des »Abendlandes mit freiester Sexualität«. Wir leben nicht in einer geschlechtergerechten und sexuell emanzipierten Gesellschaft – trotzdem wird dieses Selbstbild verwendet, um ein Gegenbild zu schaffen, das rassistisch und kulturalistisch aufgeladen wird.

In der Prävention hingegen geht es um konkrete Handlungen, die bearbeitet werden sollen, und nicht um imaginierte »Defizite« von »Kulturen«. Erfahrungen sexualisierter Gewalt und Diskriminierung sind ernst zu nehmen. Dabei muss immer Standard sein, konkrete Erlebnisse nicht als »pars pro toto« für eine Gruppe zu verallgemeinern, sie einer »Kultur« zuzuschreiben oder als gültig für alle Mitglieder einer imaginierten Gruppe anzunehmen. Das gilt auch für Aussagen zur Besonderheit von »Kulturen«, die antirassistisch gemeint sind, aber dennoch unzulässig verallgemeinern.

 

Sich auf Errungenschaften der Gleichstellung und eine offene Gesellschaft beziehen

Was hilft, sind positive Bilder, die eine Gesellschaft zeichnen, die hinsichtlich der Gleichstellung von Geschlechtern zwar noch einen weiten Weg vor sich, aber doch schon einiges in vergleichsweise kurzer Zeit erreicht hat. Und es hilft, an die_den Einzelnen zu appellieren: Ausgrenzung haben viele Menschen schon einmal erlebt und als negativ wahrgenommen. Hieran lässt sich in der Argumentation anknüpfen: Wenn dir vorurteilsfrei begegnet werden soll, schließe eigenes diskriminierendes Verhalten aus.

Grundsätzlich ist es in Reaktion auf Pegida und vergleichbare Gruppierungen wichtig, ein konkretes und positiv konnotiertes Bild einer offenen, demokratischen und damit für alle Geschlechter gerechten und zugänglichen Gesellschaft zu zeichnen, in der Individuen für ihr eigenes
Handeln verantwortlich sind, sich in die Gestaltung des Alltags ebenso wie in die Kritik und Umgestaltung von Strukturen und Institutionen einbringen. Sachlichkeit und Faktenorientierung aber auch Humor in der Diskussion können hierbei wichtige Elemente sein. Ebenso wichtig ist die Fähigkeit zu unterscheiden, mit welchen Personen in welchem Kontext eine Auseinandersetzung sinnvoll ist: Gibt man auf Podien Personen Raum und Gehör, die ihre menschenfeindlichen Überzeugungen verbreiten, oder entscheidet man begründet, wer auf Podien sitzt?

 

Eine geschlechtergerechte, feministische Positionierung hilft

 

Die Erfahrung zeigt: In Diskussionen mit Anhänger_innen von Pegida oder mit Personen, die einzelne Meinungen dieser Bewegung vertreten, hilft es, auf deren frauenfeindliche Positionen und familistische politische Forderungen hinzuweisen. Dies überrascht durchaus Einige und bringt zum Nachdenken, denn eine frauenfeindliche Gesellschaft mögen nur Wenige. Angesichts der Appelle dieser Bewegung für traditionelle, biologistische und einengende Geschlechterrollen sowie eines dadurch forcierten Sexismus sind in pädagogischen Arbeitsfeldern
Ansätze sinnvoll, die auf eine Pädagogik der geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt zielen. Standards dafür hat u.a. der Arbeitskreis »Geschlechterreflektierende Rechtsextremismusprävention« vorgelegt.

 

Ausgrenzung, Gewalt, Sexismus, Rassismus benennen

 

Werden Menschen in Diskussionen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit diskriminiert, z.B. als »schwul«, als »kinderlose Karrierefrau« etc., gilt es zu intervenieren und auf vereinbarte Regeln eines diskriminierungsfreien Miteinanders zu verweisen oder diese als Bedingung für ein Gespräch zu benennen. Dies gilt auch für weitere Formen von Diskriminierung: Wird Sexismus geäußert, gilt es, ebenso zu widersprechen wie bei rassistischen, antisemitischen Aussagen. 

 

Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre "Peggy war da! Gender und Social Media als Kitt rechtspopulistischer Bewegungen" der Amadeu Antonio Stiftung. 

 

 

Für ein Print-Exemplar wenden Sie sich bitte an info@amadeu-antonio-stiftung.de

 

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